Mein Fahrradweltreise- Blog


Ein Blog über Abenteuer, Reisen und persönliche Erlebnisse. Hier teile ich meine Geschichten, Entdeckungen und Gedanken aus verschiedenen Teilen der Welt und lade dich ein, die Vielfalt des Lebens durch meine Augen zu sehen.




Tag 121

Vorbereitungen für den Rahmenwechsel

Heute stand Organisation pur auf dem Programm: Flug für morgen buchen, Fahrrad in die Transportbox verpacken und alle weiteren logistischen Dinge klären. Ich nahm mir außerdem die Zeit, alle Taschen auszupacken und systematisch durchzugehen, was ich tatsächlich brauche – und was wieder mit nach Deutschland kann.

Ich merke immer mehr, dass ich zu viel Gewicht mitschleppe. Also: Ballast abwerfen. Ziel ist es, das Fahrgewicht deutlich zu reduzieren, um künftig leichter unterwegs zu sein – körperlich wie mental.

Nachdem das alles erledigt war, packte ich mein Handgepäck, aß noch eine Kleinigkeit und telefonierte nach Deutschland, um sicherzustellen, dass dort in den kommenden Tagen alles reibungslos läuft.

Meine Taschen bleiben übrigens bei Haidos – denn am Rad selbst wird alles ausgetauscht. Es ist unglaublich nett von ihm, dass ich sein Vertrauen genieße: Er hat mir sogar einen Haustürschlüssel überlassen, damit ich jederzeit zurück in seine Wohnung kann, wenn ich aus Deutschland wiederkomme.

Nach all den Erledigungen fiel ich dann zufrieden und etwas erschöpft ins Bett.

Fahrrad kurz vor dem Auseinanderbauen vor schöner Tür 


Kulturschock Deutschland für wenige Tage, bis ich wieder zurück in Kirgistan bin.

Tag 120

Taxi-Odyssee nach Bischkek

Nach dem gestrigen Desaster in den Bergen entschied ich mich, den Weg nach Bischkek per Taxi zu bewältigen. Eigentlich wären es nur noch 350 km gewesen – jetzt, nach der Umkehr, waren es wieder 650 km. Mit der anstehenden Generalüberholung meines Fahrrads und der ohnehin angespannten Situation wollte ich nichts mehr riskieren.

Ein Taxi mit Platz für Fahrrad und Taschen zu finden, war jedoch leichter gesagt als getan. Die Betreiber des Hostels, in dem ich eine Nacht verbracht hatte, bastelten mir ein Pappschild und meinten, ich solle mein Glück beim Trampenversuchen. Also stand ich zwei Stunden lang in der glühenden Mittagshitze am Straßenrand. Drei Autos hielten – alle ohne Platz für mein Gepäck.

Irgendwann sprach mich ein Mann an. Er könne mich in 10 Minuten für 30 € nach Bischkek bringen. Ich war erleichtert. Doch: Er kam nicht. Also wieder raus an die Straße mit dem Schild. Nach weiteren eineinhalb Stundentauchte er schließlich auf – diesmal mit einem vollen Taxi. Er sagte, sein Kollege könne mich in 2,5 Stundenmitnehmen.

Inzwischen war ich ordentlich genervt von der Unzuverlässigkeit. Ich ging zurück ins Hostel, um dort auf „Kollege Nummer zwei“ zu warten. 15:00 Uhr – niemand da. 15:30 Uhr – immer noch niemand. Die Ausrede: „Er wartet noch auf eine Passagierin.“ Erst um 16:15 Uhr tauchte der Fahrer tatsächlich auf.

Endlich ging es los. Fahrrad aufs Dach, Taschen ins Auto – und dann der nächste Dämpfer: Die Passagierin hatte ihren Lockenstab und Föhn vergessen, also wieder zurück. Danach hielt der Fahrer gefühlt alle 500 Meter, um noch jemanden für den letzten Platz zu finden. Es dauerte fast eine Stunde, bis wir wirklich Fahrt aufnahmen.

Am Toktogul-See machten wir dann einen Stopp. Der Fahrer und ich sprangen kurz ins Wasser – eine kurze Erfrischung. Danach ging es weiter, inklusive Essenpause. Mein Magen war jedoch immer noch gereizt vom schlechten Essen in den Bergen, und der Stress hatte sein Übriges getan. Ich bekam abends erneut heftige Blähungen.

Nun war es dunkel. Der Fahrer fuhr viel zu schnell, bremste abrupt, riss das Lenkrad in Kurven hin und her, und überholte riskant. Mein Magen wurde dabei so oft durchgewirbelt, dass ich ihn kaum noch beruhigen konnte.

Um drei Uhr morgens kam ich schließlich in Bischkek bei Haidos, einem Fahrradmechaniker, an. Sein Kontakt war mir in Osh vermittelt worden. Trotz der Uhrzeit stand er auf, um mich zu empfangen – das rechne ich ihm hoch an. Nach einem rettenden Besuch der Kloschüssel konnte sich auch mein Magen endlich wieder entspannen.


Die letzten Kilometer nach Bishkek auf dem Dachgepäckträger 


Bei über 4000m muss ich mich neben Sonnencreme auch bedecken, da meine Haut in dieser Höhe sonst verbrennt

Die nächste Reparatur hat nicht lange gedauert. Diesmal hat sich der Mantel verabschiedet und ist an der äußeren Naht gerissen. Der Schlauch hat somit aus dieser Naht aus der Felge heraus geschaut. Wie durch ein Wunder ist im Schlauch nichts passiert. Hatte ich auch noch nicht, dass ein Schlauch länger überlebt hat, als der Mantel.

Hier sieht man den herausschauenden Schlauch. Wie ein großer Abszess.

Diese Aussicht hier in der besonderen Landschaft ist der Wahnsinn 

Malerische Felsen 

Aussicht über das Tal in dem Murghob liegt.

Tag 119

Rückzug vom Pass und Höllenfahrt

Trotz neun Stunden Schlaf fühlte ich mich am Morgen seltsam benebelt und träge. Mein Körper wirkte schlapp, mein Kopf unklar – keine gute Voraussetzung für einen Tag in den Bergen. In der Nacht hatte ich stark geschwitzt und spätestens bei meinem morgendlichen Toilettengang wurde mir klar, woran es lag: Das Essen der Familie, die mich am Vorabend eingeladen hatte, war wohl doch nicht ganz gut gewesen.

Ich versuchte es trotzdem. Nach etwa 15 Kilometern begann der Aufstieg – es wurde zunehmend steil, heiß und steinig. Als meine Reifen auf dem losen Untergrund durchdrehten und ich kaum noch vorankam, setzte ich mich unter einen Baum. Ich war völlig kraftlos.

Wie aus dem Nichts kam ein alter sowjetischer Viehtransporter vorbei. Ich hielt ihn an und fragte, ob er mich mitnehmen könne – er sagte ja. Hinten auf der Ladefläche war bereits eine Mutterkuh mit Kalb. Dazu kamen jetzt mein Fahrrad und meine Taschen. Ich dachte: „Wird schon gehen.“

Doch was folgte, war eine Höllenfahrt. Die Federung des Lasters war quasi nicht vorhanden – Starrgabel-Feeling pur. Bei jedem Loch wurde ich gegen die Metallwand geschleudert, mein Fahrrad flog kreuz und quer durch die Ladefläche. Zweimal durchquerten wir Flüsse, bei denen ich allein definitiv nicht durchgekommen wäre. Als wir schließlich zwei riesige Bodenwellen passierten, wurden die Kühe mit voller Wucht gegen mich geschleudert – da hörte der Spaß auf.

Ich rief dem Fahrer zu, dass ich sofort aussteigen will. Weder ich noch mein Rad konnten diese Tortur länger mitmachen. Dann verlangte der Fahrer auch noch Geld für die Schmerzen, wie er es nannte – eine Frechheit! Ich gab ihm trotzdem einen kleinen Betrag und war froh, dass er mich nicht weiter nervte.

Vor mir lag nun der berüchtigte Pass – 1000 Höhenmeter auf 6 Kilometern, mit einer durchschnittlichen Steigung von 23 %. Unmöglich mit meinem Reiserad und Gepäck. Zum ersten Mal auf dieser Reise musste ich mir eingestehen, dass ich etwas nicht fahren konnte. Aber zurück? Auch das war nicht einfach. Der steile, unwegsame Weg mit Flussdurchquerungen war auf zwei Rädern nicht passierbar.

Ein kleines Jurtendorf wurde mein Rettungsanker. Einer der Männer dort hatte einen kleinen Transporter – meine einzige Chance. Doch er roch meine Notlage und wollte 100 Dollar für die 70 Kilometer zurück in die nächste Stadt Bazar-Korgon – das Fünffache des normalen Preises. Ich blieb hartnäckig, bot ihm 50 Dollar (immer noch überteuert, aber fairer). Als ich den Schein schließlich in der Hand hielt, lenkte er ein.

Also wurde ich mitsamt meinem Rad und Gepäck wieder zurück ins Tal gebracht – alles, was ich heute und gestern mühsam erkämpft hatte, war damit zunichte. Aber: Ich war sicher raus aus den Bergen.

In Bazar-Korgon suchte ich lange nach einer Unterkunft, fand schließlich ein einfaches Hotel – und fiel völlig erschöpft ins Bett. Was für ein Tag.

Ein Wasserfall in den Kirgisischen Bergen

Fahrradtransport runter vom Berg durch Flüsse und extreme Schotterpiste.

Raus aus der Sackgasse zurück in die nächste Stadt 

Tag 118

Aufbruch in die kirgisischen Berge

Ich wachte heute vom Zwitschern der Vögel auf – ein friedlicher Start in den Tag. Ohne lange zu zögern, sprang ich direkt in den See neben meinem Schlafplatz und schwamm eine Runde. Der kühle Morgenschwumm war erfrischend und belebend – genau das Richtige, um wach zu werden.

Anschließend begann mein richtiger Einstieg in die kirgisischen Berge. Anfangs war der Weg noch asphaltiert, doch das änderte sich bald – wie so oft wurde aus Teer wieder Offroad-Schotterpiste. Irgendwann hielt ich bei einem kleinen Supermarkt in einem winzigen Dorf. Noch während ich meinen Einkauf machte, lud mich die Familie dort zum Essen ein – eine spontane und herzliche Geste, wie ich sie hier schon oft erleben durfte. Sie boten mir sogar an, über Nacht zu bleiben. Ich lehnte dankend ab, da ich unbedingt noch zwei Stunden weiterfahren wollte, um mir für den morgigen Passanstieg genügend Zeit zu verschaffen.

Später schlug ich mein Zelt am Fluss, etwas unterhalb des Weges, gut versteckt auf. Ich wollte heute früh schlafen und die Ruhe genießen. Gegessen hatte ich bereits bei der Familie, also gönnte ich mir nur noch etwas Körperpflege: Waschen im Fluss, frisches Wasser auffüllen, ein bisschen entspannen.

Doch wie so oft blieb ich nicht lange ungestört. Ein paar Kinder aus einem nahen Jurtendorf entdeckten mein Lager und belagerten mich neugierig. Zunächst war das noch in Ordnung, aber irgendwann begann das typische Betteln um Geld, Getränke oder Kleidung – diesmal war es meine Fanta für morgen. In solchen Momenten merke ich, wie erschöpft ich eigentlich bin. Es ist schwer, das von außen zu verstehen, aber wenn man jeden Tag Aufmerksamkeit bekommt, keine Ruhe hat und ständig angequatscht wird, zehrt das irgendwann an den Nerven – vor allem, wenn man sich eigentlich nach Stille sehnt.

Als die Kinder schließlich gingen, kehrte endlich die ersehnte Ruhe ein. Das Plätschern des Flusses, die frische Luft, die Einsamkeit – genau deshalb mache ich diese Reise. Ich schlief ein, während das Wasser neben mir ruhig vor sich hinfloss.


Die Eingangstore von den Dörfern in Kirgistan sind immer unterschiedlich 


Ein großes faszinierendes Felsenmassiv auf dem Weg in die kirgisischen Berge

Tag 117

Geburtstag auf dem Fahrrad

Heute war ein ganz besonderer Tag: Mein 21. Geburtstag – und wie sollte ich ihn anders verbringen als auf dem Fahrrad! Alles war gesattelt, die Taschen gepackt, der Abschied im Hostel gemacht. Es ging los – auf Richtung Bischkek.

Doch der Tag hatte es in sich: 40 Grad in der prallen Sonne, kaum Schatten und die gefühlt endlosen Hügel verlangten mir einiges ab. Die Hitze erinnerte mich an die Wüsten in Kasachstan und Usbekistan. Manchmal war sie so intensiv, dass ich Gänsehaut bekam – diese Art von Hitze, bei der sich die Haut anfühlt, als würde sie glühen. Immer wieder musste ich unter Bäumen am Straßenrand pausieren, um nicht völlig zu überhitzen. Noch vor wenigen Tagen war ich bei angenehmen 20 Grad unterwegs – mein Körper hatte sich auf die Hitze noch nicht wieder eingestellt.

Nach über 105 Kilometern, mehreren Anstiegen und etwa sieben Litern Wasser, erreichte ich endlich einen See. Die Erfrischung war pure Erlösung – körperlich wie mental. Dort waren auch einige andere Menschen, die mir gleich Wassermelone und Fladenbrot anboten. Eigentlich sehnte ich mich nach etwas Sättigendem wie Nudeln, aber aus Respekt wollte ich das freundliche Angebot nicht ausschlagen.

Später, als die Badestelle ruhiger wurde, kochte ich mir doch noch meine heiß ersehnten Nudeln. Währenddessen kamen die Leute, die sich um die Anlage kümmerten, und schenkten mir zusätzlich noch eine Fanta, frische Erdbeeren, Mirabellen und noch mehr Brot. Es war nicht viel – aber gerade durch diese herzliche Geste wurde mein Geburtstag zu etwas ganz Besonderem.

Ein einfaches, echtes Geburtstagsgeschenk – mitten in der Natur, nach einem herausfordernden Tag, irgendwo in Kirgistan.

Abends legte ich mich auf einer kleinen Holzplattform am Wasser zur Ruhe, vollkommen erschöpft – und zufrieden. Ein Geburtstag, den ich sicher nie vergessen werde.


Bei 40 Grad an meinem Geburtstag war die Hitze extrem 


Bei einer schattigen Pause bei einem LKW-Fahrer bekam ich Besuch von einer Gottesanbeterin 

Aussicht vom Berg auf die glühende Ebene 

Geburtstagsessen am See mit Wassermelone 

Sonnenuntergang über dem See nach einem she heißen Tag.

Tag 116

Planung, Videoschnitt & eine Entscheidung

Auch heute gönnte ich mir noch einen Erholungstag in Osh. Die letzten Wochen waren intensiv – körperlich wie mental – und ich merkte, wie gut mir dieser ruhigere Rhythmus tat. Ich nutzte die Zeit, um meine Kurzvideos der vergangenen Etappen zu schneiden. Die vielen Eindrücke in kompakte Clips zu bringen, hilft mir auch, Erlebtes zu verarbeiten.

Ein besonders wichtiger Punkt stand heute ebenfalls an: ein Meeting mit Böttcher, dem Hersteller meines Fahrrads. Die Probleme mit meinem Rahmen hatten mir in den letzten Tagen viele Gedanken und Sorgen bereitet – nicht nur technisch, sondern auch emotional. Umso erleichterter war ich, dass wir gemeinsam eine gute Lösung fanden.

Der Plan: Ich werde in Bischkek für etwa eine Woche nach Deutschland fliegen. Von dort aus geht es mit dem Auto nach Wesseln, wo ich zusammen mit den Mechanikern den Rahmen und alle betroffenen Komponenten austauschen werde. Danach fliege ich über Frankfurt zurück nach Bischkek, um meine Reise fortzusetzen.

Natürlich ist Fliegen nicht ideal, vor allem unter dem Gesichtspunkt des Klimaschutzes. Aber in dieser Situation ist es für mich die einzige sinnvolle Option, um möglichst bald und sicher weiterfahren zu können. Ich hoffe sehr, dass der neue Rahmen mir künftig keine Sorgen mehr bereitet. Solche technischen Probleme und die damit verbundene Unsicherheit zehren an meinen Nerven – und gehören zu den Dingen, auf die ich in Zukunft gerne verzichten würde.


In Osh ging es dann endlich mal wieder zum Friseur und Barber


Tag 115

Blogarbeit & Pizza: Ein Tag in Osh

Heute stand zur Abwechslung einmal kein Pass, kein Zeltaufbau und keine staubige Straße auf dem Programm – sondern Bildschirmarbeit. Ich widmete mich meinem Blog und verbrachte mindestens acht Stunden damit, Texte zu überarbeiten, Bilder auszuwählen und alles hochzuladen. Durch das langsame Internet in Osh wurde das Einfügen der Bilder zur Geduldsprobe. Der Text hingegen ließ sich vergleichsweise unkompliziert einfügen. Es ist schon interessant, wie viel Arbeit hinter einem einzelnen Beitrag steckt – vor allem, wenn man alles unterwegs macht.

Am Abend wurde ich dann belohnt: Gemeinsam mit Uta, einem amerikanischen Radreisenden und einem älteren Australier, ebenfalls mit dem Rad unterwegs, ging es zum Pizzaessen. Allein das Gefühl, in einem Restaurant mit Auswahl zu sitzen, ist nach den Tagen im Pamir ein absoluter Luxus. Supermärkte, frisches Obst, kalte Getränke – all das war in den letzten Wochen eher Ausnahme als Regel.

Nach einem langen, erfüllten Tag mit tiefen Gesprächen und gutem Essen ging es schließlich in ein richtig weiches Bett – ein Genuss, den ich mittlerweile wirklich zu schätzen weiß.


Aussicht auf dem Hochplateau auf die Berge


Bei über 4000m muss ich mich neben Sonnencreme auch bedecken, da meine Haut in dieser Höhe sonst verbrennt

Die nächste Reparatur hat nicht lange gedauert. Diesmal hat sich der Mantel verabschiedet und ist an der äußeren Naht gerissen. Der Schlauch hat somit aus dieser Naht aus der Felge heraus geschaut. Wie durch ein Wunder ist im Schlauch nichts passiert. Hatte ich auch noch nicht, dass ein Schlauch länger überlebt hat, als der Mantel.

Hier sieht man den herausschauenden Schlauch. Wie ein großer Abszess.

Diese Aussicht hier in der besonderen Landschaft ist der Wahnsinn 

Malerische Felsen 

Aussicht über das Tal in dem Murghob liegt.

Tag 114

Von Pässen und Parks: Mit voller Wucht nach Osh

Ausgeschlafen und mit einem Müsli samt frischem Obst und Joghurt gestärkt, startete ich in den Tag – bereit für die nächste Herausforderung: ein durchgehender Anstieg von 900 Höhenmetern auf 18 Kilometern. Kein Spaziergang, aber auch nichts, was ich nicht schon in anderer Form erlebt hätte. Stück für Stück schraubte ich mich nach oben. In der angenehmen Luft zwischen 1000 und 2000 Metern ließ sich trotz Anstrengung gut atmen. Es ist faszinierend, wie schnell man wieder Höhe gewinnt, wenn man einfach dranbleibt.

Kurz vor dem Pass verdunkelte sich der Himmel. Bedrohliche Wolken zogen auf, dann setzte Regen ein. Ich suchte Unterschlupf bei einer Gruppe Bauarbeiter, die mir einen Platz unter ihrem Schirm anboten. Dort machte ich eine Pause, zog meine Regenkleidung an – eine weise Entscheidung, denn bald wurde es kälter und die Schauer intensiver. Der Pass lag bei rund 2300 Metern, und trotz Regen konnte ich die friedlich zwischen den grünen Hängen liegenden Jurten-Dörfer bewundern. Diese Zelt-Siedlungen strahlen etwas Ursprüngliches und Besonderes aus – sie passen perfekt in die weiten, offenen Landschaften Kirgistans.

In einem kleinen Dorfladen am Wegesrand gönnte ich mir – fast schon traditionell – eine Fanta für den schnellen Energieschub. Der jugendliche Verkäufer war sichtlich fasziniert von mir und schenkte mir zum Abschied noch ein paar Mirabellen. Ein schöner Moment.

Die Abfahrt ins Tal war lang und angenehm. Doch je weiter ich hinunterkam, desto deutlicher wurde, was mich erwartete: Hitze. Richtig heiße 38 Grad schlugen mir entgegen, als ich auf unter 1000 Höhenmeter in Osh einrollte. Von der klaren Bergluft der letzten Tage war hier unten nichts mehr zu spüren – stattdessen sommerliche Glut.

Im Park-Hostel angekommen, erwartete mich eine kleine Überraschung: Ich traf gleich mehrere bekannte Gesichter wieder. Die Amerikaner, mit denen ich über das Kaspische Meer geflogen war, Hugo aus Frankreich mit seinem Anhänger, Uta – die Lehrerin aus Heidelberg – und viele neue, spannende Reisende. Es ist immer wieder motivierend, Menschen zu treffen, die ähnliche Wege gehen und mit denen man sofort ins Gespräch kommt.

Ich gönnte mir erstmal eine wohlverdiente Dusche nach zwei harten Tagen und ließ den Abend ruhig angehen. Wieder in einer Stadt, wieder unter Menschen – aber diesmal mit dem beruhigenden Wissen, wie viel ich in den Bergen geschafft habe.


Mein Schlafplatz der letzten Nacht am Fluss in den kirgisischen Bergen 


Am letzten Pass vor Osh angekommen 

Auf 2889m am Pass. Das ist im Vergleich zum Pamir wenig.

Tag 113

Von der Höhe ins Grüne: Kirgistan zeigt sein anderes Gesicht

Nach dem kräftezehrenden Tag gestern startete ich heute meine Weiterfahrt in Richtung Osh. Es ging direkt bergig los, aber nach den ersten Höhenmetern kam die Belohnung: eine langgezogene, fast schon meditative Abfahrt. Von 3200 m auf 2200 m – und das auf wunderbar geteertem Asphalt. Ein echter Genuss! Ich konnte einfach mal rollen lassen, die Landschaft rechts und links in mich aufsaugen und endlich mal wieder entspannt fahren. Das hatte ich in dieser Form zuletzt in Georgien erlebt.

Kirgistan fühlt sich sofort anders an. Die vielen Grüntöne, die sich über die Hügel und Täler ziehen, wirken nach den kargen Höhen des Pamir wie ein Befreiungsschlag für die Augen. Überall grasen Pferde, Nomaden treiben ihre Herden, und in den weiten Wiesen leuchten die weißen Jurten in der Sonne. Es hat etwas Zeitloses. Man spürt sofort, dass die kirgisische Kultur tief verwurzelt ist im Leben in und mit der Natur.

Nach der Hälfte des Tages führte mich der Weg weiter bergab – auf Asphalt, aber begleitet von starkem Gegenwind. Der Wind bremste mich so sehr, dass selbst die Abfahrt anstrengend wurde. Dazu kam die Hitze, die mit jeder Höhenmeter abwärts zunahm. Ich merkte deutlich, wie ich aus dem kühlen Hochland in die heißen Täler kam. Auf etwa 1500 Metern war es dann fast schon sommerlich.

Als ich einen geeigneten Platz an einem Fluss entdeckte, war für mich klar: Hier schlage ich mein Zelt auf. Die perfekte Kulisse – plätscherndes Wasser, ein bisschen Schatten, aber auch spürbar drückendere Luft als noch in den Bergen. Mir wurde bewusst: Noch gestern war ich über 2700 Höhenmeter weiter oben. Dieser enorme Wechsel in Höhe, Luftdruck und Temperatur forderte seinen Tribut.

Also baute ich mein Lager auf, ruhte mich aus und ging früh schlafen – mit dem Plan, am nächsten Morgen lange zu schlafen und neue Energie für den kommenden Anstieg zu tanken.

Nach dem Hochfahren geht es immer auch runter 


Baby-Esel sind so süß

Faszinierende Felsstruktuten bei Gegenwind

Tag 112

Raus aus Tadschikistan, rein ins Chaos: Ein Grenzübertritt mit Stolpersteinen

Heute war es so weit: Der große Tag, an dem ich Tadschikistan verlassen und nach Kirgistan einreisen würde. Aber wie so oft beginnt das Abenteuer nicht an der Grenze, sondern schon viel früher.

Der erste Anstieg des Tages brachte mich auf etwa 4200 Meter – anstrengend, aber machbar. Die Aussicht auf den türkisblauen Karakul-See wurde mit jedem Höhenmeter beeindruckender. Danach ging es in ein wunderschön geformtes Bergtal, dessen Szenerie fast surreal wirkte. Auf dem teils noch gut erhaltenen Asphalt konnte ich das Rad entspannt rollen lassen – ein seltener Genuss in dieser Region.

Doch das hielt nicht lange an. Am Punkt, an dem der Anstieg aus dem Tal wieder begann, drehte das Wetter. Ein brutaler Gegenwind setzte ein, und die Straße verwandelte sich in ein einziges Schlaglochfeld. Es wurde ein richtiger Kampf – gegen Wind, Geröll und steile Passagen. Trotzdem war die Landschaft ringsum atemberaubend.

Nach langem Ringen erreichte ich schließlich den Kryzylart-Pass auf über 4300 Metern – und mit ihm den tadschikischen Grenzposten. Dort lief noch alles halbwegs glatt: Special Permit, Visa, Polizeiregistrierung – alles gültig, also durfte ich weiter.

Doch die Abfahrt auf der kirgisischen Seite wurde zur Tortur. Die Wege wurden nicht etwa besser – nein, sie wurden noch schlechter. Mit gerade einmal 5 km/h schlich ich über Wellblechpisten, Steine und durch Schlammbäche. Besonders eindrucksvoll: Die vielen kleinen Beuteltiere, die hier in der kargen Hochebene aus ihren Erdbauten hervorschauten – ein seltener Anblick auf tadschikischer Seite.

Dann kam ein besonders breiter, schlammiger Fluss. Ich versuchte mein Glück im Durchfahren – ein Fehler. Unsichtbarer Felsen, Gleichgewicht verloren, Fuß ins eiskalte Wasser gesetzt. Nasse Schuhe. Perfekt für 4000 Meter Höhe und Wind. Also: Schuhe aus, Socken auswringen, fluchen, weiter.

An der offiziellen kirgisischen Grenzstation angekommen, dachte ich, der Ärger wäre vorbei – doch es kam schlimmer. Der Grenzbeamte, scheinbar analog sozialisiert, wühlte sich durch eine nach Datum sortierte Papierliste mit Zehntausenden Namen. Ich zeigte ihm sogar die Quittung meiner Agentur – ohne Erfolg. Wäre mir klar gewesen, dass die Liste nach Kaufdatum sortiert ist, hätte ich selbst gezielt helfen können.

Nach 90 Minuten (!) fand er mich endlich – ganz unten auf der Liste. Aber das war erst der Anfang. Denn er war „nicht zuständig“, sondern nur für das Finden des Namens verantwortlich. Ich dachte nur: Wo bin ich hier gelandet? In der Steinzeit?

Nach weiteren Minuten erschien dann sein „Chef“ – mit Kalaschnikow um den Hals – und erledigte in zwei Minuten den Rest. Aber da war der Schaden längst angerichtet: Zwei Stunden Zeitverzögerung, die mir das Tageslicht raubten.

Keine zehn Minuten später zogen tiefschwarze Wolken auf. Ein kurzer, aber heftiger Schauer zwang mich zum Anhalten – das Wasser von oben passte perfekt zum innerlichen Frust über die Grenze.

Mit letzter Kraft erreichte ich nach weiteren 25 Kilometern auf kaputtem Teer das kleine Dorf Sary-Tash (nicht Satachi), wo ich mir ein Hostel nahm. Eine warme Dusche rettete meinen Tag.

Danach hieß es: SIM-Karte besorgen, Bargeld abheben, Offlinekarten laden – ein neues Land bedeutet neue To-dos. Abends gab’s ein deftiges Essen, und dann tauchten auch wieder die Niederländer auf. Zusammen mit einem israelischen Backpacker redeten wir noch bis spät in die Nacht über alles Mögliche – von Kirgistan bis Australien.

Nebenbei musste ich mich aber auch mit einem leidigen Thema beschäftigen: dem immer problematischer werdenden Rahmen meines Fahrrads von Böttcher. Ein echtes Sorgenkind – nervig, aber eben auch Teil des Abenteuers.


Mit extremen Gegenwind ging es auf den letzten Pass in Tajikistan 


Was ein Ausblick auf über 4000m

Endlich an der Grenze zu Kirgistan 

Ein glücklicher Nisse am Kyzyl-Art Pass

In Kirgistan war plötzlich eine Flut an Murmeltieren überall wo ich hinschaute. Sehr magisch. Ihr Warnruf hört sich immer, wie ein Vogelruf an. So kommunizieren sie auch den Vögeln, dass Gefahr nähert. Vögel machen das auch für die Murmeltiere.

Grüne Lunge in Kirgistan 

Bei der Abfahrt ins Tal konnte ich immer wieder tote Yaks sehen. Das war ein schauriger Anblick.

Tag 111

zäher Start, starker Wind und der Karakul-See in all seiner Schönheit

Nach rund neun Stunden tiefem Schlaf wurde ich von der Familie freundlich zum Frühstück eingeladen – es gab Spiegelei, frisches Brot und Quark. Doch heute fühlte ich mich irgendwie anders. Normalerweise bin ich früh auf den Beinen, voller Tatendrang, alles startklar. Doch diesmal war alles langsamer. Die Höhe setzte mir deutlich zu – ich war träge, motivationslos, hätte mich am liebsten wieder hingelegt.

Stattdessen spielte ich zwei Stunden mit den Kindern draußen – inmitten einer unglaublichen Kulisse, auf 4100 Metern Höhe, mit den schneebedeckten Bergen ringsum. Diese Momente gaben mir dann doch die Energie, mich aufzuraffen und loszufahren. Geplant waren heute eigentlich nur entspannte 30 Kilometer ohne größere Anstiege. Doch der Wind machte mir einen Strich durch die Rechnung.

Schon 15 Kilometer vor Karakul konnte ich den gleichnamigen See sehen – und doch schien er einfach nicht näher zu kommen. Der Gegenwind bremste mich regelrecht aus, ich kam kaum vorwärts. Es fühlte sich an, als ob ich auf der Stelle treten würde. Nach endlosen 2,5 Stunden kam ich dann doch endlich in Karakul an – völlig erschöpft von dieser kurzen, aber zermürbenden Etappe.

Im Ort nahm ich mir ein einfaches Hostel für die Nacht. Beine hochlegen? Fehlanzeige. Stattdessen zog es mich – trotz gefühlter 40 Grad in der Sonne – noch zu einem Spaziergang an den See. Auf rund 4000 Metern Höhe ist die Sonneneinstrahlung gnadenlos. Selbst mit Lichtschutzfaktor 50+ kommt man hier an seine Grenzen. Also verschleierte ich mich komplett, um mich vor der Sonne zu schützen, und genoss die Ruhe und die Aussicht auf den türkisfarbenen See, der von majestätischen weißen Gipfeln umrahmt ist – ein Anblick, der sprachlos macht.

Am Abend traf ich dann auch wieder das niederländische Ehepaar, das ich in Murghob kennengelernt hatte. Wir führten lange, tiefgründige Gespräche über das Reisen, das Leben und wie beides oft miteinander verschmilzt. Es war ein ruhiger, aber intensiver Tag – voller Wind, Sonne und Begegnungen, die im Gedächtnis bleiben.

Morgens waren die neugierigen Kinder der Familie um mein Schlafplatz herum und warteten mich zum Frühstücken einzuladen. Ist das nicht süß.


Das leckere Frühstück auf 4100m

Nachwuchs-Radreisender. Solch nette Kinder!

Der Karakul-See kommt mit Gegenwind nur langsam näher.

Der Karakulsee auf ungefähr 4000m und umringt von weißen Bergen 

Bei dieser extremen Sonneneinstrahlung hilft nur Verschleierung.

Auch die Yaks suchen den Schatten an diesem warmen Tag. 

Brunnen für Trinkwasser sind hier oben lebensnotwendig.

Einfach wirken lassen…

Der Kot der Yaks wird hier getrocknet und dann in der kalten Zeit zum Heizen genutzt. Upsycling.

Auch ein paar Yak-Hörner finde ich am See häufiger.

Tag 110

Der höchste Pass: 4655 Meter über dem Meeresspiegel und überglücklich

Heute Morgen hieß es für mich nach einem leckeren Frühstück im Hostel wieder aufzubrechen. Auf dem Plan stand heute der höchste Pass meiner bisherigen Reise: 4655 Meter – ein echtes Schwergewicht im Pamir-Gebirge.

Der Aufstieg begann immerhin auf einer geteerten Straße, was das Fahren deutlich angenehmer machte. Meter für Meter, Stunde um Stunde kämpfte ich mich nach oben. Ab etwa 4000 Metern wurde es dann richtig hart. Die Luft wurde spürbar dünner, und je steiler die Straße wurde, desto öfter musste ich kurze Pausen einlegen. Dabei genoss ich aber auch die spektakuläre Aussicht auf die schneebedeckten Bergriesen um mich herum – ein Anblick, der einem die Strapazen kurz vergessen lässt.

Etwa 3 Kilometer und 300 Höhenmeter vor der Passhöhe wurde ich von einer Familie in einem der letzten Häuser am Berg freundlich hereingewunken. Es gab Tee, Gebäck und Kekse. Diese Herzlichkeit da oben auf über 4300 Metern ist einfach bemerkenswert – wahrscheinlich, weil die Menschen die raue Lebensrealität hier bestens kennen und wissen, wie wichtig gegenseitige Unterstützung ist.

Die letzten Kilometer bis zur Passhöhe waren dann wirklich der blanke Horror. Steil, schweres Gepäck, zu große Gänge und die extrem dünne Luft – eine Kombination, die mich an meine Grenzen brachte. Doch mit vielen kleinen Pausen und der Aussicht auf den Gipfel habe ich auch das geschafft.

Oben auf 4655 Metern angekommen, konnte ich mein Glück kaum fassen. Die Aussicht ins weite Tal, umgeben von gigantischen Sechstausendern, war überwältigend. Dort oben traf ich Hugo aus Frankreich, der mit einem Anhänger reist, sowie die drei deutschen Radfahrer, denen ich in den letzten Tagen immer wieder begegnet bin. Zu fünft machten wir uns dann an die Abfahrt.

Von „runterdüsen“ konnte allerdings keine Rede sein. Über 20 Kilometer ging es über Waschbrettschotter und große Steine mit gerade mal 5–10 km/h hinunter – körperlich fordernd und nervlich zermürbend. Zwischenzeitlich probierte ich Alternativrouten abseits der Straße, die sich aber als genauso schlecht entpuppten. Mein Ziel Karakul musste ich auf morgen verschieben.

Als mein Wasservorrat langsam knapp wurde, hatte ich großes Glück: Ein junges Paar aus Frankreich hielt mit ihrem Jeep an und versorgte mich mit frischem Wasser – eine echte Rettung. Kurz darauf kam ich an einer kleinen Farm vorbei, wo mich ein Junge einlud, einen Tee zu trinken. Als mir die Familie sogar noch anbot, bei ihnen zu übernachten, war ich überglücklich. Auf 4100 Metern, bei sinkenden Temperaturen, hatte ich so einen sicheren Platz an einem warmen Ofen, gutes Abendessen und heiße Getränke – mitten in der wilden Bergwelt des Pamir.

Die Gastfreundschaft dieser Familie war überwältigend. Ich schlief schnell ein – dankbar, erschöpft und erfüllt von dem Erfolg, den höchsten Pass meiner bisherigen Reise bezwungen zu haben.


Was eine Aussicht auf dem Weg zum höchsten BergPass des Pamir-Gebirges.


Hoch hinaus!

Der Schnee und die Gletscher werden mehr.

Kurz vor dem Ak-Baital Pass wurde ich zum Essen und auf Tee im schattigen Auto der Hochgebirgsbewohner dort eingeladen. Gut, um mal  kurz zu verschnaufen.

Auf dem Dach der Tajikischen Welt.

Auf dem Ak-Baital Pass mit 4655m. Ich fühle mich wie ein Vogel. Nur meine Lunge pumpt durch die geringe Sauerstoffkonzentration sehr.

Abfahrt ins Tal bei schlechtesten Wegen und bester Aussicht.

Tag 109

Erholungstag in Murghob: 
Gespräche, Internet und neue Impulse


Am heutigen Tag nahm ich mir bewusst eine Pause. Die letzten Etappen waren extrem anstrengend – körperlich wie mental – und so gönnte ich mir einen Erholungstag in Murghob.

In meiner Unterkunft traf ich auf eine andere Radreisende: Uta, eine Lehrerin aus Heidelberg, die ein Sabbatjahr eingelegt hat. Bald geht es für sie zurück nach Deutschland und in ihren Berufsalltag. Wir unterhielten uns lange über unsere Reisen, die Höhen und Tiefen, und es tat richtig gut, sich mit jemandem auszutauschen, der ähnliche Erfahrungen gemacht hat. Sie verstand sofort, was ich meinte, als ich von den oft sehr netten, aber manchmal auch nervtötenden Kindern in Tadschikistan erzählte – etwas, das Außenstehende oft nicht ganz nachvollziehen können.

Nebenher nutzte ich das erstaunlich stabile Internet in Murghob – immerhin auf 3600 Metern Höhe – um meine Kurzvideos weiterzuschneiden. Es war schön, endlich ein bisschen digitale Arbeit nachzuholen.


Später lernte ich noch ein niederländisches Paar kennen, das nach dem Berufsleben nun die Welt mit dem Fahrrad erkunden möchte. Wir hatten inspirierende Gespräche über Langzeitreisen und das Loslassen von Alltag und Routine.

Im Hotel mit dem guten Starlink-Internet kam ich am Nachmittag außerdem mit ein paar Australiern ins Gespräch. Da ich selbst vorhabe, nächstes Jahr mit dem Rad durch Australien zu fahren, war es für mich Gold wert, von ihnen direkt Tipps zu Routen, Regionen und klimatischen Bedingungen zu bekommen.

Als am Abend meine soziale Batterie zur Neige ging, zog ich mich in meine Unterkunft zurück und packte in Ruhe meine Taschen für die morgige Etappe. Körperlich war es heute ruhig – aber geistig unglaublich bereichernd.

Babyhund am Spielen 

Ein klassischer Reifen 

Am Kurzvideos bearbeiten 

Hier sieht man den herausschauenden Schlauch. Wie ein großer Abszess.

Diese Aussicht hier in der besonderen Landschaft ist der Wahnsinn 

Malerische Felsen 

Aussicht über das Tal in dem Murghob liegt.

Tag 108

Von Alichur nach Murghob: Reparatur, Regenschauer und neue Begegnungen

Heute nahm ich mir eine längere Etappe von Alichur nach Murghob vor. Die Straßen waren einigermaßen gut geräumt, sodass ich von den 3900 Metern, auf denen ich übernachtet hatte, relativ gut auf 4200 Meter kam – dort lag der Pass, den ich heute überqueren musste. Oben angekommen, war das Wetter wieder rau, aber die Landschaft unglaublich schön.

Nach etwa 30 Kilometern, noch vor dem Pass, bemerkte ich an meinem Mantel etwas Ungewöhnliches. Ein Blick nach hinten offenbarte, dass aus meinem Mantel an einer Stelle der Schlauch herausragte. Also hieß es anhalten, das Hinterrad abmontieren, die Spannung des Riemens lösen, Mantel und Schlauch ausbauen und das Problem genauer ansehen. Überraschenderweise war der Schlauch unbeschädigt, aber der Mantel hatte sich von seiner Außennaht gelöst.

Glücklicherweise hatte ich einen Ersatzmantel dabei, den ich jetzt einbauen konnte. Mit dem alten Schlauch, neuem Mantel und aufgepumptem Reifen baute ich alles wieder zusammen, spannte den Riemen und konnte weiterfahren.

Oben auf dem Pass machte ich eine kleine Pause und aß ein paar Kekse. Danach ging es den Pass hinab auf relativ gut geteerten Straßen. Plötzlich zogen schnell dunkle Wolken auf, und ich zog mir meine Regensachen an. Genau in diesem Moment kamen die Italiener mit ihrem Van vorbei. So konnte ich mich im trockenen und windgeschützten Van umziehen, bevor ich weiterfuhr.

Je weiter ich nach unten kam, desto besser wurden die Straßen. Einfach mal das Fahrrad rollen lassen, den Fahrtwind im Gesicht spüren und dabei die Landschaft genießen – das brachte mir viele Glücksgefühle und ließ mich zügig vorankommen.

Gegen 16:00 Uhr erreichte ich nach 105 Kilometern Murghob, die Hauptstadt der Pamirregion. Dort traf ich gleich einige Radfahrer: Ein Schweizer, der seit 2022 unterwegs ist, und bereits Südamerika, Neuseeland, Australien und Indonesien durchquert hat und von Singapur zurück in die Schweiz fährt – eine beeindruckende Reise, die bei mir in umgekehrter Richtung im Kopf herumschwirrt.

Außerdem traf ich ein Ehepaar aus Neuseeland, das mit ihrem Tandemrad von Singapur zurück nach Frankreich fährt, sowie die deutschen Jungs, die ich in Dushanbe im Green House Hostel kennengelernt hatte und die ebenfalls nach Japan unterwegs sind.

Murghob ist wirklich ein Treffpunkt für Reisende, die aus Kirgistan kommen oder dorthin wollen. Ich bin gerade mal 200 Kilometer von der Kirgisistan-Grenze entfernt und nur 60 Kilometer Luftlinie von der chinesischen Grenze.

Eine andere deutsche Radreisende, die ich beim Hineinfahren in die Stadt traf, empfahl mir das Hostel Aruf – mit einem fairen Preis und sehr leckerem Essen. Da in der Stadt das Internet ausgefallen war und mobile Daten nicht nutzbar waren, folgte ich ihrem Tipp und ging ins Pamir Hotel in Murghob. Dort gab es in der Lobby WLAN, das wahrscheinlich per Satellit empfangen wird, da die Unterkunft staatlich betrieben ist.

Nach längeren Gesprächen mit anderen Radreisenden in der Lobby ging ich am späten Abend zurück in meine Unterkunft und fiel müde ins Bett.


Aussicht auf dem Hochplateau auf die Berge


Bei über 4000m muss ich mich neben Sonnencreme auch bedecken, da meine Haut in dieser Höhe sonst verbrennt

Die nächste Reparatur hat nicht lange gedauert. Diesmal hat sich der Mantel verabschiedet und ist an der äußeren Naht gerissen. Der Schlauch hat somit aus dieser Naht aus der Felge heraus geschaut. Wie durch ein Wunder ist im Schlauch nichts passiert. Hatte ich auch noch nicht, dass ein Schlauch länger überlebt hat, als der Mantel.

Hier sieht man den herausschauenden Schlauch. Wie ein großer Abszess.

Diese Aussicht hier in der besonderen Landschaft ist der Wahnsinn 

Malerische Felsen 

Aussicht über das Tal in dem Murghob liegt.

Tag 107

Erneuter Rahmenbruch auf der Passstraße und unerwartete Hilfe in Alichur

Am nächsten Morgen zeigten das Thermometer 0 Grad an. Bei solchen Temperaturen ist es immer eine Herausforderung, den warmen Schlafsack zu verlassen. Ich aß wieder mein Porridge und ein paar Kekse zum Frühstück. Draußen zog eine Regen- und Schneefront immer näher, also baute ich zügig alles ab und zog mich warm an. Keine zehn Minuten nachdem ich am See losgefahren war, sah ich hinter mir, dass es dort bereits regnete – perfektes Timing.

Die nächsten zehn Kilometer führten über die schlimmsten Waschbrettschotterstrecken bis zu einer größeren Straße, die das Wakhan Valley abschloss. Doch kaum war ich auf der Straße unterwegs, hörte ich plötzlich ein Knacken. Ich drehte mich um und konnte kaum fassen, was ich sah: Die bereits mehrfach geschweißte Rahmenstelle an meinem Fahrrad war nun zum dritten Mal gebrochen.

Zum Glück passierte das nicht im 120 Kilometer entfernten, sehr abgelegenen Abschnitt mit den extrem schlechten Wegen, wo nur selten Autos unterwegs sind. Doch auf der größeren Straße fuhr ich allein, ohne ein Auto in Sicht. Also blieb mir nichts anderes übrig, als das Fahrrad den Hügel hochzuschieben. Nach etwa 30 Minuten hatte ich dann Glück: Zwei Südkoreaner in einem Offroad-Jeep hielten an und boten mir Hilfe an. Gemeinsam luden wir das Fahrrad und die Taschen ins Auto und fuhren die letzten 20 Kilometer nach Alichur.

Dort angekommen, regnete es erst einmal stark. Bei dieser Kälte und den widrigen Wetterbedingungen in den Bergen können solche Defekte wirklich gefährlich werden. Die Autofahrt nach Alichur war allerdings abenteuerlich – die beiden Südkoreaner hatten sich auf dem Weg in die Höhe zu schnell bewegt und litten unter Höhenkrankheit. Außerdem waren sie am Vortag mit einem Alternativweg in einem Schlammloch stecken geblieben. Da sie nicht wussten, wie man ein Offroad-Auto richtig bedient, hatten sie mehrfach rückwärts Gas gegeben, bis die Schalteinheit kaputtging. Am Morgen holte sie ein Einheimischer aus der misslichen Lage.

Durch die Höhenkrankheit waren sie nicht ganz bei Sinnen, und das machte das Autofahren riskant. Das merkte ich erst, als ich schon im Jeep saß. Der Fahrer schätzte die großen Schlaglöcher falsch ein, fuhr viel zu schnell darauf zu und bremste zu spät. Immer wieder hoben wir mit dem ganzen Auto durch diese Schlaglöcher ab – ich fürchtete kurz um mein Leben.

In Alichur suchte ich nach dem Aussteigen ein Gästehaus auf. Dort packte ich meine Sachen aus und bekam direkt eine warme Mahlzeit. Danach fragte ich die sehr freundliche Besitzerin nach einem Mechaniker im Dorf. Direkt nach dem Essen fuhr ich mit meinem Fahrrad zum Mechaniker, der sich sehr gut mit Schweißen auskannte. Er schweißte mir eine dicke Metallverstärkung an die gebrochene Rahmenstelle. So sollte ich zumindest erst einmal wieder einige Kilometer fahren können.

Eine langfristige Lösung ist das jedoch nicht. Wann der Rahmen das nächste Mal bricht, weiß ich nicht, und ich weiß auch nicht, welche anderen Teile des Fahrrads durch die wiederholten Defekte in Mitleidenschaft gezogen wurden. Bisher habe ich alles bei langsamen Anstiegen bemerkt. Passiert der nächste Defekt bei schneller Fahrt, könnte das lebensgefährlich werden.

Nachdem alles geschweißt und neu lackiert war, zog ich noch alle Schrauben fest und spannte den Riemen erneut. Zum Glück wollte der Mechaniker nichts für seine Arbeit. Zurück im Gästehaus duschte ich erst einmal und überlegte, wie es mit dem Fahrrad weitergehen soll. Eines stand für mich fest: Ich werde mit diesem Fahrrad keine weiteren Tausende Kilometer fahren – das Risiko ist einfach zu groß.

Deshalb nahm ich Kontakt zu Böttcher auf, die mich unterstützen wollen. Ich bin gespannt, welche Lösung sich ergibt, denn das ist nicht der erste Defekt an dem Fahrrad, und ich fahre es noch keine sechs Monate.

Während ich darüber nachdachte, sah ich plötzlich die Italiener mit ihrem Van neben dem Gästehaus parken. Ich gesellte mich zu ihnen und erfuhr, dass sie Mitte 40 sind, ihr früheres Leben aufgegeben haben und nun Vollzeitreisende sind. Auf meine Frage, wie sie das finanzieren, erzählten sie, dass sie keine teuren Länder besuchen. Stattdessen arbeiten sie jeweils zwei Monate im Jahr auf Farmen oder bei anderen Gelegenheitsjobs, um sich das Reisen in günstigeren Ländern für 4-5 Monate zu ermöglichen. So haben sie nur Ausgaben für Essen und Benzin.

Insgesamt sind sie schon seit acht Jahren unterwegs – zunächst als Backpacker, seit zwei Jahren mit ihrem Van. Ich finde diese Lebensweise faszinierend: Mit so wenig Arbeit so viel reisen zu können, ist bewundernswert.

Am Abend gab es im Gästehaus noch ein leckeres Abendessen, und bald wurde es dunkel.

Ausblick auf den See auf ca. 4000m an dem ich übernachtet habe.


Das ist der extreme Waschbrettuntergrund auf dem ich nun lange fahre. Ultra anspruchsvoll. Mit 3km/h geht es voran. 

Trotz schlechter Wege ist der Ausblick sehr faszinierend.

Nach 200 m aus der remoten Area raus und wieder auf Asphalt bricht der Rahmen das dritte Mal an der gleichen Stelle. 

Nachdem ich bis zum nächsten Dorf im Auto mitgenommen wurde, habe ich dort einen Mechaniker aufgesucht, um das Problem wieder zu beheben 

So sieht nun die Stelle mit einem eingeschweißten Metallstück aus, dass es nun länger hält. Das hoffe ich zumindest.

Tag 106

Aufstieg zum Pass und Begegnungen am Chukurkul-See

Am Morgen wollte ich eigentlich früh losfahren. Doch die ganze Nacht hatte es geregnet, und auch am Morgen nieselte es noch. So musste ich erst warten, bis der Regen aufhörte. Gegen 9:00 Uhr war es dann endlich soweit, und ich konnte mein Lager abbauen. Davor gab es im Zelt noch Porridge und ein paar Kekse zum Frühstück.

Dann ging es wirklich los. Die ersten Kilometer waren wieder sehr steil, und die Wege wurden mit jeder Minute schlechter. Das kann man sich kaum vorstellen, denn zuvor waren sie schon ziemlich miserabel. Nun war es extrem grober Waschbrett-Schotter, dazu an den Seiten und stellenweise sogar auf der ganzen Strecke tiefer Schleichsand. Stück für Stück kämpfte ich mich so auf den Pass in der Hochebene hoch.

In Khargush kam ich an einem Militärcheckpoint vorbei. Dort war jedoch niemand, also fuhr ich einfach unter der Schranke hindurch. Hinter dem Checkpoint machte ich eine Pause, in der Hoffnung, dass doch noch jemand auftaucht. Ich aß meine Kekse und wartete etwa 20 Minuten – doch es kam niemand. Also setzte ich meinen Aufstieg zum Pass fort.

Der Anstieg war stetig steil, und auf über 4000 Metern Höhe wurde die Luft immer dünner. Deshalb musste ich sehr häufig kleine Pausen einlegen, in denen ich die atemberaubende Aussicht genießen konnte.

Als der Weg so schlecht wurde, dass ich nicht mehr fahren konnte, nahm ich einen Nebenweg, den viele Autos als Alternative benutzen. Leider endete dieser Weg in einer sehr schlammigen Stelle. Im Schneegestöber musste ich mein Fahrrad zurück auf den leicht erhöhten Hauptweg schieben, was sehr viel Kraft kostete.

Kurz vor der Passhöhe begann es dann zu schneien. Schnell zog ich meine Regensachen über, zog mich warm an und fuhr bei sehr anspruchsvoller Witterung über den Pass auf 4344 Metern Höhe. Hinter dem Pass zogen die Wolken weiter, und die Sonne brach zwischen dramatischen Wolken hervor. Der Ausblick auf das vor mir liegende, steil abfallende Tal war gigantisch.

Ich fuhr sofort weiter bergab, um nicht erneut in einen Schneesturm zu geraten. Der Abstieg war noch viel schlimmer als der Aufstieg: Ein 500 Meter langer Abschnitt voller tiefem Schleichsand zwang mich zum ständigen Einsinken. Danach folgte der schlimmste Waschbrett-Untergrund, den ich je erlebt habe – nicht nur für ein paar Kilometer, sondern über eine sehr lange Strecke.

Ich fuhr daher extrem langsam mit 3 bis 5 km/h und musste mich so konzentrieren, dass ich vom reinen Runterfahren völlig erschöpft war.

Plötzlich hielt neben mir ein Offroad-Jeep an und fragte, ob ich etwas zu essen oder Tee haben möchte. Ohne lange nachzudenken, stimmte ich zu. Wenige hundert Meter später am Chukurkul-See hielt der Wagen, und ich kam hinzu. Das russische Ehepaar im Auto gab mir sofort eine Cola – ein riesiger Segen, denn seit Langar hatte ich keinen Supermarkt mehr gesehen.

Es gab außerdem Gebäck, Tomaten, Gurken, Brot und warmen Tee. Nachdem sich die beiden verabschiedeten, um noch am gleichen Tag nach Murghob zu fahren, gaben sie mir noch eine Wasserflasche, einige Riegel und Kekse mit.

Kurz darauf kam ein weiterer Kastenwagen an. Zwei Italiener, die an diesem Platz übernachten wollten, gesellten sich zu uns. Wir verstanden uns sofort und waren direkt auf einer Wellenlänge.

Ich baute mein Zelt auf, zog mich um und gesellte mich zu ihnen in ihren beheizten Van. Dort gab es leckere Kartoffelsuppe, die wir gemeinsam genossen. Später blieben wir noch lange zusammen, bis es richtig dunkel wurde und ich mit meiner Abendroutine begann: Stretching, Zähneputzen und Cremes auftragen.

Müde fiel ich in meinen Schlafsack, der in der kalten Nacht perfekte Dienste leisten würde.


Am Fluss noch Wasser gefiltert, da es hier sonst keine Trinkwasserstellen oder Shops gibt. 


Die Welt von 4344m 

Tag 105

Vierter Aufstieg, erste Hoffnung

Heute Morgen bin ich wieder sehr früh aufgestanden, da ich zeitig loskommen wollte. Zum Frühstück gab es drei Spiegeleier und etwas trockenes Brot – leider ohne Aufstrich. Danach packte ich meine Fahrradtaschen, stellte mich mental auf die nächste Herausforderung ein und machte mich auf den Weg.

Ich fuhr nun zum vierten Mal denselben sehr steilen und anspruchsvollen Berg in die Hochebene hinauf:
• Das erste Mal war beim ersten Rahmenbruch,
• das zweite Mal bei der gebrochenen Schweißnaht,
• das dritte Mal zur Testfahrt nach der Verstärkung,
• und nun zum hoffentlich finalen Aufstieg.

Nachdem ich das erste große, steile Stück hinter mir hatte und alles noch heil war, wuchs mein Vertrauen: Vielleicht hält es diesmal wirklich.

Wetterwechsel und raues Gelände

Die ersten zehn Kilometer waren extrem steil, steinig und sandig. Kurz nach einer Passkontrolle an einem Militärcheckpoint begann es auch noch zu regnen. Ich zog meine Regensachen an – und fuhr weiter.

Das Wetter war den ganzen Tag wechselhaft, aber ich hatte mich darauf eingestellt. Je höher ich kam, desto karger und schroffer wurde die Umgebung. Die Landschaft war so beeindruckend, dass ich manchmal vor lauter Staunen vergaß, auf den schwierigen Weg zu achten.

Begegnung mit einem Wolf

Nach einigen Flussquerungen und vielen großen Steinen wollte ich eine Pause an einer Kurve mit großartiger Aussicht machen. Doch etwa 50 Meter davor stand plötzlich ein Tier auf dem Weg.

Zuerst dachte ich, es sei ein Hund – doch schnell wurde mir klar: Hier oben, fernab jeglicher Zivilisation, lebt kein Hund. Als ich näherkam, erkannte ich deutlich: Ein junger Wolf, etwa 30 Meter entfernt, sah mich interessiert an.

Ich konnte ein paar Fotos machen, bevor er verschwand. Die Begegnung erinnerte mich sofort an meine erste Wolfserfahrung – damals in den griechischen Bergen, als ich nachts auf einem Pass schlief und das Heulen der Wölfe hörte.

Regen, Wind und freundliche Fremde

Nach einem kleinen Snack aus Gebäck, das ich mir in Langar gekauft hatte, begann es wieder zu regnen. Zum Glück kam der Wind von hinten, sodass der Regen nicht ins Gesicht schlug. Auf über 3300 Metern Höhe wird es mit Regen schnell kalt, aber ich war vorbereitet: Unter meiner Regenkleidung trug ich warme, atmungsaktive Kleidung.

Einige Kilometer später begegnete mir ein altes Auto ohne Allrad, in dem zwei Männer saßen. Sie baten mich um eine Luftpumpe, da ihre defekt war und die Reifen Luft verloren. Leider konnte ich ihnen nicht helfen – meine Pumpe ist nur für französische Ventile, und obwohl ich einen Adapter für Autoventile habe, funktionierte die Kombination hier nicht.

Dass sie überhaupt mit diesem Auto über diesen Weg fuhren – bei solchen Bedingungen, mit Platten und ohne Netz – war schon fast leichtsinnig. Aber sie mussten wohl einfach weitermachen.

Konzentration, Höhenluft und Wassersuche

Die Wege blieben extrem anspruchsvoll: grobe Steine, tiefer Sand, Waschbrettpiste. Ich musste mich dauerhaft konzentrieren – jeder Fehler, jede Unachtsamkeit hätte schnell zu einem neuen Defekt oder Unfall führen können.

Ich machte daher regelmäßig kurze Pausen, sowohl um die Landschaft zu genießen als auch wegen der dünner werdenden Luft. Ich befinde mich jetzt auf etwa 3700 Metern, und mein Körper muss sich erst langsam an die Höhe gewöhnen. Diese Nacht werde ich zur Akklimatisierung nutzen – denn morgen steht der nächste große Pass mit über 4000 Metern an.

Am Abend kochte ich mir Nudeln – aber allein fürs Nudelwasser brauchte ich über einen Liter, und auf den letzten fünf Kilometern kam kein Bach mehr. Also musste ich zum Grenzfluss zwischen Tadschikistan und Afghanistan laufen, nahe meines Schlafplatzes, und dort mit meinem Wasserfilter die Flaschen auffüllen.

Bisher hatte ich den Filter kaum gebraucht, aber hier oben ist er unverzichtbar. In den Bergen kann man das Wasser oft trinken, aber aus den großen Flüssen – nach dem, was ich in Darvoz gesehen habe – definitiv nur gefiltert.

Ein Tag zwischen Erschöpfung und Ehrfurcht

Nach diesem anstrengenden, aber wunderschönen Tag in der Hochebene gehe ich jetzt schlafen – in der Hoffnung, dass morgen alles hält, mein Körper die Höhe gut verträgt und ich den nächsten Pass problemlos bewältigen kann.

Beim Aufstieg in die Hochebene bin ich an diesem schönen Wasserfall in den noch schöneren Bergen vorbeigekommen.

Da stand dann plötzlich ein junger Wolf vor mir auf 3300m.

Dunkle Wolken ziehen auf…

Die weißen Bergzipfel begleiten mich stetig, umso höher ich komme.

Auf einmal trabt eine kleine Herde Esel an mir vorbei. Als wäre es das normalste von der Welt. Wanderausflug !

Für mich eine der schönsten Orte im Pamir im Wakhan Valley 

Diese Aussicht !

Mit dieser Aussicht auf 3600m Essen machen. Ist das nicht schön.

Tag 104

Ein Rahmenbruch, drei Aufstiege und die Hoffnung auf Stabilität

Am heutigen Morgen stand die Vorbereitung auf den großen Anstieg zur Hochebene an. Bereits um 6:00 Uhr saß ich beim Frühstück. Danach machte ich mich fertig, verabschiedete mich von den äußerst netten Betreibern des Hostels und begann den steilen Aufstieg – überzogen von Steinen und tiefem Sand. Es war einer der anspruchsvollsten Anstiege meiner bisherigen Reise.

Doch 500 Meter vor dem Ende des steilen Stücks hörte ich plötzlich ein Knacken. Etwas fühlte sich am Fahrrad nicht mehr stabil an. Ich schaute zurück – und traute meinen Augen kaum:
Die Rahmenstrebe, die zum Bremssattel und Schaltauge führt, war direkt vor der Bremsaufnahme gebrochen.

Ein Rahmenbruch – bei einem hochwertigen, speziell für Expeditionen gebauten High-End-Reiserad aus Stahl – darf eigentlich nicht passieren. Aber genau das war nun Realität.

Ich hatte bereits 200 Höhenmeter hinter mir und musste das Rad nun vorsichtig wieder ins Dorf hinabschieben. Mit einer gebrochenen Rahmenstrebe sollte man auf keinen Fall weiterfahren – die Gefahr eines Totalschadens wäre zu groß.

Erste Reparatur – erste Enttäuschung

Unten angekommen fragte ich mich durch, bis ich einen Mechaniker fand. Ich erklärte ihm mein Problem, und er meinte: „Kein Problem, das kann ich schweißen.“ Also baute ich das Hinterrad aus – was bei meinem Setup mit Rohloff-Nabe, Riemenantrieb und Pitlock-Sicherung jedes Mal eine kleine Herausforderung ist.

Die Strebe wurde an der Bruchstelle verschweißt, und ich baute alles wieder zusammen, montierte die Taschen – und machte mich ein zweites Mal auf den Weg Richtung Hochebene.

Doch nach nur 300 Metern – exakt an der Stelle, wo es zuvor passiert war – brach der Rahmen erneut. Diesmal direkt an der Schweißnaht.

Ich war inzwischen ziemlich wütend.
Ich sah mich mit der Frage konfrontiert: Wie soll das weitergehen?

Zweite Reparatur – ein Plan mit Hindernissen

Ich telefonierte mit meinem Mechaniker in Deutschland und meinen Eltern. Max vom Radelmal in Darmstadt empfahl mir, die komplette Strebe großflächiger und stärker zu verschweißen, da der Bruch genau an einer Ausdünnung des Rohres passiert war.

Ich rollte das Fahrrad also zum zweiten Mal den Berg herunter und überzeugte den Mechaniker im Dorf – der ursprünglich zwei Löcher durch den Rahmen bohren und mit einer Platte verschrauben wollte – von meinem Plan.
Das hätte die Struktur nur weiter geschwächt.

Zum Glück ließ er sich darauf ein.

Dritter Versuch – endlich hält es

Wir verschweißten das gesamte Stück der Strebe großflächig. Danach baute ich wieder alles zusammen und entschied mich für eine Testfahrt: Ich fuhr den Berg zum dritten Mal hoch – diesmal jedoch nur als Test, nicht mit voller Beladung.
Und tatsächlich: Kein Knacken, kein Bruch.
Alles hielt.

Ich war vorsichtig optimistisch, dass ich morgen endlich in einem Rutsch den Pass erklimmen kann – ohne erneut zurück ins Dorf rollen zu müssen.

Erleichterung, aber Misstrauen bleibt

Unten angekommen, wurde ich von der Familie des Mechanikers mit Tee und einer Portion Reis mit Eiversorgt. Eine schöne Geste nach diesem aufreibenden Tag.

Der Mechaniker selbst schlug mir dann noch vor, mich samt Fahrrad mit seinem Offroad-Jeep über den 4200 Meter hohen Pass zur nächsten Stadt zu bringen. Dafür verlangte er jedoch 135 Euro – ein Wucherpreis, vor allem wenn man bedenkt, dass ein tajikischer Lehrer im Monat gerade mal 100–200 Euro verdient.

Ich lehnte mehrfach dankend ab. Sein Auftreten machte ihn nicht sympathischer.

Enttäuschung über das Material

Nach diesem emotional und körperlich anstrengenden Tag fiel ich müde ins Bett. Doch die Gedanken ließen mich nicht los. Ich bin enttäuscht von der Firma Böttcher, die mir mit diesem Fahrrad Qualität und Langlebigkeit versprochen hatte – und die mich damit auch offiziell unterstützt. Aber:
• Zwei gebrochene Schaltaugen in Nordmazedonien,
Etliche Platten in der Türkei,
• Links und rechts gebrochene Aufnahmen für den Gepäckträger,
• Ein Riemen, der nach nur 8000 km ersetzt werden musste,
• Ein Rahmenschloss, bei dem die Schraubenköpfe schon beim ersten Öffnen durchdrehten,
• Und nun ein Rahmenbruch in 3200 Metern Höhe.

Das alles darf bei einem Abenteuerrad dieser Preisklasse nicht passieren.

Ich hoffe sehr, dass Böttcher in Anbetracht dieser Vorfälle kulant reagiert. Und dass das Fahrrad jetzt zumindest eine Weile durchhält – denn gerade in abgelegenen Regionen muss ich mich auf mein Material verlassen können.


Die Aussicht ins Tal beim Aufstieg in die Hochebene.


Rahmenbruch No. 1

Erneuter Bruch nach Schweißen 

Erneutes Schweißen. Jetzt hoffentlich mit längerer Lebensdauer

Tag 103

Frühaufsteher, heiße Quellen und steinige Wege

Am heutigen Morgen stand ich bereits um 5:40 Uhr auf. Ich wollte unbedingt noch ein weiteres Mal in die heißen Schwefelquellen von Bibi Fatima – ein Erlebnis, das ich nicht missen wollte. Der Wärter hatte mir am Vortag gesagt, dass die Quellen um 6:00 Uhr öffnen, also rechnete ich mir gute Chancen aus, wieder allein zu sein. Doch das stellte sich als Trugschluss heraus: Einige einheimische Frauen und Männer waren bereits da – scheinbar hatten sie dieselbe Idee.

Ich war nun also früh aufgestanden, hätte aber auch etwas länger schlafen können. Immerhin war ich heute mal im anderen Becken, das jedoch deutlich unspektakulärer war als das große Hauptbecken vom Vortag. Später, als der Frauenturnus beendet war, durfte ich wieder ins größere Bad wechseln.

Insgesamt gönnte ich mir heute drei Gänge ins heiße Wasser, jeweils unterbrochen von Pausen an der frischen Luft. Dort, auf 3200 Metern Höhe, ließ ich den Blick über das atemberaubende Pamir-Gebirge schweifen, während sich mein Körper nach jedem Bad langsam abkühlte. Es war ein Moment purer Ruhe – fast meditativ.

Mein Frühstück bereitete ich mir anschließend im Hostel aus eigenen Vorräten zu:
250 g Haferflocken, ein großer Joghurt, eine zerquetschte Banane, etwas Brot und ein Löffel Erdnussbutter – nahrhaft und ausgewogen. Mit dem Panorama der Berge vor mir packte ich dann meine Sachen und brach auf.

Heute führte mich mein Weg weiter durchs Wakhan Valley, Richtung der Hochebene. Doch die Bedingungen waren gnadenlos:
Die Wege waren so schlecht wie nirgendwo zuvor auf meiner gesamten Pamir-Strecke.
Große, lose Steine, endlose Waschbrettpisten, tiefer Sand – all das verlangsamte mein Vorankommen massiv. Es war schlichtweg unmöglich, schneller als 7 km/h zu fahren. Jeder Meter war ein Kampf.

Zu allem Überfluss kam von hinten auch noch eine Regenfront näher. Ich versuchte, ihr zu entkommen – doch „wegfahren“ war bei diesen Wegverhältnissen eher ein langsames Wegschleichen. Glücklicherweise schien sich die Wolkenfront hinter jedem neuen Bergrücken und jeder Kurve etwas zu verziehen. Der Wind wurde zwar kräftiger, doch ich hatte Glück:
Es blieb trocken – die dunklen Wolken zogen, begleitet von heftigen Böen, einfach an mir vorbei.

Nach mehreren Stunden voller Durchhaltevermögen, Konzentration und Muskelkraft kam ich schließlich in Langar an. Am Himmel wurde es immer dunkler, und ich wusste: Das ist das letzte Dorf vor dem langen Anstieg auf die Hochebene. Also entschloss ich mich, noch einmal in ein Hostel zu gehen – um morgen ausgeruht in den Anstieg zu starten.

Zum Abendessen wurde ich mit einem traditionellen Gericht namens Osh verwöhnt – einem würzigen Reisgericht mit Gemüse. Dazu gab es Linsensuppe, frisches Gemüse, süße Wassermelone, Brot und grünen Tee.
Ein wunderbarer Abschluss für diesen harten Tag. Danach fiel ich erschöpft, aber zufrieden ins Bett.

Am Morgen nochmal in die heiße Quelle Bibi Fatima. Ein wahrer Genuss.


Weiter entlang des Flusses nach Langar.

Neugierige Kinder auf der Straße 

Der Untergrund…

Emotionale Gespräche mit diesem netten Jungen.

Tag 102

Zwischen Schrauben, steilen Bergen und heißen Quellen

Am heutigen Morgen startete ich früh und konnte noch ein letztes Mal das leckere Frühstück mit frischem Brot und der herrlichen Marillenmarmelade genießen. Ich verabschiedete mich herzlich von der unglaublich netten Familie – es fiel mir fast ein wenig schwer, diesen Ort zu verlassen.

Die Fahrt ging weiter, doch die Wege wurden immer schlechter und zäher. Zu Beginn nieselte es noch leicht, doch nach zwei Stunden kam die Sonne heraus – und brannte gnadenlos auf über 2000 Metern Höhe.

Der Familie aus der letzten Unterkunft hatte ich empfohlen, die heißen Quellen von Bibi Fatima zu besuchen. Genau das hatte ich heute auch vor. Doch bevor ich überhaupt in die Nähe kam, passierte etwas Unerwartetes: Mein Antrieb blockierte plötzlich.

Ich bekam einen Schreck – was war denn jetzt schon wieder los? Beim Nachschauen sah ich, dass sich eine der Rahmenschloss-Schrauben gelockert hatte. Sie stand weit heraus. Offenbar hatte meine Fahrradtasche, durch die ständigen Erschütterungen, immer wieder gegen die Schraube gedrückt, bis sie sich allmählich herausarbeitete. Nun berührte sie das Ritzel und blockierte den Riemenantrieb.

Ich hatte leider keine Zange dabei, also klopfte ich beim nächstgelegenen Haus an. Der Mann dort half mir freundlich weiter – ich konnte die Schraube mit einer Zange wieder reindrehen, ohne gleich das ganze Rad auseinanderbauen zu müssen. Ich war erleichtert. Doch keine 2 km später: dasselbe Problem erneut.

Wieder hatte ich Glück: ich war zufällig neben einem weiteren Haus. Wieder fragte ich nach einer Zange. Ich erklärte dem Mann, dass das Problem vermutlich noch öfter auftreten würde – und ob er vielleicht eine alte Zange hätte, die er nicht mehr brauche. Er schenkte sie mir. Eine ältere, aber voll funktionsfähige Zange – ein Geschenk, das in dieser Situation Gold wert war.

Ich wusste: Jetzt musste ich eine dauerhafte Lösung finden. Mein Plan: im nächsten Dorf eine Metallsäge besorgen, um die Schrauben zu kürzen, damit die Fahrradtasche nicht mehr gegen sie schlagen konnte.

Unterwegs begegnete ich einem jungen Mann in meinem Alter, der meinte, er habe eine Säge. Ich sollte ihm einfach folgen. Doch da ich noch meine Taschen wieder anbringen musste, war er schnell außer Sichtweite. Im Dorf angekommen, fragte ich auf dem Marktplatz nach einer Säge. Man gab mir eine grobe Holzsäge – aber damit kam ich natürlich nicht weit.

Ein pfiffiger Junge beobachtete das Geschehen, verschwand kurz und kam dann mit einer kräftigen Zange mit langem Hebel zurück. Mit dieser Zange konnte ich die hervorstehenden Schrauben einfach abzwicken – so, dass sie nicht mehr störten, aber im Notfall noch mit einer Zange erreichbar waren.

Zur Sicherheit kaufte ich mir im kleinen Dorfladen noch flüssigen Metallkleber und trug etwas davon auf die Außengewinde auf. Das sollte die Schrauben zusätzlich fixieren.

Danach ging’s endlich weiter – ohne weitere Probleme. Was ich jedoch nicht bedacht hatte: Die letzten 8 km bis zur heißen Quelle führten über 500 Höhenmeter, verteilt auf einen steil, sandig und steinigen Weg. Aber ich hatte mir das Ziel schon so sehr in den Kopf gesetzt, dass es für mich keine Option war, umzudrehen. Es war anstrengend und schweißtreibend – aber jeder Meter war fahrbar, wenn auch zäh.

Oben angekommen, checkte ich in einem Hostel ein und machte mich auf den Weg zur heißen Quelle. Dort hatte ich Glück: Obwohl eigentlich gerade die Zeit für Frauenbaden war, durfte ich allein in das Hauptbecken, da keine Frauen anwesend waren. Männer und Frauen wechseln sich dort alle paar Stunden ab, um in den getrennten Becken zu baden.

Das 40°C warme Wasser, das aus der Felswand sprudelte, war wunderbar, aber ich musste auf meinen Kreislauf aufpassen – nach dem anstrengenden Tag war mein Körper bereits ziemlich am Limit. Ich saß dort, umgeben von Moos, Schwefelablagerungen und den rauen Felsen – ein faszinierender Ort. Anschließend kühlte ich mich draußen ab, mit Blick auf die Berglandschaft auf über 3200 Metern Höhe. Es tat unbeschreiblich gut.

Am Abend lernte ich beim Abendessen im Hostel Ali kennen. Er war bereits seit fünf Tagen hier – um sich, wie er sagte, von seinem Alltagsstress zu heilen. Ali kommt aus Mumbai, lebt aber derzeit mit seiner tajikischen Frau in Duschanbe.

Wir redeten lange. Über Indien – das für mich noch ein weißer Fleck auf der Karte ist –, über seine Reisen und meine Tour. Ali arbeitet seit sieben Jahren in Qatar für ein Subunternehmen der FIFA und war unter anderem an der Organisation der Fußball-WM beteiligt. Auch wenn unsere Wege grundverschieden sind, fanden wir erstaunlich viele gemeinsame Gedanken.

Zum Abendessen gab er mir sogar noch etwas von seinem eigenen Essen ab – obwohl mein Teller schon gut gefüllt war. Eine schöne Geste, die ich sehr wertschätzte.

Nach diesen Gesprächen, die mir im Kopf noch lange nachklangen, erledigte ich meine Abendroutine – und fiel müde, aber zufrieden ins Bett.


Bergaussicht.


Der Blick in den Rückspiegel.

Jetzt heißt es 550 Höhenmeter in 9 km hoch zum nächsten Spot.

Da ist schon Bibi Fatima. Ich kann es gar nicht erwarten. 

Da ist auch schon die unglaublich schöne heiße Quelle. Mit 41 Grad ist sie schon sehr heiß, aber genießbar.

Tag 101

Zwischen Grenzfluss, Schraubendrama und Marillenmarmelade

Am Morgen wurde ich von der aufgehenden Sonne geweckt. Endlich nahm ich mir die Zeit für ein ausgewogenes Frühstück: die Nudeln vom Vortag, die ich nicht mehr geschafft hatte, und ein Porridge mit einer völlig zerquetschten Banane – die überleben in meinen Fahrradtaschen ohnehin selten lange. Durch das unebene Gelände werden sie meist noch schneller zu Bananenmatsch.

Nach dem Frühstück baute ich mein Zelt ab und packte meine Taschen. Plötzlich tauchten zwei tadschikische Soldaten auf. Sie erklärten mir freundlich, dass das Zelten am Grenzfluss zu Afghanistan nicht erlaubt sei. Ich nahm es gelassen – sie waren interessiert an meinem Equipment, wirkten aufgeschlossen und waren in meinem Alter. Die Begegnung war eher nett als beunruhigend.

In der nächsten kleinen Stadt hatte ich dann wieder Internetempfang. Das war wichtig, denn ich hatte am Antriebsriemen meines Fahrrads bereits tiefe Risse an den Zähnen entdeckt. Ich schrieb meinem Mechaniker, ob ich noch ein paar Kilometer weiterfahren könne oder ob ein sofortiger Wechsel nötig sei.

Die Antwort war eindeutig:

Unbedingt sofort wechseln! Wenn dir beim Bergauffahren ein Zahn abbricht, können gleich mehrere folgen – du trittst dann ins Leere und riskierst einen schweren Sturz.“

Also suchte ich per iOverlander-App nach einer Werkstatt im Dorf – und fand tatsächlich eine. Dort angekommen, baute ich mein Hinterrad aus und wollte das Rahmenschloss öffnen, um den Riemen herauszubekommen. Das ist notwendig, da es sich um einen geschlossenen Riemen handelt, der nur durch Öffnen des Rahmens entnommen werden kann – anders als bei einer Kette mit Kettenschloss.

Doch da war wieder dieses alte Problem: die billigen Schraubenköpfe des Rahmenschlosses. Ich hatte es schon einmal in Kroatien versucht und damals festgestellt, dass die Schrauben beim kleinsten Drehversuch durchdrehen. Diesen Ärger hatte ich offenbar erfolgreich verdrängt – bis jetzt.

Ich kontaktierte erst mal wieder meinen Mechaniker, bevor ich irgendwelche riskanten Schritte ging. Nach etwas Recherche kamen wir zu dem Entschluss: Die einzige Chance besteht darin, die Schraubenköpfe anzuschweißen, um einen Hebel ansetzen zu können.

Als ich dem örtlichen Mechaniker in der Werkstatt diese Idee erklärte, war er zunächst nicht begeistert. Nebenbei war er gerade damit beschäftigt, Autoreifen zu flicken – ein echter „Mechaniker für alles“. Plötzlich war er verschwunden, und der Chef der Werkstatt tauchte auf. Er forderte mich auf, mein Fahrrad draußen zu lassen und meine Taschen in die Werkstatt zu bringen. Zwei ältere Herren sollten darauf aufpassen.

Mit einem mulmigen Gefühl ließ ich mein Rad zurück und folgte dem Chef zu ihm nach Hause, wo er mir prompt Mittagessen anbot – begleitet von laut laufendem russischem Propagandafernsehen. Während er entspannt aß, wuchs meine innere Unruhe. Ich hatte keine Ahnung, wann oder ob ich überhaupt an diesem Tag weiterfahren konnte.

Nach dem Essen gingen wir endlich zurück. Mein Rad stand noch da, die beiden alten Männer ebenfalls. Kurz darauf kam ein Mann mit einem schwarzen Jeep vorbei – der „Meister“, wie ihn alle nannten. Offenbar der Mann, den man ruft, wenn sonst niemand mehr weiterweiß. Gemeinsam fuhren wir mit meinem Rad zu seiner Werkstatt.

Dort versuchten wir zuerst, die Schrauben mit WD-40 zu lösen – ohne Erfolg. Als nächstes wollten wir Schlitze in die Schraubenköpfe schlagen, um sie mit einem flachen Schraubenzieher öffnen zu können. Auch das funktionierte nicht. Schließlich blieb nur noch Plan C: die Köpfe vorsichtig anschweißen. Damit konnten wir immerhin zwei Schrauben erfolgreich entfernen. Die anderen beiden jedoch brachen ab.

Immerhin: Nun ließ sich das Rahmenschloss entfernen, und da ich zum Glück ein Ersatz-Schloss dabeihatte, konnte ich dieses einfach einsetzen. Ich erinnerte mich an zwei ähnliche Dramen mit Schaltaugen in Nordmazedonien – diesmal war ich vorbereitet.

Ich baute den neuen Riemen ein, verstaute alles wieder und verabschiedete mich von den Kindern, die mir beim Zusammenbauen zuschauten. Als ich dem Meister für seine Hilfe danken wollte, forderte er plötzlich 3000 Somoni – umgerechnet etwa 266 Euro für eine Stunde Arbeit.

Ich war völlig baff. Natürlich machte ich ihm klar, dass das absurd ist. Entweder hatte er sich mächtig verrechnet – oder wollte mich übers Ohr hauen. Ich gab ihm stattdessen 100 Somoni (ca. 9 Euro) – immer noch großzügig für lokale Verhältnisse – und fuhr mit leichtem Kopfweh vor lauter Stress weiter. Ich wollte den neuen Riemen noch “feierlich einweihen”.

Nach ein paar Kilometern kam ich an einem Gästehaus vorbei. Der Gastgeber war unglaublich freundlich, zeigte mir gleich mein Zimmer und erklärte, dass Abendessen und Frühstück kostenlos seien. Ich war sprachlos – er wollte mich einfach nur unterstützen, ohne eine Gegenleistung zu erwarten.

Nach einer kurzen Dusche gab es ein wunderbares Abendessen: Kartoffeln, selbst gemachte Nudeln, frisches Brot – und Marillenmarmelade. Das war das Highlight des Tages. Ich hatte auf der ganzen Reise noch nie Marmelade bekommen – und diese war einfach unglaublich gut.

Ich saß da, mit Brot in der einen und Marmelade in der anderen Hand, und lächelte einfach nur still vor mich hin. Manchmal sind es die kleinsten Dinge, die am meisten Glück bringen.

Am Abend fiel ich todmüde, aber dankbar in mein Bett.

Selbstgemalte Straßenschilder für den Waschbrettuntergrund 


Eine ganze Stadt voller Mausoleen und Gräber

Eingeladen zum Essen mit russischem Propagandafernsehen 

Nächstes Problem kündigt sich an. Diesmal Riemen und Rahmenschloss.  

Aufgrund von minderwertigen Schrauben, die direkt durchdrehten, mussten wir die Schraubenköpfe mit einem L Winkel anschweißen und somit herausdrehen.

Tag 100

Ein halber Pausentag und 50 Kilometer später

Eigentlich hatte ich mir für heute einen Ruhetag vorgenommen. Doch wie so oft auf dieser Reise kam es anders.

Bereits um 5:00 Uhr morgens war ich wach und machte mich auf den Weg zu den heißen Quellen – in der Hoffnung, dort für einen Moment allein sein zu können. Diese Hoffnung wurde schnell enttäuscht: Zwei ältere Herren saßen bereits entspannt im warmen Wasser. Zum Glück blieben sie nicht allzu lange.

Die nächste Stunde genoss ich dann ganz in Ruhe. Das Wasser war wohlig warm, der Dampf stieg sanft auf, und ich blieb so lange, bis meine Haut sich in schrumpelige Waschfrauenhände verwandelte. Es war ein wunderschöner, fast meditativer Start in den Tag.

Anschließend ging ich zum Frühstück in die Cafeteria des Hotels. Alles dort war ziemlich heruntergekommen, und außer mir waren kaum Gäste da. Trotzdem aß ich etwas, bevor ich mich auf einen kleinen Spaziergang durch das Dorf machte.

Ich wanderte ein Stück den Hang hinauf, folgte einem Pfad, der schließlich endete – und legte mich in den Schatten eines großen Steins. Dort lag ich eine Weile, ließ den Blick schweifen und genoss einfach nur den Moment und die Stille.

Zurück in der Unterkunft aß ich noch eine Kleinigkeit und entspannte ein bisschen. Doch das sonnige, angenehme Wetter ließ mich schließlich umdenken: Ich entschloss mich, doch noch weiterzufahren. Zu schön war der Tag, um ihn komplett verstreichen zu lassen.

Also packte ich meine Sachen und machte mich wieder auf den Weg – natürlich über die üblichen holprigen Straßen, die hier längst zur Gewohnheit geworden sind.

Nach 50 Kilometern fand ich schließlich einen wunderschönen Schlafplatz: gut von der Straße geschützt, direkt am Grenzfluss, der Tadschikistan und Afghanistan trennt. Ich baute mein Zelt auf, kochte mir Nudeln, filterte frisches Wasser aus dem Fluss – mein Vorrat war aufgebraucht – und kuschelte mich dann in meinen Schlafsack.

Das gleichmäßige Rauschen des Flusses begleitete mich sanft in den Schlaf.


Die heiße Schwefelquelle Garma Chasma


Das Sprudeln der Quellen ist so sehr beruhigend

Ein bisschen Grün mit den hohen Pamir Bergen im Hintergrund 

Schlafplatz direkt am Grenzfluss zu Afghanistan 

Aussicht von der anderen Seite in die Berge 

Tag 99

Vom Regen in die Quelle – ein Tag zwischen Kälte, Schlamm und heißem Wasser

In der Nacht hatte es leicht geregnet – zum Glück nicht zu stark. Mein Zelt stand auf einer kleinen Grünfläche, eingeschlossen zwischen zwei Bächen. Wären diese durch zu viel Regen angestiegen, hätte ich im Nassen gelegen. Doch der Morgen zeigte Entwarnung: Alles sah aus wie am Vortag.

Ich wartete bis etwa 9:00 Uhr, ehe ich losfuhr – ich wollte nicht direkt in den Tag mit Regen und Kälte starten. Auf über 2000 Metern Höhe kann selbst leichter Regen sehr unangenehm werden.

Auch heute ging es wieder über holprige, steinige Wege. Nach 65 Kilometern erreichte ich die Stadt Khorugh. Da ich aber noch relativ gut in der Zeit war, entschied ich mich, weiterzufahren, statt dort in einer Unterkunft einzukehren. Ich deckte mich noch mit ausreichend Lebensmitteln ein – denn für die nächsten Kilometer würde es wieder nur vereinzelte kleine Läden geben, meist mit einem sehr begrenzten Angebot.

Etwa 15 Kilometer vor meinem Tagesziel begann es dann kräftig zu regnen. Ich konnte gerade noch rechtzeitig meine Regenkleidung anziehen – zum Glück war ich vorbereitet. Dennoch wurde das Fahren auf den nun sandigen, aufgeweichten Wegen deutlich anstrengender.

Der Regen raubte mir Energie – aber immerhin war es nicht ganz so kalt wie bei anderen Regentagen.

Kurz vor einem steilen Anstieg wurde ich an einem weiteren Militärcheckpoint angehalten. Die Polizisten dort warnten mich: Der Anstieg sei bei dem Wetter gefährlich, matschig und anstrengend.
Doch ich hatte bereits 95 Kilometer in den Beinen – 10 davon im Regen – und wollte unbedingt noch bis zu meinem Tagesziel Garma Chashma kommen. Ich sammelte meine restliche Motivation zusammen und trat weiter in die Pedale.

Die nächsten 6 Kilometer hatten es in sich: 350 Höhenmeter, rutschige, steile Wege, Wasser, das sich seinen Weg talwärts suchte – es fühlte sich an, als würde ich gegen einen Bach hochtreten.Der Schlamm spritzte, die Reifen rutschten, und jeder Meter forderte mich heraus.

Doch dann, durchnässt und durchgefroren, kam ich endlich an:
Garma Chashma, bekannt für seine heißen Quellen – und genau das, was ich jetzt brauchte.

Ich checkte gegenüber in ein altes sowjetisches Hotel ein, das schon bessere Zeiten gesehen hatte, zog mich schnell um und ging sofort zur Quelle. Die heiße Quelle ist frei zugänglich, Tag und Nacht. Das 40° warme Wasser umspülte meinen ausgekühlten Körper, während das 60° heiße Zuflusswasser zwischen den Felsen hervorsprudelte.

Ich war fast allein – nur ein paar Einheimische genossen ebenfalls die wohltuende Wärme. Für mich war es ein Moment purer Erholung nach einem der härtesten Tage der Tour.

Wieder zurück im Hotel wollte ich mir noch schnell etwas kochen. Mein Benzinkocher war im Zimmer nicht erlaubt – aber die beiden Hotelmitarbeiter an der Rezeption boten mir kurzerhand einen Elektroherd mit Pfanne an. Zwar dauerte es gefühlt ewig, bis das Wasser heiß genug war, aber irgendwann waren die Nudeln fertig – und ich konnte endlich mein wohlverdientes, kohlenhydratreiches Essen genießen.

Kurz danach fiel ich einfach nur noch todmüde, aber zufrieden in mein weiches Bett.

Die dramatischen Regenwolken hängen in den Bergen 


Mittagspause in Khorog

Hoch auf den Berg zum nächsten Stop 

Heiße Schwefelquelle Garma Chasma  

Nach 350 HM und 6 km Aufstieg im Dauerregen bei 5 Grad war die heiße Quelle das Wohltuenste

Tag 98

Ein harter Tag auf holprigen Wegen – mit Tee, Reis und einem eiskalten Bad

Auch heute startete ich zügig in den Tag – wie immer mit meiner bewährten Morgenroutine. Ich wollte jede Stunde ausnutzen, um gut voranzukommen. Die gute Nachricht: Es gab heute keine Baustellenmehr. Die schlechte: Die Straße war trotzdem kaum befahrbar. Der alte Asphalt war völlig aufgebrochen – reine Holperpiste.

Schon nach wenigen Kilometern ging mir dieser anspruchsvolle, mit großen Steinen übersäte Weg gehörig auf die Nerven. Man konnte nur im Schneckentempo fahren, musste ständig bremsen, ausweichen, ausbalancieren.

Zum ersten Mal seit Langem merkte ich: Meine Zündschnur war kurz.
Die Kinder und Leute am Wegesrand, die mich sonst meist erfreuten oder inspirierten, zogen heute eher Energie. Ich fühlte mich schnell gereizt – ein deutliches Zeichen für Erschöpfung.

Ein paar Kilometer solch einer Strecke sind okay – aber über 70 Kilometer mit Steigung, brennender Mittagssonne und Helm auf dem Kopf, das ist eine echte mentale Prüfung. Ich brütete förmlich unter meinem Helm.

Erst als ich in Rushon ankam, wurde die Straße schlagartig besser. Die letzten 5 Kilometer zu meinem zuvor recherchierten Schlafplatz waren daher zum Glück entspannter zu fahren. Doch dann – kurz vor dem Ziel – wieder ein Militärcheckpoint.

Wie so oft wurde mein Pass und das GBAO-Permit kontrolliert. Doch diesmal folgte eine kleine, herzliche Überraschung: Der Beamte winkte mich nach der Kontrolle in seine Hütte – und stellte mir eine riesige Schüssel Reis sowie heißen Tee auf den Tisch.

Ich war überwältigt.
Nach diesem Tag, an dem mir alles zu viel war, tat dieses Essen unglaublich gut – nicht nur körperlich, sondern auch emotional. Ich musste mir am Zeltplatz kein Essen mehr machen und konnte einfach nur genießen.

Etwa einen Kilometer hinter dem Checkpoint führte ein kleiner Weg ins Grüne, vorbei an einigen kleinen Seen. Doch plötzlich: Der Weg war überschwemmt von mehreren kleinen Gebirgsbächen.

Ich dachte mir: „Da wird heute wohl keiner mehr hinkommen – perfekt für einen ruhigen Zeltplatz.“
Also kämpfte ich mich durch das Wasser, balancierte mein Rad durch die flachen Bachläufe und erreichte schließlich meinen Schlafplatz.

Was ich dort entdeckte, war fast surreal:
Direkt hinter meinem Zelt befand sich ein altes Schwimmbecken aus Sowjetzeiten, gefüllt mit kristallklarem Bergwasser. Ich konnte nicht widerstehen – ich nahm ein Bad.

Das Wasser war eiskalt, aber herrlich erfrischend. Ich ging immer nur für ein paar Sekunden rein, wusch mich schnell ab und stieg wieder raus, um nicht völlig auszukühlen. Danach wieder rein, kurz waschen, wieder raus. So ging das ein paar Mal – eine kleine Zeremonie zwischen Schockfrostung und Reinigung.

Da ich schon gegessen hatte, konnte ich direkt in meine Abendroutine starten: Stretchen, Zähneputzen, Tagesreflexion.
Es war gerade mal 19:30 Uhr – ich war erstaunlich gut in der Zeit.

Um 20:00 Uhr hatte ich noch ein geplantes Telefonat mit der Redakteurin vom Darmstädter Echo, die alle zwei Wochen einen Bericht über meine Reise veröffentlicht.

Danach legte ich mich früh schlafen – erschöpft, aber zufrieden. Der Tag hatte mich gefordert, aber auch reichlich belohnt.


Blick auf die äußerst grüne Afghanische Seite des Flusses.

Gleichaltrigen Engländer getroffen und wir haben uns auf halber Strecke im Pamir getroffen. Er fährt nach England und kommt aus Singapur. Bei mir geht es nur anders herum. 

Das nenne ich mal Berge.

Beim Militärcheckpoint wurde ich mit reichlich Essen und Tee versorgt. Wie im Restaurant, nur besser. 

Schlafplatz neben alten Sowjetschwimmbad mitten in der Natur neben Bächen übernachtet.

Tag 97

Von Darvoz bis ans Ende der Großbaustelle – ein Tag voller Kontraste

Die Sonne schien durch mein Fenster und weckte mich sanft – Zeit zum Aufstehen, Frühstücken und Sachen packen. Als ich im Hostel Roma in Darvoz auschecken wollte, kam es allerdings zu einer unschönen Überraschung: Ich war mir sicher, dass mir der Preis von 200 Somoni (ca. 17 €) für zwei Nächte mit Frühstück und Abendessen genannt worden war. Da ich aus Erfahrung auf meiner Reise gelernt habe, Missverständnisse im Voraus zu vermeiden, frage ich in solchen Situationen meist zweimal nach.

Doch nun hieß es plötzlich: 200 Somoni – pro Nacht.
Nach einer kurzen, sachlichen Diskussion einigten wir uns auf einen Mittelwert. Niemand wusste mehr genau, wo das Missverständnis entstanden war. Ein bisschen Frust schwang dennoch mit – nicht zuletzt, weil ich im Zimmer eine Kakerlake an der Decke entdeckt hatte. Gerade in tropischen Ländern können diese Tiere Krankheiten übertragen. Auch das WLAN war meist instabil.

Trotzdem: Das Essen war lecker, die Betten bequem und die Gastgeber freundlich. Unter dem Strich würde ich das Hostel weiterempfehlen – in Darvoz gibt es ohnehin kaum bessere Optionen.

Dann ging’s endlich los – auf Asphalt!
Nach Tagen auf Schotter und Schlaglochpisten war es ein Hochgefühl, endlich wieder flüssig und ruhig rollen zu können. Leider währte die Freude nur etwa 10 Kilometer, denn der folgende Tunnel war wegen Bauarbeiten gesperrt. Also musste ich einen Umweg über eine ruppige Piste nehmen – zurück auf Stein und Staub.

Die Straße wechselte ab jetzt ständig zwischen guten Asphaltabschnitten und völlig zerfahrenem Gelände. Nach 30 Kilometern begann dann das berüchtigte Baustellenstück des Pamir Highways – rund 70 Kilometer, auf denen die Straße seit Jahren großflächig ausgebaut wird.

Anfangs war der frische Asphalt ein Traum. Doch schon nach einigen Kilometern wechselte die Strecke zu unbefestigten Teilstücken. Auf einer Fahrbahnseite wurde frischer Teer verteilt, während die andere voller Staub, Dreck und Baumaschinen war.

Einige Kilometer weiter: Stau.
Ein riesiger Felsbrocken blockierte die Fahrbahn. Arbeiter versuchten mit Presslufthämmern, ihn zu zerschlagen. Der Verkehr zwängte sich mit knapper Not zwischen Geröllhalden und dem Abgrund zum Fluss vorbei – und ich mittendrin auf meinem Rad. Der Staub wurde jetzt zur echten Herausforderung.

Jeder vorbeifahrende LKW hüllte mich in eine dichte Wolke aus Sand und Dreck. Ich versuchte immer wieder, die Luft anzuhalten oder einen klaren Luftzug zu erwischen – nicht einfach bei dieser Dauerbelastung.

Dann traf ich auf Theo aus England – 19 Jahre alt, genau wie ich. Er hatte seine Radreise in Singapur begonnen und wollte zurück nach Großbritannien – also exakt entgegengesetzt zu meiner Route. Es war faszinierend und irgendwie witzig, sich mitten in dieser staubigen Hölle auf halber Strecke zu begegnen, beide mit der gleichen Leidenschaft, aber ganz unterschiedlicher Richtung.

Am Ende der Großbaustelle suchte ich mir auf der App iOverlander eine Unterkunft über einem kleinen Supermarkt aus. Ich kaufte noch ein paar Lebensmittel ein und fragte nach einem Zimmer. Der junge Mann an der Rezeption – kaum älter als ich – wollte dafür allen Ernstes 25 € haben. Für eine einfache Unterkunft, ohne besonderen Komfort, war das zu viel.

Ich sagte ihm klar: „Entweder 9 Euro – oder ich schlafe gegenüber im Zelt.
Er merkte schnell, dass ich kein „reicher Tourist“ bin, der jeden Preis schluckt, nur weil er westlich aussieht. Am Ende nahm er mein Angebot an – 100 Somoni sind für ihn schließlich auch viel Geld, vor allem in einer Gegend, wo selten Gäste vorbeikommen.

Fazit: In Tadschikistan sollte man bei Unterkünften immer verhandeln. Oft ist der „Touristenaufschlag“ der erste Preis, den man hört. Ein Drittel weniger – oder mindestens die Hälfte – ist meist realistisch.

Ich machte mir auf meinem Kocher noch eine Portion Nudeln, legte mich in das einfache Bett und schlief erschöpft ein. Ein weiterer intensiver Tag auf dem Pamir Highway ging zu Ende.

Endlich mal wieder für ein paar Kilometer Asphalt.


Mittagspause vom Feinsten mit Zucker, Zucker und  ja natürlich, nochmals Zucker. 

Vorbei an interessanten Felsformationen mit vielen Löchern.

Die Decken der Mausoleen sind reich beschmückt 

Nach dem vielen laufen in der Stadt ist eine Stärkung wichtig

Um 21:00 Uhr abends ist hier eine wirklich fantastische Projektionsshow. Dort wird die Geschichte der Seidenstraße, der Entstehung Usbekistans, der Entstehung der Menschheit und der Entstehung der Kontinente visuell aufbereitet. 

Die beleuchteten Mausoleen sind bei Nacht fast genauso schön, wie bei Tag.

Tag 96

Ein wohlverdienter Ruhetag in Kalaikhum

Heute ließ ich den Morgen ruhig angehen. Ich hatte mir fest vorgenommen, einen Ruhetag einzulegen – die letzten Etappen auf dem Pamir Highway hatten es wirklich in sich.

Natürlich ist „Pause“ relativ. Auch an einem Ruhetag gibt es einiges zu tun: Ich überarbeitete die Texte für meine Website und wollte diese mit passenden Bildern ergänzen. Leider reichte der Internetempfang nicht aus, um die Inhalte auch hochzuladen.

Stattdessen konzentrierte ich mich auf die Produktion meiner Kurzvideos für Social Media. Insgesamt schnitt, vertonte und untertitelte ich sechs neue Clips – ein echter Kraftakt, besonders bei der langsamen Internetverbindung, die den Prozess noch zusätzlich verzögerte.

Am Mittag machte ich einen kurzen Abstecher in den Supermarkt und kaufte Haferflocken und Obst. Daraus zauberte ich mir ein leckeres Müsli – das Frühstück, das ich sonst täglich esse, wenn ich nicht gerade auf Radreise bin. Der Geschmack rief direkt Erinnerungen an mein Leben vor der Reise wach.

Später am Tag nahm ich mir noch die Zeit, mein Fahrrad zu putzen, und spazierte erneut zum Fluss, der Tadschikistan von Afghanistan trennt. Immer wieder beeindruckte mich, wie nah und doch wie verschieden diese zwei Welten sind – getrennt nur durch das Wasser.

Beim Abendessen im Hostel traf ich zwei weitere Touristen – ebenfalls aus Deutschland. Sie hatten sich in Osh ein Auto gemietet und erkundeten den Pamir Highway auf vier Rädern in 20 Tagen. Natürlich deutlich schneller als ich mit dem Fahrrad, aber dennoch waren sie neugierig auf meine Erlebnisse. Wir unterhielten uns lange über unsere Eindrücke, Routen und Begegnungen.

Bevor ich schlafen ging, widmete ich mich noch dem Hochladen und Planen meiner Videos. Da ich wusste, dass ich in den nächsten Tagen nur sehr selten Empfang haben würde, wollte ich alles vorbereiten. So werden die Videos automatisch zu festgelegten Zeiten veröffentlicht – ohne Stress, ganz entspannt.


Die Grenze ist militärisch gut überwacht.

Seit langem mal wieder ein frisches Müsli mit allen Früchten, die ich kriegen konnte, gegessen.

Das erste Mal ein Blick auf Afghanistan aus nächster Nähe 

Tag 95

Aufstieg, Begegnungen und ein Ruhetag in Kalaikhum

Am Morgen wurde ich mal wieder von den Vögeln und den ersten Sonnenstrahlen geweckt. Ein weiterer schöner Tag kündigte sich an. Da ich mich mit meinen Essensvorräten ein wenig verkalkuliert hatte, bestand mein Frühstück heute nur aus ein paar Keksen. Nicht gerade die beste Energiequelle für einen anstrengenden Tag – aber es musste bis zum nächsten Supermarkt reichen.

Der Weg von meinem Schlafplatz führte steil nach oben. Meter für Meter schlängelte sich der Pfad in die Höhe. Auf der Karte waren Dörfer eingezeichnet, doch keiner davon hatte einen Markt. Also hieß es: Keksreserven haushalten. Wasser konnte ich immerhin problemlos aus den klaren Gebirgsbächen trinken.

Nach etwa zehn Kilometern und 550 Höhenmetern legte ich eine Pause in einem kleinen Häuschen ein. Von hier aus hatte ich einen grandiosen Blick auf die schneebedeckten Berge auf 2700 Metern. Bald gesellte sich ein älterer Mann zu mir, der versuchte, ein bisschen mit mir zu kommunizieren. Leider klappte das nur mäßig – und da oben funktionierte Google Translate auch nicht, weil der Empfang zu schlecht war.

Die Sonne brannte in dieser Höhe schon stark, also kremte ich mich noch einmal gründlich ein. Dann standen noch rund acht Kilometer und etwa 600 Höhenmeter bis zur Passhöhe an. Der Weg wurde zunehmend schlechter: matschig und steil, gesäumt von immer mehr Gletschern und Schneefeldern, die unter der Sonne schmolzen und den Boden aufweichten.

Nach vier Stunden voller Anstrengung, Schweiß und Staub erreichte ich die Passhöhe auf 3252 Metern. Ein kalter Wind blies dort oben, also zog ich sofort meine Jacke an. Hirten weideten mit ihren Schaf-, Ziegen- und Kuhherden in der Nähe, doch ansonsten war es still. Ich machte Pause und knabberte weiter an meinen Keksen. Mein Magen begann langsam zu knurren – ich wusste, ich brauchte bald etwas Energiereicheres, doch das musste noch warten.

Vor mir lagen noch 37 Kilometer bis zur Stadt Kalaikhum. Obwohl es fast nur bergab ging, brauchte ich dafür knapp vier Stunden. Die Wege waren so anspruchsvoll und steinig, dass ich kaum schneller als 5 km/h fahren konnte. Das zog sich wie Kaugummi.

Mitten auf dem Weg kam mir eine riesige Schaf- und Ziegenherde entgegen. Die Hirten waren mit Eseln unterwegs, die Vorräte und Gepäck trugen. Dieses Bild, auf über 2000 Metern inmitten der atemberaubenden Berglandschaft, werde ich noch lange in Erinnerung behalten.

Kurz darauf erreichte ich einen Imker mit vielen Bienenstöcken. Er bot mir Tee und Fladenbrot mit Honig an – eine willkommene Pause in der brütenden Sonne. Während er ein kleines Hütchen für die kommende Saison präparierte, plauderten wir ein wenig. So konnte ich meinen Hunger mit etwas Honig stillen und mich stärken.

Die letzten zehn Kilometer bis nach Kalaikhum gingen dann wirklich bergab. 10 Kilometer vor der Stadt kontrollierte ein Militärposten meinen Pass. Zum Glück waren die letzten fünf Kilometer zur Stadt geteert – die legte ich in nur zehn Minuten zurück. In den Bergen hatte ich für fünf Kilometer oft die dreifache Zeit gebraucht.

In der kleinen Stadt wurde ich direkt bei der Suche nach einer Unterkunft von einem Hostelbetreiber abgefangen, der wohl die Ankunftszeiten von Radfahrern kannte. Für 17 Euro bekam ich ein gemütliches Zimmer für zwei Tage, inklusive Frühstück und Abendessen. Morgen gönne ich mir einen Ruhetag.

Nach einer erfrischenden Dusche erkundete ich den kleinen Ort. Der Pyandzh-Fluss trennt Tadschikistan hier von Afghanistan – die Menschen dort waren kaum hundert Meter entfernt, auf der anderen Flussseite. Das war surreal: Zwei Länder, so unterschiedlich und doch nur durch einen schmalen Fluss getrennt.

Was mich jedoch sehr erschreckte: Mehrere Frauen warfen während ich die Aussicht genoss, Müll direkt in den Fluss. Ich konnte kaum fassen, wie wenig hier auf die Natur geachtet wird. Ob es eine Müllabfuhr gibt, weiß ich nicht. In vielen Dörfern verbrennt man den Müll – was dann einen beißenden Rauch über die Siedlungen legt. Beides ist keine gute Lösung.

Beim Aufstieg auf über 3000m solch eine Aussicht bei sehr steilen Wegen genießen.

Vorbei an Gletschern auf den Weg nach ganz oben. 

Am Gipfel bei 3252,8m angekommen.

Wenn ich sehe, was im Pamir noch so kommt, ist dieser Gipfel eher klein.

Schönste Natur und grauselige Wege den Berg runter


Auch bei der Abfahrt sehe ich noch mehr Gletscher im satten Grün der Berge.

Gigantische Felsen, die sich vor mir auftuen.

Ich wurde vom Imker auf Honigbrote und warmen Tee eingeladen. Das kam mir gelegen, da mein Trink und Essensvorrat zu Neige ging.

Tag 94

Englischunterricht im Pamir, ein Bach voller Stolperfallen und ein Schlafplatz mit Gewitterblick

Heute wachte ich schon früh um 5:30 Uhr auf – kein Wunder, denn ich war am Vorabend recht zeitig ins Bett gegangen und fühlte mich nun ausgeruht. Ich aß ein schnelles Frühstück aus Brot mit Erdnussbutter, dehnte mich ein wenig und wartete auf die ersten Sonnenstrahlen, die langsam in das kühle Tal hinabstiegen. Auf 1300 Metern Höhe war es nachts recht frisch gewesen, und auch am Morgen brauchte ich noch meine Daunenjacke. Erst nach etwa 20 Minuten Fahrt wurde mir warm genug, um wieder in kurzer Kleidung weiterzufahren.

Der Weg war am Morgen angenehm eben, was mir gutes Vorankommen ermöglichte. Dennoch blieben die großen Steine und der lockere Schotter eine ständige Herausforderung – für mich und mein Rad. Nach einiger Zeit kam ich an einem kleinen Supermarkt vorbei und legte eine kurze Pause ein, bevor es weiter in die Berge ging.

Am Mittag erreichte ich einen Polizeiposten. Dort fragte ich, ob ich durch mein GBAO Permit – die Genehmigung für Reisen im Pamir – automatisch bei der Polizei registriert sei oder ob ich das noch erledigen müsse. Da der Beamte kein Englisch sprach, rief er kurzerhand einen Englischlehrer aus dem Dorf an, der als Übersetzer einsprang. Dieser bestätigte mir, dass ich registriert sei und keine Probleme bei der Ausreise zu befürchten habe – eine Erleichterung, denn am Vortag hatten mir andere Radreisende von Strafzahlungen berichtet, wenn man das versäumt.

Der Lehrer, Muhammad, lud mich anschließend spontan zu einem Mittagessen ein. Wir überquerten eine Brücke und gelangten ins Dorf Tavildara, wo ich auf seine Empfehlung hin das traditionelle Gericht Osh probierte – ein würziger Teller aus Reis, Gemüse und etwas Fleisch, begleitet von Tee und Fladenbrot. Es schmeckte hervorragend. Während des Essens unterhielten wir uns lange über die tajikische Kultur, seine Arbeit und das Leben im Dorf.

Ich fragte ihn, ob er für meine Dokumentation ein Interview geben würde – und er sagte sofort zu. Also führte er mich in einen kleinen Klassenraum, den er selbst angemietet hatte. Er arbeitet nämlich privat als Englischlehrer, da er damit deutlich besser verdient als in einer staatlichen Schule – rund 400 bis 500 US-Dollar im Monat statt der üblichen 100 bis 200.

Doch bevor das Interview starten konnte, trudelten nach und nach immer mehr Schüler ein – und plötzlich hieß es: „Heute machst du den Unterricht.“ Also saß ich da, wurde von den Kindern und Jugendlichen mit Fragen durchlöchert und stellte auch selbst einige. Es war ein lebendiger, herzlicher Unterricht, bei dem Englisch sprechen und Verstehen im Vordergrund stand. Muhammad konnte sich derweil entspannt zurücklehnen und mir zusehen. Obwohl ich gar nicht so lange Pause machen wollte, war diese unerwartete Unterrichtsstunde eine sehr bereichernde Erfahrung.

Nach dem Unterricht führten wir dann das Interview, bevor ich mich wieder auf den Sattel schwang. Der Weg wurde nun wieder steiler. Plötzlich musste ich einen Bach überqueren – doch es war nicht nur ein kleiner Bach, sondern ein breiter Strom, trüb und schlammig. Ich konnte den Grund nicht sehen und musste besonders vorsichtig sein, denn direkt daneben ging es steil bergab. Natürlich blieb ich mitten im Bach hängen, doch dank einiger höherer Steine bekam ich immerhin keine komplett nassen Füße. Mit etwas Mühe kam ich auf die andere Seite.


Die großen Berge !


Eine grüne Oase.

Moschee in Pamir Gebirge.

Unerwartetes Treffen mit einem Englischlehrer im Pamir Dorf.

Dann soll ich plötzlich eine Unterrichtsstunde in Englisch halten. Ok, let’s Go!

Große Berge und kleiner Nisse.

Einfach wirken lassen…

Gewittersicherer Schlafplatz in schönster Bergkulisse vor Wasserfall.

Tag 93

Staubige Pisten, herzliche Begegnungen und ein Schlafplatz im Dorfladen

Heute weckte mich die Sonne, die langsam hinter den Bergen emporstieg. Die Luft war frisch, der Fluss rauschte neben mir, und die grünen Hügel rundherum leuchteten in warmem Morgenlicht. Zwischen den blühenden Pflanzen wirkte alles fast ein bisschen magisch – ein wunderschöner Start in den Tag.

Ich aß ein einfaches Frühstück, packte meine Sachen zusammen und schob mein Rad zurück auf den Weg. Das Tal, in dem ich geschlafen hatte, lag eingebettet zwischen zwei großen Anstiegen – das hieß für mich: gleich wieder bergauf, über grobe Schotterpisten, die jede Schraube meines Fahrrads auf die Probe stellten. Es war ein ständiges Auf und Ab – Kurve um Kurve, Stein um Stein, immer weiter durch die Berge.

Nach gut 30 Kilometern erreichte ich ein Tal, in dem gerade ein großer Sonntagsmarkt stattfand. Plötzlich war alles voller Leben: Händler riefen, Kinder rannten herum, überall wurden Kleidung, Werkzeug, Gemüse, Obst und allerlei Kleinkram verkauft. Ich nutzte die Gelegenheit, um meine Wasservorräte aufzufüllen – es war wieder sehr warm heute.

Einige Anstiege später erreichte ich einen Polizeiposten, an dem zwei Wege zusammenliefen: der neue, asphaltierte Pamir Highway – und der alte, deutlich ruppigere. Ich hatte mich ganz bewusst für den alten Pamir Highway entschieden. Zwar sind die Straßen dort kaum befahrbar, aber die Landschaft ist atemberaubend – und man spürt auf diesen alten Pfaden noch mehr die Geschichte des Landes.

Ab diesem Punkt wurde die Piste noch schlechter – tiefer, staubiger, löchriger. Doch die Landschaft entschädigte für alles. Irgendwann entdeckte ich auf einer Art Lichtung ein Wohnmobil, das mir bekannt vorkam – und tatsächlich: Es gehörte dem spanischen Ehepaar, das ich im Green House Hostel in Duschanbe kennengelernt hatte! Sie waren heute Morgen losgefahren und hatten sich diesen Platz für ihre erste Übernachtung ausgesucht. Wir plauderten eine Weile und sie verwöhnten mich mit selbstgemachtem Raw Food – ein echter Luxus mitten im Nirgendwo.

Nach insgesamt 65 Kilometern und rund 1.400 Höhenmetern erreichte ich am Abend ein kleines Dorf mit einem Minimarkt. Ich wollte eigentlich nur ein paar Vorräte nachkaufen – doch der Besitzer merkte schnell, dass ich auch einen Schlafplatz suchte. Er bot mir freundlich an, in einem Nebenraum seines Geschäfts zu übernachten, in dem ein paar Matratzen lagen. Ich nahm dankend an – so viel Gastfreundschaft ist keine Selbstverständlichkeit.

Nebenan im Gemeindehaus konnte ich mich sogar noch waschen – eine Wohltat nach einem staubigen Tag mit Sonne, Schweiß und Sonnencreme. Kurz darauf trafen auch zwei andere Radreisende ein, von denen mir die Spanier schon erzählt hatten: eine Ungarin und ein Italiener. Auch sie übernachteten hier – und so bildeten wir spontan eine kleine Radlergemeinschaft.

Gemeinsam saßen wir noch lange beisammen, teilten unser Abendessen und tauschten Geschichten und Tipps aus. Die Stimmung war herzlich, entspannt, fast familiär. Nach meiner Abendroutine legte ich mich gegen 20:30 Uhr schlafen – zufrieden, erschöpft und voller Vorfreude auf den nächsten Tag.

Flussüberquerung…


Das Tor zum Pamir 

Unglaubliche Aussicht. 

Der Pillendreher-Käfer

Kraftbolzen auf dem Weg in die hohen Berge.

Tag 92

Erster Tag Richtung Pamir – Raus aus der Stadt, rein in die Berge

Der Wecker klingelte heute früh – 6:30 Uhr. Ich frühstückte das, was ich mir gestern im Supermarkt gekauft hatte, sprach im Foyer noch kurz mit ein paar anderen Radreisenden – und dann begann das eigentliche Warm-Up des Tages: alle Taschen vom vierten Stock wieder nach unten zum Fahrrad schleppen. So kam ich zumindest schon vor dem Losfahren ordentlich ins Schwitzen.

Der Start in den Tag verlief – sagen wir – chaotisch. Der Verkehr in Duschanbe ist ein einziges Hupen, Drängeln, Abkürzen, Einfädeln und Ausweichen. Jeder fährt, wie er will. Ich war froh, als ich langsam aus dem Stadtgebiet herauskam und sich die Autos mehr und mehr ausdünnten. Mit jedem Kilometer Richtung Berge wurde es ruhiger – und auch landschaftlich immer beeindruckender.

Der erste richtige Anstieg ließ nicht lange auf sich warten. Über 70 Kilometer kämpfte ich mich stetig nach oben – bis auf 1.700 Meter Höhe. Dort, auf dem höchsten Punkt des Tages, machte ich meine Mittagspause – mit traumhafter Aussicht auf die schroffen Felsen, die sich ringsum auftürmten.

Nach der Pause rollte ich den Berg wieder hinunter. Doch unten angekommen, wurde es plötzlich ernst: Der Asphalt war zu Ende. Ab hier bestand der Weg aus Sand, losen Steinen und grobem Schotter. Die Abfahrt wurde zur Rüttelpartie, und bergauf ging es von nun an nur noch mit viel Kraft – und Geduld.

Nach 105 Kilometern und über 1.500 Höhenmetern war für heute Schluss. Ich fand eine einfache, aber sehr praktische Schlafmöglichkeit: eine Art überdachter Rastplatz mit Teppichboden – wie eine Mischung aus Carport und Freiluftzimmer. Solche Plätze hatte ich schon in Usbekistan gesehen, in der Wüste – ein echter Glücksgriff, wenn man nicht direkt auf dem Boden schlafen will.

Ich war ziemlich erschöpft vom Tag, aber zur Ruhe kam ich erstmal nicht: Rund um meinen Schlafplatz versammelten sich sofort Kinder aus dem angrenzenden Dorf – neugierig, lachend, redselig. Einer von ihnen kam mit einem kleinen kaputten Fahrrad an. Natürlich half ich. Ein paar Schrauben fehlten, andere waren locker. Ich kramte in meinem Ersatzteillager, befestigte alles neu – und schenkte dem Jungen damit ein funktionierendes Fahrrad zurück. Seine Freude war riesig – und auch die der anderen Kinder, die das Ganze mit strahlenden Augen verfolgten.

Zum Abendessen gab es heute Brot mit Erdnussbutter, Walnüsse und ein paar Kekse. Für Nudeln fehlte mir die Lust und die Kraft. Irgendwann wurde ich richtig müde – und musste den Kindern und Jugendlichen deutlich machen, dass jetzt Schlafenszeit für mich ist. Sie verstanden das, verabschiedeten sich höflich und zogen sich in ihr kleines Wellblech-Dorf zurück, das direkt an meine Unterkunft grenzte.

So endete ein langer, körperlich fordernder, aber erfüllender Tag – der erste Schritt auf dem Weg Richtung Pamir.


Es geht den ersten Berg stetig hoch. Pamir, ich komme!


Wanderschaft ist auch bei den Eseln angesagt.

Statuen mit Vögeln und die Berge machen mich glücklich. 

Die Berge kommen immer näher, endlich.

Steinhühner auf der Bushaltestelle, ist das nicht schön.

Mega Aussicht auf die hohen Berge und sehr schlechte Wege hoch. 

Tag 91

Ein Pausetag in Duschanbe – Organisation, Begegnungen und ein Stück Geschichte

Heute stand ich etwas früher auf – trotz Pausentag, denn ich hatte einiges zu erledigen. Zum Frühstück gab es Müsli, das ich mir am Vortag im Supermarkt selbst zusammengestellt hatte. Dann ging es direkt mit dem Taxi in die Stadt. Mein erstes Ziel: eine tadschikische SIM-Karte.

Ich entschied mich nicht nur für eine, sondern für gleich zwei Karten – eine von TCell, die andere vom Anbieter Megafon. Der Grund: In den abgelegenen Regionen des Pamir-Gebirges hat man oft nur mit einem der beiden Anbieter Empfang – welcher gerade funktioniert, hängt vom jeweiligen Tal oder Pass ab. Auch wenn das insgesamt knapp 20 € kostet, war es mir die Sicherheit auf meiner Solo-Reise wert. Wer allein in solch abgelegenen Höhen unterwegs ist, möchte nicht nur Netz haben, wenn es zufällig verfügbar ist – sondern dann auch darauf zugreifen können.

Nachdem das erledigt war, ging es weiter ins Kaufhaus. Dort kaufte ich mir eine einfache Sonnenkappe – bislang hatte ich nur meine Fahrradkappe, die in der prallen Sonne nicht ganz ausreicht. Außerdem ließ ich bei einem Handyshop meine Displayschutzfolie wechseln. Die alte war schon mehrfach gerissen – höchste Zeit für Ersatz.

Anschließend ging es mit dem Taxi weiter zum Treffpunkt einer Free Walking Tour, die ich spontan am Vorabend gebucht hatte. Vor Ort stellte ich schnell fest, dass ich der einzige Teilnehmer war – der eigentliche Guide war krank geworden, dafür sprang sein Vater ein: ein 61-jähriger Tadschike, der mit großer Ruhe und echter Leidenschaft durch die Stadt führte.

Obwohl Duschanbe nicht mit einer Fülle historischer Bauwerke aufwarten kann – viele kulturelle Schätze Tadschikistans befinden sich bis heute in Samarkand, das früher einmal Teil des Landes war –, war die Tour unglaublich spannend. Wir besuchten verschiedene Monumente, gingen durch Parks und machten sogar einen Abstecher in die große Staatsbibliothek, wo ich einen seltenen Blick hinter die Kulissen alter sowjetischer Architektur werfen konnte.

Zum Abschluss setzten wir uns noch gemeinsam auf eine Bank im Schatten. Wir sprachen lange – über Kultur, Familie, Geschichte und das Leben in Tadschikistan. Es war eine Begegnung, die mir in Erinnerung bleiben wird. Der Mann war nicht nur informativ, sondern auch unglaublich herzlich.

Danach lief ich zu Fuß zur Visabehörde, wo ich mir mein GBAO Permit abholte – die spezielle Einreisegenehmigung für das Pamir-Gebirge. Ohne sie ist die Durchfahrt dort nicht erlaubt.

Bevor ich zurück zur Unterkunft fuhr, verbrachte ich noch eine ruhige Stunde am großen See mitten in der Stadt. Im Schatten entspannte ich, ließ die vielen Eindrücke des Tages auf mich wirken und sammelte Kraft.

Wieder im Hostel angekommen, widmete ich mich meinem Fahrrad. Nach der Schlammschlacht über den Pass war es überfällig, die Kette zu reinigen, den Rahmen abzuwischen und die Schaltung durchzuchecken. Danach ruhte ich mich viel aus – und ging am Abend erneut Nudeln essen, um meinen Energiespeicher für den nächsten Tourtag aufzufüllen.

Auch wenn ich heute nicht auf dem Rad saß, war der Tag voller kleiner Etappen, Aufgaben und Begegnungen. Ein produktiver und zugleich bereichernder Pausetag in Duschanbe.

Die Bibliothek 


Monument

Das Theater

Die alte Sowjet Bank

Lenin Statue, und der ältere Guide wollte unbedingt ein Foto von mir davor machen

Der beste Guide, der für mich die beste Privattour in Dushanbe gemacht hat.

Tag 90

Von eiskaltem Regen, rauchenden Schlöten und warmer Gastfreundschaft – Mein Weg nach Duschanbe

Heute Morgen wachte ich durch den stetig lauter werdenden Verkehr auf der Straße oberhalb meines Schlafplatzes auf. Ich hatte noch etwas gekochte Hirse aus Samarkand übrig, die ich mir mit etwas Gemüse zum Frühstück zubereitete. Nach dem Abbau meines Zelts und dem Packen der Taschen entschied ich mich bewusst dagegen, mein Fahrrad direkt zu bepacken. Der schmale, etwa 30 Meter lange Weg zurück zur Straße war leicht ansteigend, extrem schmal und verlief direkt an einer Abbruchkante, die steil zum Fluss hinabfiel. Das war mir zu riskant. Also trug ich alle Taschen einzeln zur Straße hoch und montierte sie dort wieder ans Rad.

Dann setzte ich meine Fahrt fort – hinein in die gigantischen Berge Tadschikistans, die sich rechts und links eindrucksvoll über mir erhoben. Nach etwa 30 Kilometern durch enge, spektakuläre Schluchten kam der angekündigte große Anstieg: Auf nur 15 Kilometern sollten mich 1.000 Höhenmeter erwarten. Der Anstieg begann auf etwa 1.700 Metern – steil, kurvig und kräftezehrend. Kurve um Kurve arbeitete ich mich hoch. Die Landschaft war atemberaubend: verschiedenste Gesteinsformen, Farben und Höhenzüge wechselten sich ständig ab – ein Anblick, an dem ich mich kaum sattsehen konnte.

Doch nach rund 6 Kilometern und 300 Höhenmetern kam der Wetterumschwung: Auf etwa 2.000 Metern begann es plötzlich zu regnen. Innerhalb kürzester Zeit fielen die Temperaturen drastisch – von angenehmen 20 Grad unten auf nur noch 5 Grad. Ich zog mir zwar schnell meine Regenjacke über das kurze Trikot, dachte aber, es handle sich nur um einen kurzen Schauer. Leider täuschte ich mich. Der Regen wurde stärker, und weil ich meine Regenhose, die Überschuhe und Handschuhe in den Taschen verstaut hatte, war ich bald bis auf die Knochen durchnässt – und ausgekühlt.

Ich wusste, ich muss irgendwo Unterschlupf finden. Hoch oben in den Bergen ist das aber alles andere als einfach. Dann sah ich einen Rauch aufsteigen. Ein Schlot, mehrere LKWs – vielleicht eine Raststätte für Trucker? Ich fuhr hin – und hatte Glück. In einem kleinen Hüttchen wurde gerade Essen für die Fahrer zubereitet, und ein Ofen wärmte den Raum. Erst am Feuer merkte ich, wie stark unterkühlt ich wirklich war. Eine wichtige Lehre: Regenkleidung sollte immer griffbereit sein – und auf mehrere Lagen setzen.

Ein Trucker winkte mich schließlich zu sich und bat mich, ihm zu folgen. Ich ließ mein Fahrrad stehen und stieg zu ihm in den LKW. Er schaltete für mich die Standheizung ein, bot mir den Platz auf seinem Bett hinter dem Fahrersitz an, während er selbst im Sitz döste. Ich trocknete meine Socken, Handschuhe, Schuhe – alles, was nass war. Und ich schlief ein bisschen. Nach rund zwei Stunden war das meiste trocken, und ich bereit, weiterzufahren. Der Regen hatte kurz nachgelassen – ich nutzte die Gelegenheit, holte meine restlichen Regensachen heraus, und fuhr weiter.

Natürlich begann es nach fünf Minuten erneut zu regnen – stärker als zuvor. Doch ich fuhr weiter, durchgeweicht, aber entschlossen. Die letzten 10 Kilometer und 700 Höhenmeter bis zum Pass schaffte ich durch pure Willenskraft.

Oben am Pass angekommen – am sogenannten „Tunnel des Todes“ – wurde ich von der Polizei gestoppt. Die Durchfahrt sei mit dem Fahrrad nicht erlaubt. Also musste ich erneut alle Taschen vom Rad nehmen und versuchen, per Anhalter durch den Tunnel zu kommen. Doch bevor es so weit war, wurde ich von einem Polizisten und seinem Kollegen ins Wärterhäuschen eingeladen. Sie machten die Heizung an, bereiteten mir ein scharfes Curry zu, schnitten frisches Gemüse und reichten heißen Tee. Diese Gastfreundschaft – mitten im Nirgendwo, auf 2.700 Metern Höhe – war einfach nur herzerwärmend.

Nach dem Essen machte ich mich ans Trampen. Es war nicht einfach: Der meiste Verkehr kam aus der entgegengesetzten Richtung. Nach rund 30 Minuten hielt ein Sprinter an und nahm mich samt Gepäck durch den 5 Kilometer langen Tunnel mit.

Auf der anderen Seite begann die lange Abfahrt ins Tal Richtung Duschanbe. Unterwegs gab es noch viele weitere Tunnel – kürzer, aber nicht weniger gefährlich. Viele hatten Schlaglöcher, manche so groß und tief, dass ich beim Durchfahren fast stürzte. Die Dunkelheit in den Tunneln und die engen Fahrbahnen machten das Fahren zu einer Nervenprobe.

Doch die Landschaft, die sich vor mir ausbreitete, entschädigte für alles: Riesige grüne Berge, karge Felsen, dramatische Höhenunterschiede – Tadschikistan zeigte sich in seiner ganzen wilden Schönheit.

Am Abend, noch vor Sonnenuntergang, erreichte ich schließlich Duschanbe. Ich nahm mir ein Zimmer im bekannten Green House Hostel, einem beliebten Treffpunkt für Radreisende, die den Pamir befahren oder gerade von dort zurückkommen. Es war herrlich, endlich wieder unter Gleichgesinnten zu sein. Wir tauschten Geschichten, Tipps – und Lachen.

Später ging ich noch Nudeln essen. Dann fiel ich – vollkommen erschöpft, aber erfüllt – ins Bett.


Der Weg durch die malerischen Schluchten 


Ich machte Pause, und plötzlich liefen eine ganze Ziegenherde an mir vorbei. Ein tolles Erlebnis!

Es geht sehr steil bergauf. 

Die Aussicht von weit oben auf dem Berg.

Nach einem sehr starken Regenfall, als ich die Grenze von 2000 m überschritten hatte, und mir plötzlich sehr schnell kalt wurde, fand ich Unterschlupf in einem rastenden LKW, der direkt für mich die Heizung im LKW anmachte.

Nachdem es 5 Minuten aufgehört hatte zu regnen, machte ich mich wieder auf den Weg. Es fing natürlich danach direkt wieder an zu regnen. Davon lass ich mir aber nicht die Laune vergehen.

Vor dem Tunnel des Todes oben auf dem Pass auf über 2600m bei Regen und Kälte angekommen.

Die Aussicht oben vom Pass.

Tag 89

Begegnungen, Berge und Begeisterung – Mein erster Tag in Tadschikistans Inland

Am nächsten Morgen klingelte mein Wecker bereits um 7:00 Uhr. Eine halbe Stunde später klopfte Ozodbeks kleine Schwester an die Tür unseres Raumes und brachte uns das Frühstück: wieder Kompott, frisches Brot und Spiegelei – eine einfache, aber nahrhafte Mahlzeit, mit der ich gut in den Tag startete.

Meine Kleidung vom Vortag war noch klatschnass vom Dauerregen. Da sich dieser erst spät am Abend gelegt hatte, war bisher kaum etwas getrocknet. Heute jedoch zeigte sich die Sonne am Himmel, und so konnte ich die Sachen zumindest ein wenig antrocknen lassen, bevor ich sie wieder einpackte. Dann verabschiedete ich mich herzlich von Shohrux, Ozodbek und seiner Familie, die mir eine so warme und offene Gastfreundschaft entgegengebracht hatten. Wie so oft wurde bei der Verabschiedung noch mit jedem ein Erinnerungsfoto gemacht – ein schöner Brauch, der mich immer wieder ehrt. Anschließend begleiteten mich die beiden Jungs noch bis zur Hauptstraße, wo wir uns schließlich endgültig trennten.

Nun begann mein Weg ins bergige Inland Tadschikistans. Die Landschaft veränderte sich zunehmend: Es ging beständig bergauf – jedoch nicht in einem durchgehenden Anstieg, sondern in einem ständigen Auf und Ab, das insgesamt aber an Höhe gewann. Diese Abwechslung tat mir gut, denn sie machte die Strecke trotz der Steigungen kurzweiliger, auch wenn das ständige Auf und Ab körperlich durchaus fordernd war.

Was mich an diesem Tag besonders bewegte, waren die vielen spontanen Begegnungen unterwegs. Bei fast jeder Pause, die ich einlegte, bildete sich schnell eine Gruppe Neugieriger um mich – mit vielen Fragen, viel Interesse, manchmal aber auch mit einer Intensität, die meine Ruhephasen erschwerte. Doch gleichzeitig berührte mich die Herzlichkeit der Menschen tief: In jedem Dorf, durch das ich fuhr, wurde ich mit einem fröhlichen „Halooo!“ begrüßt – aus Gärten, von Schulkindern, von älteren Menschen am Straßenrand. Viele Kinder wollten mich abklatschen, und ich nahm mir die Zeit, so viele Hände wie möglich zu erwidern.

Diese Offenheit, dieses ehrliche Interesse – es war keine aufgesetzte Neugier, sondern eine spürbar herzliche Freude über meine Anwesenheit. Ich hatte das Gefühl, willkommen zu sein. Und mehr noch: Tadschikistan fühlte sich auf Anhieb besonders an. Vielleicht entwickelt sich dieses Land zu meinem bisherigen Favoriten auf der Reise. Mal sehen, was noch kommt.

Nach rund 120 Kilometern und über 1.600 zurückgelegten Höhenmetern war es an der Zeit, mein Nachtlager aufzuschlagen. Ich fand einen kleinen, geschützten Platz auf einem Felsvorsprung neben einer Brücke, direkt an einem rauschenden Fluss. Es war die einzige etwas abgelegene Stelle abseits der Straße – mit einer wunderschönen Aussicht.

Ich bereitete mir meine Nudeln zu, dehnte mich noch etwas, rollte meine Beine mit der Faszienrolle aus und fiel, erschöpft und voller Eindrücke, ins Zelt. Ein Tag voller Anstrengung, Begegnung – und Begeisterung.

Ich komme langsam in die Berge. Diese Abwechslung ist sehr gut.


Der Fluss schlängelt sich durch die Berge 

Was eine Aussicht, einfach krass!

 In den Schluchten mit dem Fahrrad unterwegs.

Ist das nicht ein magischer Schlafplatz ?

Ein besonderer Ort. Wer findet mein Zelt?

Tag 88

Ein Abschied im Regen: Von Samarkand nach Tadschikistan

Am heutigen Morgen hieß es für mich Abschied nehmen – und zwar nicht nur von Samarkand, sondern auch von Usbekistan. Nach einem letzten Frühstück in der Unterkunft packte ich meine Sachen, befestigte sie wie gewohnt am Fahrrad und machte mich auf den Weg. Doch bereits nach einem Kilometer bemerkte ich ein merkwürdiges Gefühl beim Fahren. Zunächst konnte ich es nicht genau einordnen, doch kurze Zeit später wurde mir klar: Ich hatte meine Lenkerfahrradtasche in der Unterkunft vergessen. Also kehrte ich um und holte sie – glücklicherweise lag sie noch unberührt an ihrem Platz.

Nun konnte die Etappe endgültig beginnen. Was ich allerdings nicht erwartet hatte: Es regnete. Nach Wochen voller Hitze und Trockenheit war das eine überraschende Wendung. Ein Einheimischer erklärte mir später, dass es in dieser Region meist genau einen Regentag im Mai gebe – bevor die Sommerhitze im Juni einsetzt. Und genau diesen Tag hatte ich mir natürlich ausgesucht. Typisch Nisse – kein Wetter auslassen.

Der Regen wurde rasch stärker, sodass ich nach etwa 20 Kilometern beschloss, mich vollständig zu regensichern. Ich zog Regenjacke, -hose, Schuhüberzüge und das Helm-Cape an. So blieb ich trotz der widrigen Bedingungen halbwegs trocken, auch wenn das Fahren bei strömendem Regen alles andere als angenehm war.

Nach etwa 40 Kilometern erreichte ich die usbekisch-tadschikische Grenze. Durch das schlechte Wetter schien auch die Motivation der Grenzbeamten gedämpft, sodass sie auf eine Kontrolle meines Gepäcks verzichteten. Mir war das nur recht. Die Abfertigung verlief insgesamt erfreulich zügig, und bereits nach einer halben Stunde hatte ich tadschikischen Boden unter den Füßen – bzw. unter den Reifen.

Doch der Regen machte auch hier nicht halt. Es war eine kleine Herausforderung, Pässe und Dokumente zu handeln, ohne dass sie komplett durchnässt wurden. Nach weiteren 15 Kilometern erreichte ich den Ort Bostondeh. Dort erspähte ich einen Bankautomaten, an dem ich mich mit ausreichend Bargeld versorgte – ein notwendiger Schritt, da in Tadschikistan, ähnlich wie in Usbekistan, bargeldloses Bezahlen eher die Ausnahme ist.

In einem kleinen Minimarkt, dem einzigen im Ort, kaufte ich ein paar süße Snacks – mehr gab das Sortiment nicht her. Wie so oft kam ich vor dem Laden mit neugierigen Einheimischen ins Gespräch. Einer von ihnen, Ozodbek, ein 17-jähriger Schüler, lud mich ein, bei ihm zu Hause Schutz vor dem Regen zu suchen und dort auch zu übernachten. Trotz der negativen Erfahrung in Usbekistan – als mir nach einer ähnlichen Einladung 100 Dollar gestohlen wurden – entschloss ich mich, ihm zu vertrauen. Seine offene und herzliche Art überzeugte mich, dem Ganzen noch einmal eine Chance zu geben.

Nach einer matschigen Fahrt durch den Ort kamen wir schließlich bei ihm zu Hause an. Dort wurde ich sofort mit Getränken und kleinen Speisen empfangen. Besonders auffällig war der Kompott, der in verschiedenen Variationen serviert wurde: Himbeerkompott mit Fladenbrot sowie Marillenkompott zum Trinken. Eine clevere Methode, um Obst haltbar zu machen – vor allem in Regionen, in denen moderne Kühlmöglichkeiten begrenzt sind.

Der Strom war im ganzen Dorf ausgefallen, auch bei Ozodbek. Er erklärte mir, dass die Leitungen oft nicht für große Wassermengen ausgelegt seien und das Regenwasser sich stauen würde, da es nur selten regne.

Nach dem Imbiss legte ich mich für zwei Stunden schlafen – mein Magen war weiterhin etwas gereizt und mein Puls höher als gewöhnlich. Die Ruhe tat gut.

Am Abend spielten wir Karten, bevor es erneut Essen gab. Wieder wurde Kompott serviert – diesmal mit Spiegelei und frischem Gemüse aus dem eigenen Garten. Danach zeigten mir Ozodbek und sein Freund Shohrux ihren Garten, der mich tief beeindruckte: ein großes Feld mit Kartoffeln, Tomaten, Gurken, sowie Marillen- und Apfelbäumen. Dazu Kühe und ein Kälbchen für die Milchversorgung, Hühner für die Eier. Die Familie lebte weitgehend autark und war kaum auf externe Lebensmittel angewiesen.

Als die Nacht hereinbrach, rollte ich meine Schlafmatte im Raum aus, in dem wir zuvor gegessen hatten, und schlief rasch ein – dankbar für die Gastfreundschaft, die Ruhe und einen Tag voller neuer Erfahrungen.


Eingeladen bei Ozodbek mit bestem Tajikischen Essen.


Sie haben auch einen Riesengarten mit verschiedenen Früchten, Hühnern, Schafen und Kühen gehabt. Alles, was man braucht, um Selbstversorger zu sein. Für den Winter haben Sie die Früchte aus dem Sommer eingelegt und so haltbar gemacht.

Tag 87

Ein Arbeitstag in Samarkand: Blogpflege, Registan und Magenbeschwerden

Heute Morgen gönnte ich mir etwas mehr Schlaf. Es stand kein Radfahren auf dem Plan, dafür aber einige Aufgaben, die ich bisher aufgeschoben hatte. Bereits am Vortag hatte ich die Kurzvideos der letzten Woche für meine Social-Media-Kanäle geschnitten und finalisiert. Heute widmete ich mich dem nächsten großen Punkt auf meiner Liste: der Aktualisierung meines Blogs für die vergangenen elf Tage.

Was zunächst einfach klingt, entpuppt sich schnell als aufwändige Arbeit. Die Tagebucheinträge müssen stilistisch überarbeitet, passende Bilder ausgesucht und anschließend alles Stück für Stück auf meiner Website eingefügt werden. Das kostet viel Zeit und erfordert Geduld.

Parallel sicherte ich meine Videoaufnahmen aus Usbekistan, die ich für zukünftige Dokumentationen aufheben möchte. Als ich schließlich alles abgeschlossen hatte, verspürte ich den Wunsch nach etwas Abwechslung – eine gute Gelegenheit, den Registan-Platz noch einmal in Ruhe zu besuchen. Da der Eintritt nicht ganz günstig ist, wollte ich mir nun wirklich Zeit für die Erkundung nehmen.

Die monumentalen Paläste und Medresen beeindruckten mich tief. Es ist ein Ort voller Geschichte und architektonischer Schönheit – ein Highlight meiner bisherigen Reise. Nach dem Besuch kehrte ich in meine Unterkunft zurück, denn es stand ein Online-Meeting mit dem Darmstädter Echo an. In dem Gespräch ging es um den nächsten Zeitungsbeitrag über meine Fahrradreise. Nach rund anderthalb Stunden war das Interview abgeschlossen.

Im Anschluss telefonierte ich mit einem guten Freund, den ich längere Zeit nicht gesprochen hatte. Die Pflege der Kontakte zu Freunden ist auf einer solchen Langzeitreise nicht immer einfach, aber umso wichtiger. Zum Glück bringen viele Verständnis dafür auf, dass ich unterwegs nicht jederzeit erreichbar bin.

Seit dem Morgen verspürte ich ein leichtes Unwohlsein im Magen. Ich vermutete, dass eine Falafelrolle vom Vortag nicht gut vertragen wurde. Das flaue Gefühl machte mich müde und bereitete mir leichte Kopfschmerzen. Deshalb legte ich am frühen Abend ein kurzes Powernap ein, bevor ich mich dem Abendessen widmete.

In der Unterkunft traf ich auch Vincent wieder – den deutschen Radreisenden, dem ich diese Unterkunft empfohlen hatte. Er war heute angekommen. Netterweise kochte er für uns beide ein einfaches, aber wohltuendes Gericht aus Hirse und etwas Gemüse. Das bekam meinem Magen deutlich besser.

Anschließend ging ich früh ins Bett, denn am nächsten Tag wollte ich meine Reise fortsetzen.

Registan Palast


Wundervolle Eingangsbereiche 

Auch mal entspannen und im Gras liegen.

Tag 86

Freier Tag in Samarkand: Free Walking Tour und Lichtshow am Registan

Am heutigen Morgen stand ich für einen Radfahrer-ruhetag relativ früh auf – um 7:30 Uhr, um pünktlich um 8:00 Uhr frühstücken zu können und um 9:00 Uhr am Treffpunkt der Free Walking Tour in Samarkand zu sein. Die Zeit hatte ich jedoch etwas unterschätzt, sodass ich etwa eineinhalb Kilometer joggen musste, um rechtzeitig anzukommen.

An der Tour nahmen neben mir drei Chinesen, ein Deutscher und ein Österreicher teil. Mit dem deutschen und dem österreichischen Teilnehmer, die zusammen reisten, verstand ich mich sofort sehr gut. Sie verbrachten einige Tage Urlaub in Usbekistan.

Die dreieinhalbstündige Tour war äußerst informativ. Besonders beeindruckten mich die prächtigen Moscheen und Mausoleen der Stadt. Nach der Tour kehrte ich gemeinsam mit den beiden deutschsprachigen Reisenden in ein Café ein, um bei einem Stück Kuchen eine kleine Pause einzulegen und mich von der langen Stadtführung zu erholen. Die Sonne schien an diesem Tag stark, jedoch hielt sich die Hitze mit angenehmen 30 Grad in Grenzen.

Im Anschluss besuchten wir zu dritt noch das Schahi-Sinda-Ensemble, eine Ansammlung zahlreicher Mausoleen an einem Ort. Wir fotografierten ausgiebig und bewunderten die beeindruckende Architektur. Danach trennten sich unsere Wege, und jeder von uns nahm ein Yandex-Taxi zu seiner Unterkunft. Zum Vergleich: Meine Fahrtstrecke von etwa fünf Kilometern bei einer Fahrzeit von rund 15 Minuten kostete inklusive Trinkgeld lediglich 70 Cent – ein wirklich erstaunlich günstiger Preis.

Zurück in meiner Unterkunft gönnte ich mir eine Pizza zum Abendessen. Danach putzte ich mein Fahrrad sowie meinen Riemen, den ich am nächsten Tag wieder einsprühen wollte. Dafür musste er zuvor gründlich gereinigt und über Nacht trocknen.

Im Anschluss schnitt ich zwei einhalb Stunden lang die täglichen Kurzvideos der vergangenen Woche. Später am Abend machte ich mich erneut auf den Weg, um pünktlich um 21:00 Uhr die Lichtshow vor der Madrese am Registan-Platz zu sehen. Dort hatten sich bereits viele Menschen versammelt.

Die Show war schlichtweg atemberaubend: Riesige, scharfe Projektionen wurden auf die historischen Gebäude geworfen und erzählten animiert die Geschichte der Seidenstraße, die Entstehung Usbekistans sowie die Entwicklung der Welt. Die Darbietung war äußerst professionell und beeindruckend.

Offenbar hatte ich die vorherige Vorstellung, die etwa 20 Minuten dauert, am Vortag verpasst und nur eine kleinere Lichtershow gesehen.

Während der Show sprach mich ein Usbeke an, der sein Deutsch verbessern wollte. Er erzählte, dass er seit acht Monaten Deutsch lernt und in Deutschland studieren möchte, um Lektor zu werden. Deshalb komme er jeden Abend an diesen Platz, wo viele Touristen und auch Deutsche sind, um mit ihnen zu sprechen und so seine Sprachkenntnisse zu festigen. Sein Deutsch war für die kurze Lernzeit bereits sehr gut und die Unterhaltung war weit mehr als nur einfache Grundlagen.

Lustigerweise hatte ich kurz zuvor bei einem Essen mit einem anderen Mann ein ähnliches Gespräch geführt, der ebenfalls nach Deutschland gehen will, um als Lektor zu arbeiten und aus diesem Grund seit Monaten Deutsch lernt. Ob ich da etwas verpasst habe oder warum so viele Usbeken diesen Beruf anstreben, kann ich nicht sagen. Auf jeden Fall finde ich es bemerkenswert, wie engagiert sie sind und wie schnell sie Fortschritte machen.

Zum Schluss traf ich die beiden deutschsprachigen Teilnehmer der Walking Tour wieder. Gemeinsam holten wir uns noch eine Falafelrolle und als krönenden Abschluss des Tages genoss ich ein Walnuss-Eis.


Ein gigantisches Mausoleum


Eine ganze Stadt voller Mausoleen und Gräber

Und das nächste Mausoleum mit schönster Architektur

Die Decken der Mausoleen sind reich beschmückt 

Nach dem vielen laufen in der Stadt ist eine Stärkung wichtig

Um 21:00 Uhr abends ist hier eine wirklich fantastische Projektionsshow. Dort wird die Geschichte der Seidenstraße, der Entstehung Usbekistans, der Entstehung der Menschheit und der Entstehung der Kontinente visuell aufbereitet. 

Die beleuchteten Mausoleen sind bei Nacht fast genauso schön, wie bei Tag.

Tag 85

Ankunft in Samarkand und Reparaturen am Fahrrad

Am nächsten Morgen stand ich erneut früh um 5:30 Uhr auf. Auch zu dieser Zeit waren bereits mehrere Menschen auf dem Feld, auf dem Trauben wuchsen, beschäftigt. Während ich meine Sachen zusammenpackte, gesellten sich die Leute von gestern sowie einige neue Personen hinzu. Einer der beiden sprach etwas Englisch, sodass ich kurz mit ihm sprechen konnte. Anschließend machte ich mich auf den Weg – noch etwa 85 Kilometer lagen bis nach Samarkand vor mir.

Leider blies auch heute wieder ein ungünstiger Gegenwind, der mich ständig bremste und viel Kraft kostete. Nach großem Durchhaltevermögen und vielen Mühen erreichte ich schließlich am Mittag mein Ziel. Ich steuerte ein vorab ausgesuchtes Hotel an, wo ich problemlos ein Zimmer erhielt. Als erste Amtshandlung nahm ich eine erfrischende Dusche.

Dabei bemerkte ich, dass an der gegenüberliegenden Seite der Gepäckträgerbefestigung am Fahrradrahmen unterhalb leichte Risse entstanden waren. Um einer Ausbreitung dieser Schäden vorzubeugen, beschloss ich noch am selben Tag, die Stelle schweißen zu lassen. Im Fahrradladen wurde die Reparatur zügig durchgeführt. Da dort jedoch kein Klarlack zur Verfügung stand, um die Schweißnaht vor Korrosion zu schützen, machte ich mich auf die Suche nach einer Autowerkstatt.

Eine erste kleinere Werkstatt hatte ebenfalls keinen passenden Lack vorrätig. Schließlich fand ich in einer größeren Werkstatt den benötigten Schutzlack und etwas Farblack. Zwischen den einzelnen Lackschichten musste ich mehrere Minuten warten, bis alles trocknete. Während dieser Wartezeiten kam ich mit den Autoreparaturmeistern ins Gespräch, die sehr interessiert an meiner Reise waren. Bevor ich die Werkstatt verließ, baten sie um ein gemeinsames Foto, das sie in ihrem Betrieb aufhängen wollten – eine große Ehre für mich.

Anschließend erkundete ich die Stadt auf eigene Faust und besuchte einen Friseur. Meine Haare waren seit meinem letzten Haarschnitt in Erzerum, Türkei, stark gewachsen. Der Friseur lieferte ausgezeichnete Arbeit ab, schnitt meine Haare und pflegte meinen Bart – besser als ich es erwartet hätte. Ich hatte im Vorfeld gezielt einen Friseur mit sehr guten Bewertungen ausgewählt.

Am Abend fand auf dem Registan-Platz, der von mehreren Mausoleen umgeben ist, eine Lichtshow statt. Diese war zwar nicht spektakulär, aber dennoch sehenswert. Voll neuer Eindrücke fiel ich auch an diesem Tag müde ins Bett.



In Samarkhand angekommen, habe ich gemerkt, dass auf der anderen Seite auch leichte Risse an der Aufhängung am Rahmen für den Gepäckträger sind. Das habe ich direkt schweißen lassen, damit es nicht wie auf der anderen Seite wird.


Der Registan-Platz

Sehr gewaltige Architektur

Brotöfen aus Lehm

Sehr schöne Verzierungen nach Minarett

Ein Hirtenstein ließ sich auch mal von Näherem Blicken

Die schöne Lichtshow am Registan Platz

Am Abend dann endlich noch mal bei einem Friseur nach langer Zeit

So sitzt die Frisur wieder, und der Bart ist gepflegt

Tag 84

Vertrauensbruch und eine unerwartete Begegnung am Schlafplatz

Am nächsten Morgen weckte ich Azizbek und ließ mich zu meinem Fahrrad fahren. Ich wollte meine Sachen wieder an ihrem Platz verstauen, bemerkte jedoch, dass mehrere Taschen durchwühlt waren. Am Vortag hatte er mir noch versichert, dass Überwachungskameras vorhanden seien und der Abstellplatz sicher sei. Diese Zusicherung erwies sich als trügerisch. Ich war verärgert, da ich nicht wusste, wer und aus welchem Motiv die Taschen durchsucht hatte. Glücklicherweise fehlte nichts Materielles, jedoch konnte ich 100 US-Dollar aus meinem Notgeld nicht mehr auffinden.

Die Möglichkeiten waren beschränkt: Entweder Azizbek selbst, jemand aus seiner Familie oder ein Fremder – wobei ich Letzteres für unwahrscheinlich hielt – hatte an meinen Taschen hantiert. Auf meine Konfrontation hin behauptete Azizbek, das Fahrrad sei umgefallen. Da ich es jedoch so abgestellt hatte, dass es kaum umfallen konnte, war ich überzeugt, dass er die Taschen durchsucht hatte. Enttäuscht und wütend über diesen Vertrauensbruch zog ich mich an, verabschiedete mich und setzte meine Reise fort. Diese unangenehme Erfahrung beschäftigte mich noch den ganzen Tag.

Das Fahrradfahren gestaltete sich erneut mühsam, da der Wind von vorne kam und viel Kraft kostete. Nach mehreren kurzen Pausen erreichte ich einen kleinen Supermarkt, wo ich ausreichend Wasser für die kommenden 2 bis 3 Kilometer kaufte, denn dort wollte ich mein Nachtlager aufschlagen. Ich fragte die Verkäuferin nach einem geeigneten Schlafplatz. Mithilfe von Google Translate erfuhr ich, dass sich in der Nähe ein schöner Fichtenwald befinden sollte. Allerdings fand ich keine derartige Vegetation vor.

So schlug ich mein Zelt am Rand eines Feldes auf, das am weitesten von den umliegenden Dörfern entfernt lag. Beim Aufbau wurde ich schnell bewusst, dass auf dem kleinen Kiesweg in Sichtweite meines Zeltes regelmäßig Autos vorbeifuhren und Passanten entlanggingen. Bald standen sieben Menschen um mich herum und versuchten, mit mir in Kontakt zu treten. Alle waren sehr interessiert und freundlich, doch ich war innerlich nicht in der Verfassung, mich voller Begeisterung auf Gespräche einzulassen. Nach dem Vertrauensbruch am Morgen brauchte ich Zeit für mich, um das Erlebte zu verarbeiten.

Trotzdem blieb ich höflich und offen, während ich parallel meine Abendroutine abschloss und mich ins Bett legte. Nach und nach verschwanden auch die neugierigen Besucher und kehrten in ihre Häuser zurück.

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Abschied von den beiden netten Jungs mit gemischten Gefühlen. Taschen durchwühlt und 100 $ weg. Ich ich glaube, es war der ältere der beiden, der neidisch auf meine ganzen Sachen war und dachte, dass 100 $ nicht auffallen, wenn sie verschwinden

Sehr architektonisch interessante Grabstätte

Ob ich wohl mit 10 l Wasser genug Wasser dabei habe? Es hat auf jeden Fall auch fürs Waschen gereicht.

Und natürlich blieb mein Zelt nicht lange unentdeckt, und ich bekam viel Bekanntschaft 

Tag 83

Ausflug zum Tudakul-See und Gastfreundschaft in Kizil-Tepe

Heute Morgen stand ich um 7:00 Uhr auf, packte meine Sachen und ging zum Frühstück. Nach einer ausgiebigen Mahlzeit machte ich mich mit dem Fahrrad von Buchara aus auf den Weg Richtung Samarkand. Leider blies der Wind erneut ungünstig, sodass ich starken Gegenwind hatte, was das Fahren sehr anstrengend machte. Nach etwa 55 Kilometern legte ich eine Mittagspause an einem kleinen Markt mit Imbiss ein. Dort wurde mir ein Essen mit mehreren Eiern, Salat und Brot zubereitet. Mehrere Jugendliche zeigten großes Interesse an meiner Reise. Einer von ihnen, Azizbek, 25 Jahre alt und Berufsfischer, lud mich ein, mit ihm zum nahegelegenen Tudakul-See zu fahren. Bei der Hitze erschien mir das als willkommene Abwechslung und eine besondere Erfahrung, gemeinsam mit den Einheimischen den See zu besuchen.

Ich packte die benötigten Sachen aus meinem Fahrrad und stellte es sicher in einem Lagerraum neben dem Kiosk ab. Anschließend fuhren wir mit einem Chevrolet Damas etwa eine halbe Stunde durch die Wüste, bis die Landschaft in der Nähe des Sees wieder grüner wurde. Kurz vor dem See machten wir einen Umweg über einen von der Polizei kontrollierten Weg, wo häufig Lastwagen unterwegs waren. Dort befanden sich auch einige Fischer. Am Bauwagen zweier Männer, die Fischhändler sind, kaufte Azizbek 30 Kilogramm Fisch. Der Polizist, der den Fischer kontrollierte, nahm zudem noch eine Zahlung entgegen, die er offenbar für sich behielt. Dies erschien mir zwar unfair, scheint hier jedoch üblich zu sein.

Nach der Abwicklung fuhren wir zum See. Dort erwartete uns ein weiterer Bekannter. Gemeinsam stiegen wir in ein motorbetriebenes Schlauchboot, das uns auf dem weitläufigen See mit hoher Geschwindigkeit über die Wellen jagte. Der Bootsführer zeigte eindrucksvoll seine Fahrkünste, sodass ich mich gut festhalten musste, um nicht ins Wasser zu fallen. Zwischendurch hielten wir an, sprangen ins Wasser und genossen die warme Sonne bei angenehmer Abkühlung. Anschließend setzten wir die Fahrt über den See fort, bevor wir zurückkehrten.

Der Bruder von Azizbek lud mich noch zum Schwimmen ein, dem ich gern nachkam. Nach dem Trocknen in der Sonne fuhren wir zurück nach Kizil-Tepe, wo mich die Gruppe sehr gastfreundlich mit Pizza, Eis und Getränken bewirtete. Diese Herzlichkeit hat mich tief beeindruckt.

Später fuhren wir noch mit Azizbek durch die Stadt. Dabei war ich mir nicht immer sicher, was er in den verschiedenen Restaurants geschäftlich erledigte. Er erklärte, dass er manchen Betreibern Geld leiht, was mir etwas dubios vorkam. Schließlich holten wir noch Nummernschilder für das neue Auto seines Vaters ab und befestigten sie mit meinem Fahrrad-Multitool.

Das Haus seiner Familie war ein großes Anwesen, das von außen wie ein Schloss wirkte. Innen jedoch war die Einrichtung recht heruntergekommen. Aufgrund der stickigen und heißen Luft im Inneren zog ich mich nach draußen zurück, wo ich bis 5:30 Uhr schlief.


Mit den beiden neuen Kumpels ab zum See mit einer Chevrolet Damas


Aus dem Auto heraus sieht man nun ausgetrocknete Seebereiche, die mal salzig und feucht waren

Am See angekommen sind wir erst mal mit dem Schlauchboot über den See gefetzt. Ich musste mich ganz schön festhalten, damit ich nicht beim Springen über die Wellen herausfalle.

Der kleinere Bruder der beiden Jungs war sehr interessiert an mir und was ich so im Leben mache

Dann ging es wieder mit dem Kleinbus in die Stadt

Was ein tolles Badeerlebnis mitten in der Wüste und bei totaler Trockenheit drumherum

Die eigenen Schafe der Familie, bei der ich untergekommen bin

Und dann noch ein nettes Gespräch mit dem 20 Jahre jungen Schäfer gehabt, der gerade englisch lernt und in Zukunft Pilot werden möchte. 

In dem riesigen Hauskomplex, dass wir einen Palast ähnelte, schlief ich die Nacht bei der Familie

Tag 82

Von Schweißnähten, Granatäpfeln und Hammam-Dampf – Ein produktiver Tag in Buxoro

Als ich morgens mein Fahrrad noch einmal genauer unter die Lupe nahm, entdeckte ich eine unschöne Überraschung: Eine der Halterungen des Gepäckträgers war aus dem Rahmen gebrochen. Das bedeutete, dass der Stahlrahmen an dieser Stelle beschädigt war – eine Reparatur war also dringend nötig, um größeren Schaden zu vermeiden.

Da mein Rahmen aus Stahl besteht, war mir zum Glück klar: Das lässt sich ohne Probleme schweißen. Nach dem Frühstück machte ich mich deshalb direkt auf den Weg zu einem Fahrradladen in Buxoro. Vorher telefonierte ich noch mit meinem Mechaniker des Vertrauens, der mir genau erklärte, worauf ich bei der Reparatur achten muss. Mit meinen Notizen im Gepäck ging ich in den besten Fahrradladen der Stadt und erklärte dort mein Problem.

Sie versicherten mir, dass das kein Problem sei – ich müsse nur kurz warten. Nach etwa einer halben Stunde war mein Fahrrad an der Reihe. Zunächst wurde die beschädigte Stelle vom Lack befreit, damit die Schweißarbeiten überhaupt möglich waren. Dann wurde das abgebrochene Teil mit Kabelbindern fixiert – Schrauben wären bei der Hitze des Schweißens im Gewinde festgeschmolzen. Ich war wirklich froh, dass hier jemand mit Sachverstand am Werk war. Der Mechaniker arbeitete sorgfältig, schweißte mehrere Lagen übereinander, flexte die Nahtstellen glatt und versiegelte alles mit mehreren Schichten Klarlack und schwarzem Lack. Nach rund einer Stunde war alles erledigt – und das für gerade einmal acht Dollar. Ich war erleichtert und konnte beruhigt zurück ins Hotel fahren.

Meine zweite Baustelle an diesem Tag war mein Geldbeutel. Der Reißverschluss hatte den Geist aufgegeben – einige Zähne waren kaputt. Statt ihn wegzuwerfen, wollte ich ihn nachhaltig reparieren lassen. Ich fand einen Schneider, der mir für ebenfalls acht Dollar einen komplett neuen Reißverschluss einnähte. Außerdem fügte er eine neue Innentasche mit einem hübschen Granatapfel-Print hinzu – ein Stoff, aus dem er auch Kleidung und Accessoires fertigte. Mir gefiel der Print so gut, dass ich mir gleich noch ein passendes T-Shirt dazu kaufte.

Direkt im Anschluss stand meine gebuchte Free Walking Tour an. Der Guide war super – charmant, witzig und voller spannender Informationen. Zusammen mit einer Engländerin, zwei Niederländern und mir führte er uns durch Moscheen, Mausoleen und die beeindruckende Altstadt. Wir verstanden uns alle auf Anhieb richtig gut, und am Ende der Tour wurde viel gelacht und gewitzelt.

Danach zog es mich noch einmal in den Park an der Stadtmauer. Dort hörte ich viele Rabenkrähen, die gerade ihre Jungtiere fütterten. Drei kleine Ästlinge saßen noch unbeholfen auf der Wiese, und immer wieder flogen die Eltern heran, um sie zu versorgen. Auch wenn ich nur mein Weitwinkel dabei hatte, konnte ich ein paar schöne Porträts machen. Es war schön zu sehen, dass ich sogar auf dieser Reise meiner Leidenschaft für die Naturfotografie nachgehen konnte. Auf dem Rückweg bemerkte ich in einigen Bäumen die Schlafplätze von Hirtenstaren – laut, lebhaft und, sagen wir mal… nicht gerade sauber.

Als es dunkler wurde, stand noch mein morgendlicher Termin im Hammam an. In einem traditionellen usbekischen Hammam ließ ich mich massieren, auf heißen Steinen entspannen und ordentlich abschrubben. Nach den letzten kräftezehrenden Etappen war das genau das Richtige. Im Vergleich zum türkischen Hammam fiel mir auf, dass die Massage hier deutlich intensiver war und der Stein spürbar heißer – eine Sauna gab es hingegen nicht.

Zurück in der Stadt besorgte ich mir noch einen kleinen Snack und fiel dann müde, aber zufrieden ins Bett. Ein Tag voller Reparaturen, Entdeckungen und Entspannung – Buxoro hatte heute alles zu bieten.


Beim Zusammenschweissen des heraus gebrochenen Gepäckträgergewindes am Rahmen 


Reparatur meines Geldbeutels, aus Nachhaltigkeitsgründen, da ich mir keinen neuen kaufen möchte. Mit noch zusätzlich eingenähter Granatapfel-Kartentasche

Gewaltiges Mausoleum 

Gigantische Architektur 

Eine sehr alte und verzierte Moschee

Wiedehopf in Gräberstädte auf Futtersuche

Am Abend noch im Usbekischen Hammam. Die Massage und der heiße Stein, auf den man sich legt hat sehr gut getan.

Tag 81

Kampf gegen den Wind – Ankunft in Buxoro

Auch am heutigen Morgen hieß es wieder früh aufstehen. Noch vor Sonnenaufgang saß ich auf dem Rad und fuhr direkt hinein in den neuen Tag. Leider machte mir der Wind heute ordentlich zu schaffen. Ein zäher, stetiger Gegenwind blies mir frontal ins Gesicht, was das Vorankommen zur echten Geduldsprobe machte. Kilometer um Kilometer arbeitete ich mich langsam vorwärts – die Landschaft war dabei recht eintönig, was das Ganze nicht unbedingt leichter machte.

In solchen Momenten hilft nur eines: Musik auf die Ohren und den Kopf frei bekommen. Das funktionierte zum Glück auch heute wieder erstaunlich gut. Mit der richtigen Playlist konnte ich mich motivieren und den Fokus bewahren.

Am Nachmittag drehte der Wind dann zu meiner Erleichterung endlich – ein leichter Rückenwind schob mich voran und machte die letzten Kilometer deutlich angenehmer. So konnte ich nach einem kräftezehrenden Vormittag tatsächlich noch Buxoro (Buchara) erreichen.

Dort angekommen, checkte ich in einem Hotel ein und machte mich gleich zu Fuß auf, die Umgebung zu erkunden. Die Altstadt mit ihrem orientalischen Flair wirkte nach der eintönigen Wüstenetappe wie ein kleiner Kulturschock – aber ein sehr willkommener.

Zum Abendessen gönnte ich mir im italienischen Restaurant eine große Portion Pasta und eine herrliche Pizza Quattro Formaggi – ein echter Genuss nach diesem strapaziösen Tag.

Müde, satt und zufrieden freute ich mich dann einfach nur noch auf mein weiches Bett – wohlverdient nach rund 120 Kilometern im Kampf gegen den Wind.


Bei Morgenröte um 5:00 auf dem Rad durch die Wüste 


Leider mit Gegenwind auf der Straße 

Tausende von diesen Heuschrecken wurden heute von den Autos auf der Straße platt gefahren 

Den Japaner, den Giovanni und ich in Beineu im Hostel kennen gelernt haben, ist mir zufällig über die erste Straße in Buhara über den Weg gelaufen. Ein mega Zufall.

O shit. Das Gewinde im Rahmen, dass den Gepäckträger a das Fahrrad hält, ist komplett aus dem Rahmen herausgebrochen. Darum muss ich mich morgen kümmern!

Lecker Nudeln und Pizza im fancy Restaurant essen.

Bei Abend angestrahlte Moschee in Buhara

Auch Mausoleen gibt es reichlich

Sehr schöne Usbekische Feuerwehrautos

Tag 80

Begegnungen in der Wüste – ein Tag voller Menschlichkeit
 
Heute Morgen klingelte mein Wecker bereits um 4:45 Uhr – nötig, denn der Tag sollte wieder extrem heiß werden. Zum Glück musste ich nur noch mein Fahrrad kurz fertig packen, und schon konnte ich starten. In der kühlen Morgendämmerung loszuradeln, war ein Genuss. Nur wenige Kilometer später, gegen 5:15 Uhr, ging die Sonne auf. Die Magie dieses frühen Morgens war unbeschreiblich – alles lag still, und der Horizont glühte langsam auf. 
 
Nach rund 50 Kilometern legte ich meine Frühstückspause ein. Danach schwang ich mich wieder auf den Sattel und setzte meinen Weg durch einen weiten Wüstenabschnitt fort – mitten im Herzen Usbekistans. Insgesamt zieht sich dieses Wüstenstück über etwa 280 Kilometer. Glücklicherweise gab es immer wieder kleine Cafés oder Minimärkte, an denen ich meine Wasservorräte auffüllen und Snacks kaufen konnte. 
 
An einem dieser Stopps kam ein Reisebus mit deutschen Touristen an. Als sie mich sahen, waren sie direkt fasziniert. Ich kam mit vielen von ihnen ins Gespräch und erzählte, soweit es in der kurzen Zeit möglich war, ein wenig von meiner bisherigen Reise. Ihre Begeisterung war ansteckend. 
 
Später, an einem kleinen Kiosk, traf ich auf eine Reisegruppe aus Sri Lanka. Auch sie waren sehr neugierig und wollten unbedingt Fotos mit mir machen. Einige motivierten mich direkt dazu, Sri Lanka einmal zu bereisen. Ich musste ein wenig schmunzeln und erklärte, dass ich mich nun erst einmal auf diese Tour konzentriere – aber wer weiß, was in Zukunft noch alles möglich ist. 
 
Nach 140 Kilometern und erneut sehr viel Gegenwind erreichte ich schließlich eine Stelle mit einigen kleinen Marktständen. Davor standen traditionelle usbekische Liegen, die sowohl für kurze Pausen als auch zum Übernachten genutzt werden können. Ich machte es mir auf einer davon gemütlich und richtete meinen kleinen Schlafplatz ein. 
 
Bevor ich mich zur Ruhe legte, kochte ich mir noch ein paar Nudeln auf meinem Campingkocher – nach so einem Tag braucht der Körper wieder Energie. Am Abend kamen dann noch zwei LKW-Fahrer dazu, mit denen ich mich über Google Translate länger unterhielt. Einer von ihnen wohnt hinter Taschkent – vielleicht werde ich ihn dort sogar wiedersehen. Diese Offenheit, Freundlichkeit und echte Neugier der Menschen berührt mich jedes Mal aufs Neue. 
 
Da mein Lagerplatz direkt an der Hauptstraße lag, nutzte ich Schlafmaske und Ohrstöpsel – ohne sie hätten mich die hellen Lichter der LKWs, das Gehupe und das Anfahren hinter der Polizeikontrolle sicher um den Schlaf gebracht. So jedoch schlief ich erstaunlich gut ein – dankbar für die vielen schönen Begegnungen des Tages. 


Meine Aussicht in die Wüste 


Tierische Freunde 

Sand, Sonne, Wind und Asphalt

Am heutigen Schlafplatz angekommen 

Meine heutige Kochstation 

Überall diese Heuschrecken 

Schlafplatz auf dieser Liege direkt an der einzigen Wüstenstrasse

Tag 79

Von der Sandpiste zurück zum Fluss – Hitze, Staub und ein Naturparadies
 
Am nächsten Morgen setzte ich meine Reise fort. Nach einem recht spartanischen Frühstück machte ich mich auf den Weg zur Straße Richtung turkmenischer Grenze, die mich zurück auf die Hauptstraße führen sollte. Doch bereits nach wenigen Kilometern bereute ich meine Entscheidung – die Straße war in einem katastrophalen Zustand. Über fast 90 Kilometer musste ich mich durch tiefe Schlaglöcher und zerfurchte, bröckelnde Asphaltreste kämpfen. Es war anstrengend und forderte höchste Konzentration, um nicht vom Rad geschleudert zu werden. 
 
Umso erleichterter war ich, als ich endlich die Hauptstraße erreichte, die in Richtung Buchara führte. Trotz der großen Hitze und Temperaturen von über 37 Grad wehte ein angenehmer Wind. So schaffte ich an diesem Tag weitere 60 Kilometer. Kurz bevor die Sonne unterging, kehrte ich in ein kleines Restaurant ein, um mir etwas zu trinken zu holen. Dort wurde mir spontan eine Übernachtungsmöglichkeit angeboten – das passte perfekt, denn ich wollte sowieso in der Nähe des Amudarja-Flusses übernachten, der sich nur zwei Kilometer entfernt durch die Wüste schlängelte. 
 
Ich nahm das Angebot gerne an und bekam zunächst die Gelegenheit, mich zu waschen. In einem Eimer mit warmem Wasser konnte ich mich ganz in Ruhe mit einer Schöpfkelle reinigen – eine Wohltat nach der staubigen und heißen Etappe. Auch meine durchgeschwitzten Radsachen wusch ich aus und hängte sie in die glühende Spätnachmittagssonne – bei diesen Temperaturen trocknet alles in Windeseile. 
 
Da ich unbedingt noch zum Fluss wollte, machte ich mich mit meiner Kameraausrüstung auf den Weg. Nach einem kurzen Marsch von zwei Kilometern erreichte ich die Uferzone mit ihren angrenzenden Seen. Das Leben dort pulsierte. Ich konnte viele Vögel beobachten: Nachtreiher, verschiedene Seeschwalben, Stelzenläufer, zahlreiche Limikolen – und sogar wieder einen Blauwangenspint. Auch die Insektenwelt war aktiv, und überall quakten Frösche. In dieser friedlichen Naturkulisse genoss ich die letzten Sonnenstrahlen und beobachtete, wie sich der Tag in die blaue Stunde verabschiedete. 
 
Auf dem Rückweg zum Restaurant verlief ich mich leicht, da ich das Haus vom Weg aus nicht erkennen konnte – es lag etwas versteckt am Hang. Ich kam etwa 500 Meter oberhalb des eigentlichen Wegpunkts wieder heraus. Aber der Umweg hatte auch sein Gutes: Ich entdeckte viele kleine Käfer, eine Wüstenschlange und weiteres spannendes Getier, das im Sand lebte. 
 
Wieder am Restaurant angekommen, wurde mir kostenlos ein warmes Abendessen serviert. Ich konnte richtig entspannen. Zum Schlafen wurde mir ein separater Raum mit einer einfachen, dünnen Matratze auf dem Boden angeboten – mehr brauchte ich nicht. Zufrieden und voller Eindrücke schlief ich ein. 


Gebetshaus hinter bunten Mauern 


Vor verschlossenen Schranken 

Übergang zwischen Grünwuchs und Wüste 

Fans von mir aus Sri-Lanka getroffen 

Klamotten gewaschen und von der Wüstensonne trocknen lassen.

Am Ende des Wüstenflusses Sonnenuntergang genießen 

Ich bin glücklich 

Kleine Löcher im Wüstensand. Wer hier wohl wohnt ?

Viele Krabbelkäfer sind am Abend aktiv 

Meine erste lebendige Schlange in der Wüste

Tag 78

Von Pause, Sandsturm und Staubpiste – ein Kontrasttag in Xiva und auf dem Weg zum Amudarja

Heute war ein Pausentag in Xiva angesagt. Die letzten beiden Nächte hatte ich jeweils nur fünf bis sechs Stunden geschlafen – mein Körper verlangte also dringend nach Erholung. Dass daraus allerdings 13,5 Stunden Schlaf wurden, hätte ich nicht gedacht. Als ich um 14:30 Uhr aufwachte, konnte ich die Uhrzeit erst kaum glauben. Auch das Frühstück, das nur bis 10 Uhr serviert wurde, hatte ich damit natürlich verpasst. Also musste ich meine Tagespläne etwas beschleunigen.

Zuerst stand der Kauf einer neuen SIM-Karte an. Meine bisherige eSIM war einfach viel zu langsam – mit dem Ucell-Netz erhoffte ich mir besseren Empfang. Danach nutzte ich die verbleibende Zeit, um mir die Sehenswürdigkeiten Xivas genauer anzusehen. Besonders faszinierend fand ich die vollständig aus Lehm gebaute Stadtmauer. In einem angrenzenden Park hörte ich viele Rabenkrähen rufen und entdeckte schließlich auch einige Ästlinge – also junge Krähen, die gerade ihr Nest verlassen haben und am Boden noch von ihren Eltern gefüttert werden. Ich hatte zwar nur mein Weitwinkelobjektiv dabei, aber weil die Jungvögel keinerlei Scheu zeigten, konnte ich trotzdem ein paar schöne Aufnahmen machen. So begleitet mich die Vogelfotografie auch auf dieser Reise, ganz ohne Teleobjektiv.

Anschließend besuchte ich die Altstadt mit ihren zahlreichen Moscheen, Minaretten, Grabstätten und Tempeln. Für rund sieben Euro stieg ich auf eines der Minarette – von oben bot sich mir ein weiter Blick über die Stadt. Der blaue Himmel war jedoch hinter einem dichten Sandsturm verborgen, der eine feine Staubschicht über alles legte.

Später ruhte ich mich auf einer traditionellen usbekischen Sitzgelegenheit aus. Plötzlich erklang laute Musik – in der Altstadt begann eine Tanzvorführung junger Einheimischer in traditionellen Gewändern. Viele Zuschauer, darunter auch ich, versammelten sich, feuerten an und genossen die ausgelassene Stimmung. Es war berührend zu sehen, wie selbstbewusst die Jugendlichen ihre Kultur präsentierten – mitten zwischen all den Touristen.

Am Abend traf ich mich mit zwei Deutschen, die ich schon in Beineu kennengelernt hatte. Sie waren ebenfalls in Xiva angekommen und wir kehrten in das Restaurant ein, in dem ich auch am Vorabend gegessen hatte. Gemeinsam verbrachten wir einen schönen Abend und wurden sogar mit einer Live-Musikdarbietung überrascht – ein anderer Tisch hatte Musiker gebucht, und wir durften kostenlos zuhören.

Zurück im Hostel machte ich mein Rad noch etwas sauber, schmierte den Riemen mit Silikonspray und packte meine Sachen für die nächste Etappe. Am nächsten Morgen ließ ich es ruhig angehen, da ich spät ins Bett gekommen war. Nach einem einfachen Frühstück ging es wieder los – zurück zur Hauptstraße, auf 90 Kilometern kaputter, zerfurchter Strecke, die man kaum noch als Straße bezeichnen kann. Ich schlängelte mich Richtung Nordosten, in Richtung der turkmenischen Grenze. Ab Kilometer 90 wurde die Straße dann schlagartig besser – ich fuhr die restlichen 65 Kilometer zügig bis zum nächsten Dorf am letzten Zipfel des Flusses Amudarja.

Dort war ich dann wirklich erschöpft. Als ich in einem kleinen Restaurant nur nach Wasser fragte, bot man mir gleich eine Übernachtungsmöglichkeit an – ein echtes Geschenk. Ich wusch mich dort mit einem Eimer Wasser und einer Kelle – mit Wasser wird hier sehr sparsam umgegangen. Auch meine Radkleidung konnte ich notdürftig per Handwäsche von den Salzrückständen des Schweißes befreien.

Da ich eigentlich noch an den Fluss wollte, ließ ich Fahrrad und Schlafsachen in der Unterkunft und machte mich zu Fuß auf – ein Spaziergang von zwei Kilometern bis zum großen Amudarja. Dort erwartete mich eine wunderschöne Szenerie. Ich konnte meinen ersten Blauwangenspint beobachten, der zur Familie der Bienenfresser gehört, sowie Stelzenläufer und einige Limikolen. Im Licht der untergehenden Sonne trat ich den Rückweg an. Kurz verlor ich ein wenig die Orientierung, fand aber im Dunkeln doch wieder zur Unterkunft zurück. Unterwegs begegnete mir noch eine kleine Schlange und einige flink huschende Käfer.

In der Unterkunft wurde mir zum Abschluss noch eine leckere Nudelsuppe serviert – dann war der Tag geschafft und ich fiel müde ins Bett.


Minarett in der faszinierenden Altstadt


Aussicht aus einem Minarett mit Aussicht auf die Altstadt von Xiva

Bekannstachaft mit einem netten Usbeken gemacht.

Tag 77

Ein Umweg nach Xiva – Begegnungen, Hitze und ein lohnendes Ziel

Auch an diesem Morgen stand ich wieder früh auf und kam um 6:30 Uhr los. Gerade einmal fünf Kilometer gefahren, traf ich einen Baustellenarbeiter, der an der Bahnlinie arbeitete. Wir unterhielten uns sehr nett – er war sichtlich interessiert an meiner Reise und daran, was ich mit dem Fahrrad hier mache.

Nur zwei Kilometer weiter, kurz vor der großen Straße, sprang plötzlich eine Gruppe von sieben Männern aus einem Daewoo Damas – diesen kleinen Kastenwagen, die hier überall unterwegs sind. Sie machten jede Menge Fotos mit mir, boten mir ihre Gastfreundschaft für meinen Aufenthalt in Samarkand an und verschwanden dann wieder, um die Straße zu vermessen. Diese spontane Begegnung hat mich einmal mehr begeistert – es ist einfach schön, wie freundlich und offenherzig die Menschen hier sind.

Einer der Männer empfahl mir, nicht der direkten Straße zu folgen, sondern einen Schlenker über Xiva zu machen. Ich nahm den Tipp an und bog nach etwa 30 Kilometern von der Hauptstraße in Richtung Stadt ab. Die Straßen wurden allerdings zunehmend schlechter – je weiter ich fuhr, desto holpriger, kaputter und anstrengender wurde die Strecke. Eigentlich hatte ich nicht vor, die gesamte Etappe bis Xiva noch heute zu fahren, entschied mich dann aber doch dazu, durchzuziehen.

Bei der Hitze musste ich einige kürzere Pausen einlegen. Gegen 17:00 Uhr kam ich schließlich in Xiva an – mit 150 gefahrenen Kilometern in den Beinen. Google Maps schickte mich zunächst an einen falschen Ort, wo angeblich ein Hotel sein sollte. Leider lag es genau auf der anderen Seite der Stadt. Da ich keine Lust mehr auf weitere zehn Kilometer hatte, nahm ich ein Einzelzimmer in einem nahegelegenen Hostel. Es lag zudem deutlich näher an der Altstadt.

Nach einer gründlichen Dusche – Sonnencreme, Schweiß und Staub hatten sich gut angesammelt – machte ich mich auf, die beeindruckende Altstadt zu erkunden. Die historische Architektur war wirklich atemberaubend. Am Abend gönnte ich mir einen Kuchen und frischen Karottensaft in einem kleinen Café, bevor ich in einem Restaurant noch gefüllte Teigtaschen mit Pilzen und Ei bestellte – eine usbekische Spezialität, die meistens mit Fleisch serviert wird, hier aber auch vegetarisch angeboten wurde.

Vollkommen erschöpft, aber zufrieden, fiel ich schließlich ins Bett.


Foto mit den Straßen Vermessungsarbeitern, die sehr interessiert waren 


Ein sehr interessanter Berg in der Wüste

Interessante Ortsnamen

Ästhetische Stadttore im Niemandsland

Baby- Gottesanbeterin trampt bei mir mit.

In Xiva angekommen 

Im stylischen Caffé 

Altstadt im Dunklen 

Schöne Stimmung am Abend 

Tag 76

Ein grünes Paradies zwischen Wüste und Fischteichen

Heute Morgen stand ich um 4:45 Uhr auf, packte die letzten Sachen und schnallte alles ans Fahrrad. Die angenehmen Temperaturen in der Morgendämmerung machten das frühe Losfahren richtig schön. Nach 50 km frühstückte ich gegen 8:30 Uhr am Straßenrand im Grünen.

Weiter ging es für mich durch Nukus. Nach 100 km legte ich eine weitere Pause ein und unterhielt mich mit ein paar Einheimischen. Leider verstanden sie mich oft nicht richtig, und Google Translate hat auf Usbekisch keine Vorlesefunktion. Als ich mehrfach versuchte zu fragen, ob es im nächsten Dorf einen Markt für Wasser gibt, konnte mir niemand helfen. Ich war mir aber sicher, dass es dort irgendwo einen kleinen Laden geben musste – zur Sicherheit nahm ich genug Wasser mit.

Nach 150 km erreichte ich schließlich das Dorf am Fluss Sarybay und kaufte dort noch einen 5-Liter-Kanister. Da ich am nächsten Morgen früh los wollte und der Laden erst um 8:00 Uhr öffnete, war ich nun mit 12 Litern Wasser gut vorbereitet.

Hinter dem Dorf ging es auf kleineren Wegen weiter – vorbei an spielenden Kindern im Wasser – bis zu einer Stelle, die ich spannend fand. Und tatsächlich: eine wunderschöne grüne Oase mit Fischteichen. Noch eben war ich in der Wüste, jetzt war ich umgeben von Wasser, Schilf, Insekten und einer aktiven Vogelwelt. Ich konnte Seeschwalben, Nachtreiher, Bienenfresser, Eisvögel, Stelzenläufer und viele Käfer beobachten. Die turkmenische Grenze war von hier nur etwa drei Kilometer Luftlinie entfernt.

Ein Bauer, der seine Kühe an den Teichen hatte, nahm mich ein Stück mit durch die Natur. Danach kochte ich mir Nudeln und genoss die Aussicht auf dieses grüne Archipel. Obwohl ich teilweise bei 40 °C unterwegs war, war es durch die Wolken erträglich – trotzdem spürte ich die Anstrengung.

Gerade als ich mich gedehnt hatte und ins Bett gehen wollte, kam ein Auto vorbei. Im Wagen saß der Eigentümer des Reservats. Er bat mich, mein Zelt auf einem anderen Teil seines Grundstücks aufzubauen. Erst war ich zögerlich, wollte dann aber auch die Gastfreundschaft nicht ausschlagen – und es war ja sein Gelände. Also packte ich zusammen, ging etwa 300 Meter weiter und bekam dort direkt Essen serviert: Hackfleisch, Tomaten und Gurken. Auch hier setzte ich meine vegetarischen Prinzipien mal außer Kraft – Teil der kulturellen Erfahrung.

Wodka wurde mir ebenfalls mehrmals angeboten, doch ich lehnte dankend ab. Ich trinke kaum Alkohol, und so etwas würde mich direkt umhauen. Für die russisch geprägte Region ist es jedoch völlig normal, abends gemeinsam eine Flasche zu leeren. Später kam noch ein zweiter Herr dazu, die beiden saßen zusammen, während ich etwas abseits die Stimmung genoss.

Die Menschen waren wieder unglaublich herzlich und hilfsbereit. Um mich herum quakten die Frösche, die Natur kam langsam zur Ruhe – und ich schlief bald in dieser friedlichen Atmosphäre ein.


Statuen in der Wüste


Lange Straßen in der Wüste

Zug durch die Wüste

Voll bepackt mit 12 l Wasser in einer grünen Oase an der Wüste 

Abendessen mit Nudeln am See machen 

Eisvogel in Baum am See am Jagen 

Seeschwalben am Himmel beim Jagen 

Von den beiden netten Usbeken in der Natur zum Essen eingeladen.

Traktorscheninwerfer als Lampen Licht, geht auch 

Tag 75

Ein entspannter Tag im Hostel – neue Bekanntschaften und etwas Alltag

Nach vier weiteren Stunden Schlaf war ich wieder fit. Am Morgen musste ich mir zunächst Bargeld in der usbekischen Währung SOM besorgen. Als ich den Hostelbetreiber fragte, wo der nächste Geldautomat sei, bot er mir direkt an, mich mit dem Auto dorthin zu fahren – wirklich sehr freundlich. Wir fuhren gemeinsam los, und ich hob 1 Million SOM ab, was etwa 70 € entspricht. Damit konnte ich dann auch gleich die erste Nacht im Hostel bezahlen.

Auf dem Rückweg hielten wir noch an einem kleinen Markt, wo ich mir ein paar Utensilien fürs Frühstück kaufte. Zurück in der Unterkunft gönnte ich mir erst einmal eine ausgiebige Dusche – nach der schweißtreibenden Zugfahrt ohne Klimaanlage war das eine wahre Wohltat.

Wie schon erwartet, war das Frühstück im Hostel recht übersichtlich: drei Spiegeleier, etwas Fladenbrot und warmer Tee – das war’s. Mit meinen eigenen Vorräten ergänzte ich das Ganze um ein Müsli und etwas Erdnussbutter auf Brot.

Später lernten Vincent, Giovanni und ich einen weiteren Reisenden im Hostel kennen: Patrick Keller, der unter dem Namen The Great Zickzack zu Fuß um die Welt reist und seine große Instagram-Community daran teilhaben lässt. Wir unterhielten uns lange mit ihm – es war inspirierend, all die unterschiedlichen Reisegeschichten zu hören, die jeder von uns im Gepäck hatte.

Den restlichen Tag verbrachte ich damit, meinen Blog auf den neuesten Stand zu bringen und die Veröffentlichung meiner nächsten Kurzvideos vorzubereiten. Viel mehr geschah an diesem Tag nicht. Am Abend saßen wir noch lange zusammen und unterhielten uns, nur Giovanni war schon früher mit dem Bus nach Urganch weitergefahren.

Ich packte meine Sachen so gut wie vollständig zusammen, damit ich am nächsten Morgen wieder früh starten konnte.


Frühstück im Hostel und Tag 1 in Usbekistan 


Tag 74

Grenzformalitäten, Gleise und gespannte Nerven

Heute Morgen wachte ich gut ausgeschlafen in einem angenehm temperierten Zimmer auf. Endlich einmal keine Hitze beim Aufwachen – ein kleiner Luxus nach den letzten Tagen in der Wüste. Ich packte in Ruhe meine Sachen für die Grenzüberschreitung nach Usbekistan, schnitt noch schnell ein paar meiner Videos zu Ende und machte mich mit Sack und Pack auf den Weg zur Bahnstation.

Dort wartete ich in der Hitze auf den Zug. Vincent – der andere deutsche Radreisende – war inzwischen auch wieder dabei, ebenso wie Giovanni aus Italien. Gemeinsam verstauten wir unsere Räder und Taschen in einem Abteil. Das Einladen der gesamten Ausrüstung kostete mich viele Nerven: Fahrräder, Taschen, Trinkwasser, Proviant – alles musste seinen Platz finden. In dem engen Zugabteil war das ein ziemlicher Kraftakt und ziemlich stressig.

Unsere Pässe wurden mehrfach kontrolliert: von der kasachischen Bahn, der Polizei und sogar vom Militär. Dann setzte sich der Zug gemächlich in Bewegung und schaukelte mit etwa 60 km/h durch die weite Wüste.

An der Grenze zu Usbekistan kam der Zug zum Stillstand – für ganze zwei Stunden. Das usbekische Militär durchkämmte den Zug akribisch: mit Spiegeln an langen Stangen, ähnlich wie Selfie-Sticks, suchten sie unter den Sitzen nach Schmuggelware. Auch wir wurden überprüft. Vincent und ich mussten unsere Fahrradtaschen öffnen – zum Glück aber nur die, die direkt am Rad befestigt waren. Die großen Packtaschen blieben verschont. Hätten wir auch die noch auspacken müssen, wäre das komplette Chaos ausgebrochen.

Immer wieder setzten sich Grenzbeamte und Polizisten zu uns ins Abteil und begannen Gespräche. Es fühlte sich teils etwas gezwungen an – wir versuchten natürlich, einen möglichst guten Eindruck zu hinterlassen. Wahrscheinlich war das eine Mischung aus Neugier, Kontrolle und Smalltalk.

Da der Zug ein Schlafwagen war, klappten wir abends die Betten aus. Es war heiß, die Luft stand im Abteil, aber trotzdem gelang es mir, einigermaßen gut zu schlafen. Vincent und Giovanni hatten leider weniger Glück – ihnen machte die Hitze deutlich mehr zu schaffen.

Gegen 2:00 Uhr nachts erreichten wir schließlich Kungrad. Müde, verschwitzt und etwas durch den Wind luden wir wieder unsere Räder und Taschen aus. Direkt gegenüber vom Bahnhof fanden wir ein einfaches Hostel, wo wir sofort eincheckten. Ohne viele Worte fielen wir in die Betten – erschöpft, aber erleichtert, dass die Grenzprozedur hinter uns lag und ein neues Kapitel unserer Reise beginnen konnte.


Marktplatz von Beineu


Autos in Kasachstan 

Ausblick aus dem Zug 

An der Usbekischen Grenze warten 

An der Grenze mit Usbeken Bekanntschaft machen.

Nachts um 2:00 in Kungrad in Usbekistan angefangen 

Tag 73

Grenzen, Gegenwind und kleine Glücksmomente

Der Wetterbericht versprach wieder über 35 °C, also stellte ich mir den Wecker diesmal auf 5:00 Uhr. Ich aß eine Kleinigkeit und saß pünktlich um 6:00 Uhr auf dem Fahrrad – bei noch angenehmer Wärme. Dieser Plan ging gut auf: Nach anderthalb Stunden und rund 30 Kilometern erreichte ich das nächste Dorf, auch wenn mich starker Seitenwind auf den letzten Kilometern über einen holprigen Schotterweg begleitete.

Laut Google Maps sollte es dort zwei Supermärkte geben – doch an den eingetragenen Orten fand ich nur verlassene Betonbauten. Kein Leben, keine Lebensmittel. Ich fragte ein Schulkind, das gerade auf dem Weg zur gegenüberliegenden Schule war, wo ich Wasser und ein bisschen Essen bekommen könnte. Es sagte mir, ich solle einfach in einem Haus nachfragen, jemand würde dann den Kiosk öffnen. Leider zeigte es mir aber nicht, welches Haus es meinte – und verschwand.

Das nächste Kind war etwas älter, sprach ein wenig Englisch und klopfte freundlicherweise bei der richtigen Frau. Diese sagte mir, der Kiosk öffne erst in 40 Minuten – zu lang, um in der zunehmend drückenden Hitze zu warten. Doch sie schickte ihre Tochter, kaum sieben Jahre alt, mit mir los. So bekam ich einen 5-Liter-Kanister Wasser und ein paar Lebensmittel – genug, um die nächsten 90 Kilometer bis Beineu durchzustehen.

Auf dem Weg dorthin hatte ich Glück: Die Straße drehte sich genau in den Rückenwind und Wolken schoben sich vor die Sonne. Trotz 35 °C war es dadurch erträglich. Um 13:30 Uhr erreichte ich Beineu. Erst einmal versorgte ich mich in einem kleinen Laden mit Essen, dann ging ich direkt zur Bahnstation.

Ich hatte zuvor nicht bedacht, dass die Grenze zu Usbekistan wegen Bauarbeiten derzeit nur für Züge und LKW passierbar ist – Radfahrer müssen den Zug nehmen. Ganz naiv fragte ich bei einem Zug, der gerade dort stand, ob er nach Usbekistan fahre – ja, das tat er. Aber er war komplett ausgebucht. Ich hatte nicht erwartet, dass man so weit im Voraus online buchen muss.

In dieser misslichen Lage hatte ich großes Glück: Ich traf ein Berliner Ehepaar, das seit Jahren mit dem Fahrrad unterwegs ist und Russisch spricht. Der Mann war unglaublich hilfsbereit und organisierte mir ein Ticket für den nächsten Tag – obwohl dieser Zug online als ausgebucht galt. Auch ein italienischer Backpacker, den ich dort traf, bekam dank seiner Hilfe ein Ticket.

Da wir noch einen Tag bis zur Abfahrt hatten, checkten wir gemeinsam in ein Hotel ein. Endlich wieder duschen, ein klimatisierter Raum – ich fühlte mich wie neu geboren. Danach erkundeten wir noch ein wenig die Stadt und gönnten uns eine Pizza, die leider alles andere als empfehlenswert war.

Beineu selbst hinterließ keinen bleibenden Eindruck – ein staubiger Umschlagplatz inmitten der Wüste. Die Menschen dort waren oft unfreundlich, versuchten mehrfach, uns übers Ohr zu hauen, und hupten grundlos, wenn man eine Straße überquerte – selbst wenn reichlich Platz war. Ich war nicht traurig, diesen Ort bald wieder verlassen zu können.

Am Abend schnitt ich noch meine täglichen Kurzvideos – eine Arbeit, die immer viel Zeit frisst – und fiel spät ins Bett. Wieder ein Tag voller Überraschungen, Herausforderungen und kleiner Glücksmomente.


Am nächsten Dorf angekommen. Das letzte Dorf war 105km entfernt, das nächste 90km. Das heißt Wasserspeicher reichlich auffüllen bei 36 Grad und Trockenheit.


Mit den aufziehenden Wolken ist die brütende Sonne nicht mehr so stark da. Trotzdem noch 35 Grad.

Ab geht es nach Beineu

Ein Güterzug ins Nirgendwo 

In Beineu angekommen. 

Tag 72

Ein neuer Rhythmus – Frühstart in die Weite 
 
Heute stellte ich mir den Wecker auf 6:00 Uhr. Ich wollte meine Strategie ändern: früher aufstehen, bei Sonnenaufgang losfahren – bevor die Hitze des Tages unerträglich wird. Das Frühstück war ein Geschenk: frische Eier von den eigenen Hühnern, selbstgebackenes Brot, köstliche Marmelade. Es stärkte mich für den anstehenden Tag. Zwei Flaschen Wasser bekam ich noch mit auf den Weg, ich verabschiedete mich herzlich von meinen Gastgebern – und los ging es. 
 
Mein erstes Ziel war ein kleines Hochplateau, das auf rund 300 Höhenmetern lag. Der Aufstieg war in der morgendlichen Wärme noch gut machbar und sogar angenehm. Oben angekommen eröffnete sich ein atemberaubender Blick über die weite, scheinbar endlose Ebene. Der Weg führte mich über geschwungene Straßen weiter – mit leichtem Rückenwind und stetigem Gefälle. Ich kam zügig voran. 
 
Nach 70 Kilometern erreichte ich das nächste Dorf, wo ich direkt meine Wasservorräte auffüllte – insgesamt 8 Liter. Das war auch nötig, denn die nächste Siedlung lag über 100 Kilometer entfernt. Für diese Strecke musste ich gut vorbereitet sein. 
 
Dank des Rückenwinds und des leichten Gefälles fuhr es sich angenehm – doch mit steigender Sonne stieg auch die Hitze. Gegen Mittag kletterte das Thermometer über 35 °C. Ich legte immer wieder Pausen ein, um meinen Körper nicht zu überfordern. Die trockene Luft, die Hitze, das schwere Fahrrad – und dazu die 8 Liter Wasser – all das kostete Kraft. 
 
Nach rund 140 Kilometern, gegen 16:30 Uhr, beschloss ich, Schluss für heute zu machen. Ich entdeckte von der Straße aus einen schmalen Weg, der zu einigen Kieshügeln führte – ein perfekter Platz: geschützt, ruhig und nicht einsehbar. Ein idealer Ort zum Zelten. 
 
Links und rechts raschelten Ziesel durchs Gestrüpp, Lerchen sangen in der Luft, kleine Käfer krabbelten um meine Füße. Auf einem Kieshügel balzte ein Wiedehopf, und Bienenfresser zogen ihre Kreise am Himmel. Trotz der großen Hitze fühlte ich mich in diesem Moment tief verbunden mit der Natur, ja fast geborgen. 
 
Ich machte in Ruhe meine Abendroutine, aß Brot mit Erdnussbutter, und kroch müde, aber zufrieden in mein warmes Zelt. Der Schweiß lief mir noch bis spät in die Nacht über die Haut – aber ich schlief schnell ein. 


Abschied von Sabit.


Ab 300m hoch auf die Hochebene

Blick in die weite Tiefebene der Wüste 

Pause am Straßenrand an der Leitplanke, da hier keine Schattenplätze und Häuser sind.

Kurz chillen in einem kleinen Kiosk im Nirgendwo.

Tag 71

Ein Tag in der Wüste – Zwischen Sonne, Kamelen und neuen Begegnungen

Am Morgen weckte mich die bereits kräftige Sonne. Ich genoss den weiten Blick auf das große Felsmassiv und die faszinierende, beinahe erschreckend stille Wüstenlandschaft. Vincent und ich entschieden uns heute, wieder getrennte Wege zu gehen. Vermutlich werden wir uns ab und an begegnen, doch jeder möchte die Reise in seinem eigenen Tempo fortsetzen.

Um 8:00 Uhr packte ich mein Zelt zusammen – die Sonne war da schon ziemlich stark. Gegen 9:00 Uhr brach ich auf in Richtung Shetpe. Dort wollte ich meine Wasservorräte auffüllen, etwas zu essen besorgen und vor allem Bargeld abheben – was sich als die größte Herausforderung des Tages herausstellen sollte.

Google Maps zeigte mehrere Banken an, doch bei der ersten wurde mir gesagt, dass dort kein Geld abgehoben werden kann. Ein freundlicher Bankangestellter verwies mich auf eine andere Filiale. Dort angekommen, war die Tür jedoch mit einem massiven Riegel versperrt. Gegenüber lag eine Polizeistation, also fragte ich dort nach. Die Beschreibung des Polizisten war etwas vage, weshalb ich nochmals jemanden um Hilfe bitten musste. Letztlich fand ich die richtige Bank und konnte endlich Bargeld abheben – in Kasachstan oft die einzige Möglichkeit, außerhalb der Großstädte zu bezahlen.

Bis ich mit allem fertig war und Shetpe wieder verlassen konnte, waren über zwei Stunden vergangen. Die Sonne stand inzwischen hoch am Himmel und brannte erbarmungslos. Die trockene Wüstenluft machte das Weiterfahren noch anstrengender. Nach rund 50 Kilometern erreichte ich eine kleine Raststätte, wo ich Wasser trank und mich mit Nüssen und Keksen aus meiner Vorratsbox stärkte. Dort traf ich auch Vincent wieder, der schon deutlich früher gestartet war, aber lieber alleine weiterziehen wollte.

Während der Fahrt machte mir mein hoher Puls Sorgen – trotz gemäßigtem Tempo lag er dauerhaft zwischen 150 und 160. Bei Bergetappen habe ich sonst selten mehr als 140. Diese Hitze war eine echte Belastung, also entschied ich mich, das nächste Dorf anzusteuern – das letzte für die kommenden 70 Kilometer.

Das Dorf war klein, und viele Häuser schienen unbewohnt. Bei der ersten Tür hatte ich kein Glück – die Frau war schwanger und wollte keinen Gast aufnehmen. Beim nächsten Haus zögerte die Bewohnerin zunächst, bot mir dann aber ihre Hilfe an. Ich wollte gerade mein Fahrrad holen, als ein Mann es begutachtete. Er war der Bewohner des ersten Hauses, an dem ich geklopft hatte. Nach einer kurzen Erklärung meiner Situation bot er mir spontan eine Übernachtung bei seiner Familie an – ich war unglaublich erleichtert.

Im Haus wurde mir sofort ein Platz zum Ausruhen hergerichtet, doch lange kam ich nicht zur Ruhe. Auf dem Tisch warteten bereits viele Leckereien – Nüsse, Kamelbeeren, süßes Gebäck. Mein Gastgeber Raschid ist Kamelzüchter und stellt aus der Milch nicht nur Käse, sondern auch eine Art Marzipan her. Beides war sehr lecker.

Nach dem Essen ging es zu den Kamelen. Ein Kollege hatte die Herde bereits mit dem Motorrad vom Feld geholt. Die Kälber warteten im Stall, während die Mütter nacheinander hereingeführt wurden. Während die Jungen tranken, melkte eine Frau unbemerkt das Kamel. Diese Nähe zu den Tieren und die Einblicke in das Leben eines Kamelzüchters waren unglaublich faszinierend.

Als die Kamele versorgt waren, wurden die Ziegen freigelassen, die Hühnernester kontrolliert und frische Eier in die Küche gebracht. Später holte derselbe Kollege die Pferde von der Weide. Was ich dort sah, stimmte mich traurig: Viele der Pferde trugen Metallhaken an den Hufen, um sie am schnellen Laufen zu hindern. Eines hatte sich dabei verletzt. Die folgende Behandlung war für mich schwer mit anzusehen: Das Tier wurde mit Schlingen fixiert, zu Boden gezwungen, zitterte, wieherte panisch – ich empfand das als Tierquälerei, auch wenn mir bewusst ist, dass hier andere Traditionen herrschen.

Trotz dieser harten Eindrücke suchte ich das Gespräch mit den Bauern, mit Hilfe von Google Übersetzer. Es war spannend, auf diese Weise mehr über ihre Sichtweisen, ihren Alltag und die Lebensweise in dieser abgelegenen Region zu erfahren.

Als die Sonne unterging, kehrten wir ins Haus zurück. Die Frauen bereiteten das Abendessen vor, während die Männer einfach Platz nahmen – ein Rollenbild, das mich erneut nachdenklich stimmte. Das Essen war reichhaltig und vielfältig – Reis, Brot, Kekse, Nüsse.

Später wurde mir eine Matratze mit Decke in einem separaten Raum zurechtgelegt. Ich legte mich hin – dankbar, erschöpft und voller Eindrücke. Heute Morgen hätte ich nicht gedacht, dass der Tag so verlaufen würde.


Hitze und Trockenheit.


Ich in meinem weißen Ganzkörperkondom.


Mit Sabit im angenehm frischen Wohnraum. Mega Typ. 

Bei den Babykamelen von Sabit.

Babykamel mit Mama

Stolzer Kamelzüchter

Bestes Kanelportrait

Oder doch lieber mit geschlossenem Mund.

Die Pferde von Sabit mit Pfohlen.

Abendessen mit der ganzen kasachischen Familie 

Tag 70

Zweiter Radtag in Kasachstan – Zwischen Wüste, Wildtieren und sowjetischer Geschichte

Auch an diesem Morgen, dem zweiten Fahrradtag in Kasachstan, wachte ich fasziniert auf – fasziniert von der Weite, der Stille und der Magie dieser wüstenartigen Landschaft. Die Steppe hat für mich etwas Unerklärliches, fast schon Meditatives. Und obwohl sie auf den ersten Blick karg wirkt, wimmelt es hier nur so vor Leben: kleine Echsen, flinke Ziesel, Käfer, Ameisenstraßen und unzählige Vogelarten – vor allem Haubenlerchen, die mich mit ihrem Gesang durch den Tag begleiten.

Da Vincent noch schlief und wir beschlossen hatten, einen weiteren Tag gemeinsam zu fahren, schnappte ich mir meine Kamera und machte mich auf den Weg zu einer kleinen Herde Kamele und Dromedare, die ich in der Ferne entdeckt hatte. Da ich mein schweres Teleobjektiv bewusst zu Hause gelassen hatte, musste ich mich mit dem Weitwinkelobjektiv sehr nah an die Tiere heranwagen. Glücklicherweise waren sie nicht besonders scheu, und so konnte ich eindrucksvolle Bilder aus nächster Nähe machen.

Leider fiel mir auf, dass viele der Dromedare an den Vorderbeinen mit einer kurzen Kette verbunden waren – vermutlich, um sie am Davonlaufen zu hindern. Eine gängige Praxis der Viehhalter hier, aber für die Tiere natürlich alles andere als artgerecht.

Auf dem Rückweg zu unserem Camp entdeckte ich noch einen Fuchsbau, zahlreiche Ameisenstraßen, die in tiefe Bodenrisse führten, und unzählige Zieselbauten. Auch Käfer und kleine Echsen kreuzten meinen Weg. Die kasachische Steppe, gerade jetzt nach einem regenreichen April, wirkt erstaunlich grün und lebendig.

Nach dem Frühstück ging es für uns weiter Richtung Nordosten. Wir fuhren über sanfte Hügel, durchquerten kleine Dörfer und kamen immer wieder mit freundlichen Kasachen in Kontakt. Besonders die Kinder begegneten uns mit Neugier und Freude. Viele Erwachsene zeigten großes Interesse an unserer Art zu reisen.

Allerdings hatten Vincent und ich uns angewöhnt, uns als Schweizer auszugeben. Uns wurde im Hotel in Aktau geraten, besser nicht zu sagen, dass wir Deutsche seien – besonders heute nicht, denn der 9. Mai ist in Kasachstan ein offizieller Feiertag zur Feier des Sieges der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg. In Gesprächen hatten wir schon mehrmals bemerkt, dass Deutsche hier teilweise noch immer pauschal mit Faschismus oder Nazitum assoziiert werden. Das wollten wir lieber vermeiden – auch wenn wir natürlich nichts für die Taten unserer Vorfahren können. Als “Schweizer” wurden wir dagegen immer freundlich und gelassen empfangen.

Am Nachmittag erreichten wir schließlich das imposante Bergmassiv Шерқала тауы – ein Ort von großer Symbolkraft, der sogar auf dem 100-Tenge-Geldschein abgebildet ist. Die steil aufragenden Felsen waren einfach beeindruckend. Während wir dort verweilten, kamen bestimmt 15 Autos mit rund 50 Leuten vorbei – alle machten schnell ein Foto vor dem Massiv und fuhren direkt weiter. Für viele waren wir Radreisenden offenbar ebenfalls eine Attraktion, denn nach dem Bild mit dem Berg wollten einige auch noch eins mit uns machen. Kurios, aber irgendwie auch schön.

An einer kleinen Oase mit grünem Baumbestand wollten wir eigentlich unsere Wasservorräte auffüllen. Leider war die Quelle durch Müll stark verschmutzt und das Wasser kaum noch brauchbar. Also machten wir uns auf, in der Umgebung nach Hilfe zu fragen – mit Erfolg: Am Ende standen wir mit 12 Litern frischem Wasser wieder an unseren Fahrrädern.

Mit dem Wasser konnten wir uns sogar eine kleine Dusche gönnen. Ich bohrte Löcher in den Deckel eines Kanisters – fertig war der Outdoor-Duschkopf. Mit etwas Seife und sparsamer Wassernutzung konnte ich mich gründlich waschen. Bei 27 Grad, strahlendem Sonnenschein und trockener Luft war das eine herrliche Erfrischung.

Unser Zeltplatz lag auf einem Hügel mit fantastischer Sicht auf das Bergmassiv. Beim Kochen von Nudeln und Gemüse genossen Vincent und ich den Sonnenuntergang über dem Canyon. Die Luft füllte sich mit dem Ruf von Staren und Felsensteinmetzern, die in großen Trupps ihre Schlafplätze anflogen – ein wunderschönes Schauspiel im goldenen Abendlicht.

Als die Dämmerung hereinbrach, hörten wir einen Steinkauz rufen und weiter oben am Massiv den markanten Schrei eines Steinadlers. Mit dem Aufziehen der Mücken und dem zunehmenden Dunkel zog ich mich ins Zelt zurück. Der Vollmond jedoch blieb – als letzte natürliche Lichtquelle über der weiten, stillen Steppe Kasachstans.


Ein großes Felsmassiv in der Wüste ist eine schöne Abwechslung.


Auch hier waren Kamele wieder neben den Straßen.


Die trockenen Wüstenstrassen und diese Weite !

Die Hitze hat mich schön gebruzelt.

Off-road Abfahrt von einem größeren Hügel in der Wüste

Schlafplatz vor dem ultra schönen Bergmassiv

Tag 69

Aufbruch in die kasachische Weite – Ein neuer Tag auf dem Rad 
 
Am nächsten Morgen checkte ich noch einmal alles an meinem Fahrrad: Ich stellte die Ortlieb-Haken an meinen Fahrradtaschen neu ein, cremte mich gründlich mit Sonnencreme ein und bereitete mich auf den Tag vor. Auch Vincent war startklar, doch bevor wir wirklich losfahren konnten, mussten wir noch eine kleine bürokratische Pflicht erledigen: die Abholung unserer Immigrationspapiere vom Hotel. In Kasachstan ist es nämlich Vorschrift, sich registrieren zu lassen – fehlt dieser Nachweis bei der Ausreise, kann es zu Geldstrafen kommen. Also lieber auf Nummer sicher gehen. 
 
Bevor es losging, prüften wir noch ein letztes Mal die Route für die kommenden Tage und deckten uns mit ausreichend Wasser ein. Denn nach etwa 20 Kilometern sollte laut Karte für rund 90 Kilometer keine Einkaufsmöglichkeit mehr kommen. In dieser kargen, aber beeindruckenden Halbwüstenlandschaft ist gute Vorbereitung essenziell. 
 
Die Strecke war einfach atemberaubend. Die Weite, die Trockenheit und zugleich die Farbenpracht der Steppe faszinierten mich immer wieder aufs Neue. Die Straße schlängelte sich durch eine fast surreal anmutende Welt. Immer wieder begegneten uns hupende Autofahrer – nicht aus Ungeduld, sondern als Zeichen der Anerkennung. Viele winkten begeistert oder streckten den Daumen nach oben. Nach einigen Kilometern hielt ein Autofahrer an und drückte mir lächelnd eine Wasserflasche in die Hand. Ich hatte zwar selbst genug dabei, trank sie aber gerne aus – allein schon wegen der netten Geste. 
 
Etwa 20 Kilometer weiter hielt der nächste an und schenkte mir eine Flasche 7up. Ich konnte nicht alles mitnehmen und hatte nur noch Platz für eine Flasche am Rad. Wenige Minuten später hielt wieder jemand an und wollte mir einen Energydrink geben – dieses Angebot musste ich schweren Herzens ablehnen. Ich hatte bereits genug Flüssigkeit dabei, und irgendwann muss ich auch realistisch einschätzen, was ich tragen und gebrauchen kann. 
 
Trotz dieser kleinen „Luxusprobleme“ war ich überwältigt von der Freundlichkeit der Menschen hier. Immer wieder kamen interessierte Fragen, ehrliche Begeisterung für unsere Reise und eine Wärme, die mir sehr guttut. 
 
Nach etwa 85 Kilometern, einigen kleineren Hügeln und den ersten richtigen Eindrücken der kasachischen Landschaft, machten wir uns auf die Suche nach einem Schlafplatz. In der offenen Weite der Wüste ist das gar nicht so leicht – ungestört und ungesehen zu bleiben, ist hier schwieriger als anderswo. Wir fanden schließlich einen schmalen Sandweg, der etwa einen Kilometer von der Straße wegführte. Dort, hinter einem kleinen Hügel, konnten wir unsere Zelte zwischen typischer Wüstenvegetation aufstellen – ruhig, geschützt und mit schöner Aussicht. 
 
Ich genoss den Sonnenuntergang bei einer Handvoll Nüsse – die gaben mir genau die Proteine zurück, die ich über den Tag verbraucht hatte. Vincent machte sich Quinoa mit Gemüse, ich aß noch Brot mit Erdnussbutter. Die Abendroutine hatte ich heute bereits vor dem Essen erledigt, also konnte ich nach dem Abwasch direkt ins Zelt. 
 
Ich bin todmüde ins Bett gefallen – aber auch glücklich. Ich merke, wie mein Körper sich erst wieder an die tägliche Belastung gewöhnen muss, nachdem ich ein paar Tage nicht geradelt bin. Trotzdem freue ich mich schon jetzt auf den nächsten Tag auf dem Fahrrad – durch die Weiten Kasachstans. 


Ich gewöhne mich mit meinem Fahrrad an die Hitze der Wüste.


Die Gasleitungen in Kasachstan sind sehr abenteuerlich.


Ein netter Kasache der uns mit Wasser versorgt hat. Eine tolle Begegnung. 

Die ersten Kamele, die ich gesehen habe, waren sehr beeindruckt, 

Ölabbauschaufeln in der Landschaft.

In der Wüste ist mehr Leben, als ich dachte. Diese kleinen Echsen sind so sehr faszinierend. 

Tag 68

Ankunft in Aktau – Weiterfahrt in Zentralasien

Der Flug verlief zum Glück völlig reibungslos, und mitten in der Nacht landete ich in Aktau, Kasachstan. Gemeinsam mit dem anderen deutschen Radreisenden, Vincent, nahm ich ein Taxi zum Hotel, das ich bereits im Voraus gebucht hatte. Ich lud ihn kurzerhand ein, dort mit unterzukommen.

Vor dem Hotel bauten wir unsere Fahrräder direkt wieder zusammen und prüften, ob der Transport alles heil überstanden hatte. Zu unserer Erleichterung funktionierte alles einwandfrei – keine Schäden, nichts verzogen, alles saß, wie es sollte.

Ohne Schlaf und ziemlich übermüdet genehmigten wir uns noch ein Frühstück, bevor wir endlich ins Bett fielen. Sieben Stunden später – es war schon 16:30 Uhr – wachten wir einigermaßen erholt wieder auf. Ich pumpte die Reifen meines Rads noch einmal ordentlich auf, denn Vincent und ich wollten die Stadt erkunden und den Sonnenuntergang am Kaspischen Meer erleben.

Unser kleiner Ausflug wurde dann jedoch zur Benzin-Odyssee. Die erste Tankstelle existierte nicht mehr, die zweite führte nur Gas, die dritte ebenfalls. Erst bei der vierten wurden wir fündig. Ein äußerst freundlicher Kasache füllte unsere Benzinflaschen und weigerte sich sogar, Geld dafür anzunehmen. Solche Momente der Gastfreundschaft schätze ich immer ganz besonders – sie bleiben hängen.

Zurück im Hotel machten wir uns dann selbst ein Abendessen: Couscous, Gemüse und Kartoffeln – einfach, aber lecker.

Technisch lief an diesem Tag nicht alles ganz so rund: Ich hatte große Probleme, meine eSIM zu aktivieren. Die Verbindung brach ständig ab, nichts funktionierte richtig. Nach mehreren Versuchen gab ich schließlich auf und kaufte eine neue eSIM. Diese lief endlich stabil, hatte allerdings nur 2 GB Datenvolumen, statt unbegrenztem. Nicht ideal, aber immerhin hatte ich jetzt wieder Verbindung zur Welt. Ich werde eben sparsam damit umgehen und meine täglichen Kurzvideos nur über WLAN hochladen.

Erschöpft, aber zufrieden über die ersten positiven Eindrücke in Kasachstan, fielen wir beide müde ins Bett – bereit für den nächsten Abschnitt dieses Abenteuers.


Mit dem Fahrrad am kaspischen Meer eine kleine Spritztour nach dem anstrengenden Flug in der Nacht 


Aktau ist der einzige Hersteller für Ammoniumnitrat und Ammoniak. Die Stadt steht für die Erdöl-,Atom-, Schiffshandelwirtschaft.


Tag 67

Zwischenstation: Abschied von Georgien und Flug über das Kaspische Meer

Nachdem ich mit meinen Eltern eine Woche Urlaub in Georgien gemacht hatte – von Tiflis aus über das Inland bis an das Schwarze Meer –, konnte ich mich gut erholen. Parallel musste ich jedoch meine Weiterreise planen. Schnell wurde klar: Der Weg über Land war diesmal keine Option. Russland und der Iran schieden aufgrund der unsicheren politischen Lage aus, und Aserbaidschan hatte seine Landgrenzen weiterhin geschlossen. So blieb mir nichts anderes übrig, als das Kaspische Meer mit dem Flugzeug zu überqueren.

Ich suchte nach einem Flug von Tiflis nach Aktau in Kasachstan. Doch das war leichter gesagt als getan: Die Preise bei Azerbaijan Airlines stiegen täglich – von anfangs 280 Euro (ohne Fahrrad oder Zusatzgepäck) bis auf über 500 Euro. Als ich sah, dass sich die Preise innerhalb eines Tages verdoppelt hatten, musste ich schnell handeln. Glücklicherweise fand ich noch einen Direktflug von Tiflis nach Aktau für nur 170 Euro, mit einer Flugzeit von gerade einmal 1 Stunde und 40 Minuten. Ich schlug sofort zu.

Am Ende kostete der gesamte Flug mit zwei aufgegebenen Gepäckstücken, Handgepäck, meinem Fahrrad und mir rund 350 Euro. Kein Schnäppchen, aber angesichts der Menge an Gepäck und der schwierigen Reiseroute ein fairer Preis. Mit dem Ticket in der Tasche konnte ich den Urlaub noch einmal mehr genießen – die Weiterreise war gesichert.

Am Tag des Abflugs nahm ich ein Bolt-Taxi, das mich für umgerechnet nur 2 Euro in einer halben Stunde vom Apartment in Tiflis zu dem Fahrradladen brachte, bei dem ich mein Rad während des Urlaubs untergestellt hatte. Die Mitarbeiter dort hatten mir angeboten, mein Fahrrad gegen eine faire Gebühr sicher in eine Transportbox zu verpacken und mich samt Box zum Flughafen zu bringen – ein unschlagbarer Service. Da mein Flug um 2:00 Uhr nachts ging, öffneten sie sogar extra am Abend noch einmal den Laden, um alles fertig zu machen.

Pünktlich um 23:00 Uhr ging es dann los – der Fahrer brachte mich samt Fahrradbox und Gepäck zum Flughafen. Meine Eltern kamen mit den Fahrradtaschen nach und halfen beim Check-in. Wir hatten die Taschen in reißfeste, wasserdichte Zementsäcke verpackt, die perfekten Schutz boten. Die Haken für die Gepäckträger hatten wir vorsichtshalber abgeschraubt, damit sie beim Transport nicht beschädigt werden konnten.

Als auch der letzte stressige Teil – das Einchecken des Fahrrads und der Taschen – geschafft war, fiel mir ein großer Stein vom Herzen. Ich verabschiedete mich von meinen Eltern, die mich die Woche über begleitet hatten, und ging gemeinsam mit zwei weiteren Radreisenden – einem Franzosen und einem Deutschen – durch den Sicherheitscheck. Dort trafen wir sogar noch zwei US-Amerikaner mit ihren Rädern.

In dieser Nacht flogen also fünf Fahrräder mit uns nach Kasachstan – allein auf diesem einen Flug. Es zeigt, wie viele Radreisende diese Route wählen. Ein kleines, aber starkes Netzwerk von Menschen, die auf zwei Rädern die Welt entdecken.



In Tiflis im Fernsehen direkt interviewt worden.


In der Werkstatt das Fahrrad mit dem netten Monteur auseinanderbauen für den Flug.


Den Fahrradkarton im Auto des Mechanikers gerade so noch reinbekommen.

Der beste Mechaniker mit dem es zum Flughafen ging.

Bei Nacht im Flieger mit Fahrrad von Tiflis nach Aktau 

Im Flieger habe ich vier andere Radreisende getroffen, die mega nett waren. 

Tag 66

Regen, Höhenmeter und ein herzlicher Empfang in Tiflis

An diesem Morgen wachte ich noch leicht verschlafen auf. Ich wollte heute möglichst früh los, da eine weitere anstrengende Etappe vor mir lag. Zum Frühstück bereitete mir die Chefin der Jugendherberge extra etwas zu: Spiegelei, Käse, Butter, Weißbrot und georgische Teigtaschen mit Granatapfel-Füllung – eine lokale Spezialität. Für gerade einmal fünf Euro war das Frühstück nicht nur lecker, sondern auch extrem günstig, und ich wurde richtig satt.

Beim Bezahlen gab es jedoch ein unerwartetes Problem. Am Vortag hatte ich noch extra überprüft, ob Kartenzahlung möglich ist – laut Aushängen und vorhandenem Kartenlesegerät war das der Fall. Doch am Morgen hieß es plötzlich, das Gerät sei nicht funktionsfähig. Bargeld hatte ich mir in Georgien nicht besorgt, da ich nicht lange im Land bleiben wollte. Auch eine Auslandsüberweisung funktionierte nicht. Am Ende blieb mir nur, mein Notfallgeld und die restlichen türkischen Lira zusammenzukratzen, um damit zu bezahlen. Zunächst zögerten die Betreiber, doch schließlich akzeptierten sie das Geld. So war ich meine letzten Lira los – und konnte endlich starten.

Die Strecke führte mich durch atemberaubende, aber anspruchsvolle Berglandschaften. Die Anstiege waren zäh, doch die Aussicht entschädigte. Rechts von mir zogen dunkle Wolken auf, es regnete dort stark, während ich noch im Trockenen unterwegs war – begleitet von frischem Wind. Als ich den höchsten Anstieg des Tages geschafft hatte, kam der Regen auch zu mir – etwa 30 Kilometer vor Tiflis setzte er heftig ein. Das ärgerte mich sehr, denn ich hatte mich auf eine trockene Einfahrt in die Hauptstadt gefreut.

Doch es war, wie es war. Ich wurde klatschnass, hatte aber auch keine Lust mehr, meine Regenhose, Überschuhe und Kapuze anzuziehen. Auf über 1300 Metern wurde es zudem spürbar kälter. Meine Hände waren irgendwann so steif, dass ich kaum noch meine Kamera bedienen konnte.

Als ich schließlich Tiflis in der Ferne sah und der Regen langsam nachließ, stieg meine Motivation wieder. Die letzten Kilometer ging es steil bergab – die Temperaturen wurden angenehmer, aber auch der Verkehr dichter. In der Stadt herrschte ein regelrechtes Verkehrschaos, das für mich als Radfahrer gefährlich war. Zum Glück konnte ich die Busspuren nutzen, die mich etwas vom Autoverkehr abschirmten. Ohne sie wäre ich nur schwer und deutlich riskanter durchgekommen.

Kurz darauf erreichte ich die Unterkunft – und dort warteten meine Eltern auf mich, die mich für ein paar Tage in Tiflis besuchen. Nach zwei Monaten unterwegs war es ein wunderschöner, emotionaler Moment, sie wiederzusehen. In der Wohnung nahm ich erst einmal eine warme Dusche und machte mich frisch.

Am Abend gingen wir gemeinsam essen und ließen den Tag gemütlich ausklingen. Nach 90 Kilometern und über 1200 Höhenmetern fiel ich wie so oft müde, aber glücklich ins Bett.


Der Regen in den georgischen Bergen kommt immer näher zu mir.


Was ein krasses Bergmassiv links neben mir. So schön.


Stadtgrenze von Tiflis auf über 1400m erreicht. Jetzt heißt es noch 1km Höhenmeter und 30 km Distanz runter nach Tiflis.

Wer hätte es gedacht. Es regnet mal wieder. Sehr kraftraubend.

Tiflis von oben.

In Tiflis bei meinen Eltern, die mich hier besuchen, angekommen. Jetzt erstmal durchschnaufen, bis es nach Kasachstan geht.

Tag 65

Grenzübertritt, Schlaglochmeer und ein georgischer Foodtruck

Am nächsten Morgen weckte mich die Sonne, die durch die Fenster des Wintergartens schien. Ich wachte sofort auf und begann meine gewohnte Morgenroutine: ein paar Kekse zum Frühstück und das Packen meiner Sachen. Dann hieß es: zurück auf die undankbare Schotterpiste. Weitere 7 Kilometer zog sich der holprige Weg entlang des Çıldır-Sees, bis ich endlich wieder auf eine richtige Straße kam. Ein Aufatmen – ich musste nicht mehr jeden Stein einzeln umkurven.

Je näher ich der Grenze zwischen der Türkei und Georgien kam, desto mehr stieg die Spannung. Ein letzter Tunnel trennte mich noch vom Karzachi-See, der genau auf der Grenze liegt: halb Türkei, halb Georgien. An der türkischen Grenze wurde ich zuerst nach meinem Reisepass gefragt. Da ich als deutscher Staatsbürger jedoch mit dem Personalausweis einreisen konnte – und es auch bei der Einreise kein Problem war –, zeigte ich diesen vor. Nach kurzem Hin und Her akzeptierte der Beamte meinen Ausweis. Ehrlich gesagt hatte ich auch keine Lust, meinen tief verstauten Reisepass aus den Taschen zu kramen.

Zwischen den Grenzposten ging es durch mehrere Schleusen. Ein türkischer Grenzbeamter wollte eine Taschenkontrolle durchführen und bat mich, meine große Tasche am Gepäckträger zu öffnen. Als er darin nur meine Jacke sah und einen kurzen Blick hineinwarf, war die Kontrolle auch schon beendet – eher pro forma, würde ich sagen.

Auch auf der georgischen Seite dauerte es ein wenig, da wieder mein Personalausweis für Verwirrung sorgte. Bei der Gepäckkontrolle kam ich mit einem georgischen Grenzbeamten ins Gespräch. Als ich ihm erzählte, dass ich aus der Nähe von Frankfurt komme, antwortete er plötzlich auf Deutsch. Er hatte in Köln studiert und sechs Jahre lang in Deutschland gearbeitet. Heimweh hatte ihn schließlich zurück nach Georgien gebracht, wo er nun als Grenzbeamter arbeitet. Ein sehr freundlicher Mensch, der mich ohne große Umstände passieren ließ. Wenn man mit den Menschen ins Gespräch kommt, wird vieles einfacher.

Kaum war ich in Georgien, änderte sich der Straßenzustand drastisch – leider zum Schlechteren. So schlechte Straßen hatte ich auf der gesamten bisherigen Reise nicht gesehen, weder auf dem Weg ans Nordkap noch im Baltikum oder in der Türkei. Ein Meer aus Schlaglöchern – von Straße konnte man kaum noch sprechen. Ich musste ständig aufpassen, nicht in ein tiefes Loch zu geraten.

Im ersten Dorf kam mir ein Auto entgegen – gesteuert von einem etwa fünfjährigen Kind! Zuerst konnte ich es gar nicht fassen. Aber tatsächlich: Der Vater saß lachend auf dem Beifahrersitz und ließ seinen kleinen Sohn das Auto lenken. Das russische Kennzeichen ließ vermuten, dass es sich um eine russische Familie handelte. Eine ziemlich verrückte Begegnung.

Über schlechte Straßen ging es weiter bis in die erste Kleinstadt. Dort bemerkte ich, dass mein Vorderreifen langsam Luft verlor. Ich hoffte, dass es nur durch ein Schlagloch passiert war und das Ventil etwas Luft verloren hatte. In einer Art Kantine gönnte ich mir drei Stücke Pizza und eine aufgewärmte Teigtasche. Ein russischer Mann setzte sich zu mir und begann ein Gespräch. Er war nach Ausbruch des Krieges aus Moskau geflohen und lebt seitdem in Georgien auf dem Land. Er erzählte, dass er sich hier mit verschiedenen Jobs über Wasser hält, aber nicht wirklich glücklich ist. Er fragte mich, wie man nach Europa kommen kann und ob ich ihm bei einer Aufenthaltsgenehmigung für Deutschland helfen könnte – leider musste ich das verneinen.

Nach dem Essen setzte ich mich wieder aufs Rad. Der Vorderreifen war nun deutlich platter. Ich pumpte ihn mit der Handpumpe auf und hoffte, dass sich das Loch vielleicht durch Talkum selbst versiegeln würde. Doch während ich den nächsten Berg hochfuhr, hörte ich ein seltsames Klackern. Schließlich entdeckte ich einen dicken Glassplitter im Mantel. Er hatte sich durch den verstärkten Reifen gebohrt – kein Wunder also, dass mehr Luft entwich. Genau in dem Moment begann es zu regnen, und ich war bereits auf über 1800 Metern. Es war kalt und windig – keine idealen Bedingungen für einen Schlauchwechsel. Trotzdem musste ich ran und wechselte den Schlauch so schnell es ging.

Danach ging es weiter bergauf, bis ich bei etwa 2100 Metern den Parawani-See erreichte. Die Aussicht auf die schneebedeckten, über 4000 Meter hohen Berge war atemberaubend. Tiefe Wolken zogen über die Berggipfel und sorgten für eine dramatische Kulisse. In dieser Höhe wurde es ohne Sonne richtig kalt, und ich konnte mir keine langen Pausen leisten.

Die Abfahrt vom See führte mich hinunter zum Tsalka-See. Inzwischen hatte ich 145 Kilometer und über 1200 Höhenmeter hinter mir – die Kälte, der Wind, die lange Strecke und der anstrengende Tag machten sich deutlich bemerkbar. Völlig erschöpft entdeckte ich am See eine Jugendherberge. Für nur 15 Euro bekam ich dort ein Zimmer – ein echtes Schnäppchen.

Leider hatte ich vorher nicht geschaut, wo es Essensmöglichkeiten gibt. Das nächste Dorf mit Restaurants war ein paar Kilometer entfernt – und da ich bereits eingecheckt hatte, überredete ich mich selbst, doch noch einmal auf mein Rad zu steigen. Was ich nicht bedachte: Es ging bergab ins Dorf – was bedeutete, dass ich später wieder alles hochfahren musste.

Im Dorf waren die meisten Restaurants um 21 Uhr bereits geschlossen. Doch ein Café, das gleichzeitig ein Foodtruck war, hatte noch geöffnet. Dort bestellte ich drei große georgische Teigtaschen, gefüllt mit Ei, Käse und Spinat – unglaublich lecker. Ich unterhielt mich lange mit der Besitzerin über Politik, Georgien und ihre Sorgen bezüglich Russland. Sie sagte, dass eine gewisse Angst da sei, aber sie hoffe, dass diplomatische Beziehungen Schlimmeres verhindern würden.

Nach diesem interessanten Gespräch fuhr ich den Berg wieder hinauf zur Herberge. Dort beendete ich meine Abendroutine und fiel erschöpft, aber zufrieden, ins Bett.

Für die Nacht im Wintergarten eines Ferienhauses vom rauen Wetter auf 2000m Schutz gefunden.


Ein Fuchs auf der Wiese neben mir. So eine schöne Beobachtung.


Am See entlang bei schönstem Wetter.

Eine unglaublich schöne Biodiversität.

Schneller als mein Schatten über die Georgische Grenze.

Auf über 2100m hoch oben in den Bergen Georgiens.

Diese Wolken und dieser Sonnenuntergang. Wahnsinn!

Tag 64

Versunkene Dörfer, holprige Pfade und ein Wintergarten als Unterkunft

Heute früh wachte ich in dem kleinen, leerstehenden Haus auf und nutzte die Gelegenheit, mir den See noch einmal genauer anzuschauen. Ein faszinierender, fast surrealer Anblick: Vor ein paar Jahren ist der Damm am Karakurt-See gebrochen und hat die halbe Ortschaft überschwemmt. Eine Moschee und mehrere Häuser stehen seitdem als Ruinen mitten im Wasser – ein Lost Place, der still, traurig und gleichzeitig beeindruckend wirkt.

Um 8:30 Uhr war ich zum Frühstück bei der Familie eingeladen, die mir auch am Vorabend so großzügig geholfen hatte. Ich aß mich satt, bedankte mich herzlich und packte anschließend meine Sachen. Immer mehr Kinder aus dem Dorf kamen neugierig vorbei, beobachteten mich beim Packen und bestaunten mein Fahrrad – ein kleines Highlight im sonst ruhigen Dorfleben.

Danach ging es wieder bergauf – auf über 2000 Meter. Die Sonne schien, der Wind kam leicht von hinten, und die Aussicht war fantastisch. Mal wieder ideale Bedingungen zum Radfahren. So fuhr ich stetig Richtung Kars. In der Stadt angekommen, wurde es allerdings hektisch. Der Verkehr war chaotisch: Roller, Autos, Busse – alles durcheinander, ohne klare Regeln. Ich musste voll konzentriert bleiben, um nicht einfach übersehen zu werden.

Nachdem ich Kars durchquert hatte, erwartete mich erneut ein großer Anstieg. Zunächst ging es bergab ins Tal, doch dann wieder hoch – erneut auf über 2000 Meter. An der letzten Tankstelle vor dem Aufstieg füllte ich noch meine Benzinkartusche fürs Kochsystem und meine Wasserflaschen auf. Während des Anstiegs hielten zwei Transporter an, deren Fahrer mir anboten, mich mit meinem Fahrrad mitzunehmen – ein Angebot, das ich freundlich ablehnte. Es bleibt für viele Menschen hier schwer nachvollziehbar, dass jemand freiwillig diese Strapazen auf sich nimmt – und dabei auch noch Freude daran hat.

Als ich am Çıldır-See ankam, wurde die Straße zunehmend schmaler – bis sie schließlich ganz aufhörte. Was folgte, war ein übler, steiniger Pfad. Faustgroße Steine ragten aus dem Boden, sodass ich kaum schneller als fünf km/h fahren konnte. Ich hatte ständig Angst, mir den Reifenmantel aufzuschlitzen oder einen Durchschlag zu erleiden. Dieser Weg zog sich über acht Kilometer – und dazu ging es nochmal 120 Höhenmeter bergauf, auf über 2100 Meter.

Dann begann es zu regnen. Der Wind frischte auf, dunkle Wolken entluden sich, und mir wurde plötzlich richtig kalt. Ich zog schnell meine Jacke über und hielt Ausschau nach einer Unterkunft. Mein Plan war, im nächsten Dorf jemanden zu fragen. Just in dem Moment kam mir ein Transporter auf dem holprigen Weg entgegen. Ich fragte den Fahrer, ob er wüsste, wo ich hier übernachten könne. Er sagte mir, dass ich in rund 10 Kilometern die nächste Stadt erreichen würde – allerdings war ich komplett erschöpft. 142 Kilometer und über 1600 Höhenmeter lagen bereits hinter mir, ich hatte keine Kraft mehr für weitere 10 Kilometer.

Er erklärte mir, dass ich in diesem Dorf in jedes beliebige Haus gehen könne – sie seien alle Ferienhäuser, die aktuell unbewohnt seien. Ich suchte also nach einem offenen Haus, doch alle waren abgeschlossen. Bei einem Haus fand ich einen Wintergarten direkt am Gebäude – überdacht und windgeschützt. Das war meine Rettung. Zwar hatte ich ein leicht mulmiges Gefühl, in einem fremden Wintergarten zu schlafen, aber da der Mann mir das ausdrücklich erlaubt hatte, fühlte ich mich sicher genug.

Mein Wasser war inzwischen aufgebraucht, aber zum Glück hatte ich meinen Wasserfilter dabei. Am See filterte ich frisches Wasser und kochte mir anschließend Nudeln. Völlig erschöpft fiel ich nach einem langen, intensiven Tag ins Bett – 142 Kilometer, 1600 Höhenmeter, steinige Pfade und ein neues Abenteuer mehr.


Der überschwommene Teil des Dorfes.


Von dem Dammbruch zerstörte Häuser.


Von den Fluten zerstörte Moschee

Die Moschee der Geisterstadt von Innen.

Meine kleine Schlafunterkunft für die Nacht.

Abschied von den neugierigen Kindern des Dorfes am See in den Bergen

Die Berge am See. Schon gewaltig.

Vorbei an einer sehr symmetrischen Moschee in der Stadt Kars.

Tag 63

Gegenwind, Gastfreundschaft und Behördenstress

An diesem Morgen wachte ich früh auf und warf einen Blick aus dem Fenster: Regen. Laut Wetterbericht sollte es auch noch ein paar Stunden weiterregnen. Also drehte ich mich nochmal um und gönnte mir eine halbe Stunde mehr Schlaf. Danach raffte ich mich auf und genoss das ausgesprochen gute Frühstücksbuffet im Hotel – eines der besten bisher. Satt gegessen wartete ich noch ein wenig, bis der Regen nachließ, zog mich dann an und machte mich auf den Weg Richtung Kars.

Der Regen hatte mittlerweile aufgehört, doch nun hatte ich mit starkem Gegenwind zu kämpfen. Der Wind blies mir frontal ins Gesicht und raubte mir ordentlich Energie – ziemlich demotivierend. Da heute viel Straße auf dem Plan stand, war das angesichts des Wetters aber die richtige Entscheidung. Trotz allem kam ich ganz gut voran.

Nach rund 60 Kilometern machte ich an einer Raststätte Pause und gönnte mir ein Mittagessen – für satte neun Euro. Für türkische Verhältnisse ein stolzer Preis. Ich vermute, ich wurde abgezogen, aber satt war ich auf jeden Fall. Mit frischer Energie ging es weiter.

An der Raststätte bot man mir an, mich samt Fahrrad mit dem Bus nach Kars mitzunehmen – ein Angebot, das ich dankend ablehnte. Für mich gilt: Solange es irgendwie geht, will ich meine Strecke komplett selbst fahren. Später hielt ein Transporter neben mir an, auch hier bot man mir Hilfe an – wieder lehnte ich freundlich ab. Diese Hilfsbereitschaft schätze ich sehr, auch wenn viele hier einfach nicht verstehen, dass man freiwillig mit dem Rad durch Wind und Wetter fährt – und dabei sogar Spaß hat.

Als ich mich schließlich an den Anstieg eines größeren Berges machte, wurde ich mit einem absolut traumhaften Panorama belohnt. Die Sonne kämpfte sich langsam durch die Wolken und tauchte die Landschaft in ein warmes Licht. Es wurde sogar ein bisschen wärmer – aber da es schon spät war, senkte sich die Sonne bald wieder, und mit dem Wind wurde es schnell wieder kalt.

Mein Ziel war heute der Karakurt-See. Doch als ich dort ankam, war mir ehrlich gesagt zu kalt, um mein Zelt aufzubauen und meine Abendroutine durchzuziehen. Also hielt ich Ausschau nach Menschen. Ich traf zunächst zwei Teenager, die mir aber nicht weiterhelfen konnten. Als ich dann einen Traktorfahrer sah und ihm meine Situation erklärte, deutete er mir, ihm zu folgen. Er brachte mich zu einer Wiese mit toller Aussicht auf den See – dachte aber, ich suche nur einen Platz zum Zelten.

Nach einigem Hin und Her lud er mich schließlich doch zu sich und seinen Eltern nach Hause ein. Dort wurde direkt der Ofen für mich angefeuert und ich bekam ein köstliches Abendessen serviert: frisches Weißbrot, eine besondere Butter von den eigenen Kühen, Käse, Honig mit Wabe von den eigenen Bienen, Oliven aus dem eigenen Garten und natürlich türkischer Tee. Ein richtiger Bauernhof-Teller – alles hausgemacht.

Wir unterhielten uns über Google Translate, was erstaunlich gut funktionierte. Nach einer Weile kam noch jemand dazu – der Bürgermeister des kleinen Dorfes mit rund 200 Einwohnern. Er wollte meinen Ausweis sehen und musste meine Anwesenheit bei der Polizei melden. In dieser Region der Osttürkei, wo viele Kurden leben, herrschen besonders strenge Regeln für ausländische Gäste.

Als ich fragte, ob ich in dem Raum schlafen könnte, wurde mir mitgeteilt, dass die Polizei das leider nicht erlaubt. Man fragte mich, ob ich 25 Kilometer weiter zum nächsten Hotel radeln wolle – bei Dunkelheit, Kälte und 132 Tageskilometern auf dem Tacho natürlich ein klares Nein von mir. Auch ein Taxi lehnte ich ab.

Nach kurzer Beratung zwischen mehreren Dorfbewohnern wurde entschieden, dass ich in einem leerstehenden Haus im Dorf schlafen darf. Dort breitete ich mich aus, machte meine übliche Abendroutine mit Stretching, der Faszienrolle, meiner Po-Creme und dem Massageöl für die Knie.

Für den nächsten Morgen wurde ich noch zum Frühstück um 8 Uhr eingeladen – eine Aussicht, auf die ich mich jetzt schon freue. Die Menschen hier waren unglaublich nett und hilfsbereit, aber man merkte deutlich, dass hier in der Region eine gewisse Anspannung herrscht – ganz anders als bei meinen bisherigen Gastgebern in der Westtürkei.

Die wunderschöne Aussicht vom Radel beim Bergfahren


Ich habe mir bei der Autobahnraststätte mal so richtig gegönnt. Diese Energie brauchte ich auch.


Schwerlast-Esel auf dem Berg.


Ein Bergmassiv schöner als das andere.

Heute Unterschlupf bei dieser sehr herzlichen Familie in der östlichsten Ost-Türkei gefunden.

Der Dorf- Bürgermeister wollte auch noch unbedingt ein Bild mit mir. Sehr nette Menschen.

Am Abendessen mit reichlich gedecktem Tisch und warmen Ofen.

Tag 62

Zwischen Back-ups, Moscheen und der Suche nach einem Hammam

Heute Morgen wachte ich endlich einmal ausgeschlafen auf – ein gutes Gefühl nach den letzten anstrengenden Tagen. Ich nutzte die Ruhe des Vormittags, um meine ganzen Aufnahmen zu sichern – sowohl für meine Doku als auch für die geplanten Vorträge. Danach schnitt ich noch einige meiner täglichen Kurzvideos der letzten Tage, um mit dem aktuellen Stand wieder aufzuholen.

Gegen Mittag machte ich mich auf in die Stadt – Erzerum, die größte Stadt Ostanatoliens mit rund 750.000 Einwohnern. Überraschenderweise werden hier keine geführten Stadttouren angeboten. Also erkundete ich alles auf eigene Faust. Obwohl es auf den ersten Blick nicht viel zu entdecken gab, beeindruckten mich doch einige Orte sehr – allen voran die zahlreichen Moscheen mit ihrer eindrucksvollen Architektur. Auch die alte Burg, von der aus man einen tollen Blick über die Stadt und die angrenzenden, schneebedeckten Berge hat, war ein echtes Highlight.

Anschließend besuchte ich das Atatürk-Haus, das ehemalige Wohnhaus von Mustafa Kemal Atatürk, das heute ein kleines Museum ist. Leider war es kaum ausgeschildert und wirkte recht unscheinbar – schade eigentlich, denn dieser geschichtsträchtige Ort hätte definitiv mehr Aufmerksamkeit verdient.

Beim Herumlaufen fiel mir auf, dass viele Gebäude in der Stadt heruntergekommen oder halb verfallen sind. Auch ist es recht schwer, bestimmte Dinge wie Läden oder Dienstleistungen zu finden. Ich machte mich auf die Suche nach einem Hammam, um mir eine Massage zu gönnen. Laut Google Maps gab es drei – ich lief zu allen, fand aber keines davon. Niemand, den ich fragte, wusste etwas über sie oder bestätigte sogar, dass sie überhaupt je existiert hätten. Sehr merkwürdig.

Am Nachmittag ging ich dann zum Friseur. Dort traf ich auf einen netten Türken, der etwas Deutsch sprach. Wir kamen ins Gespräch, und ich erzählte ihm von meiner erfolglosen Hammam-Suche. Er bot spontan seine Hilfe an, gab mir seine Nummer – und kurze Zeit später schickte er mir den Standort eines funktionierenden Hammams. Es war tatsächlich das einzige aktive Hammam in der Stadt – in einem Bereich einer alten, nicht mehr vollständig intakten Moschee untergebracht.

Das Hammam war sehr traditionell – ganz anders als das touristisch geprägte Erlebnis, das ich in einem Hotel in Antalya hatte. Die Massage des Hammam-Meisters war hervorragend. Etwas störend war allerdings, dass im Ruhebereich geraucht wurde – eine Eigenart, an die ich mich nicht gewöhnen kann.

Am Abend begab ich mich noch auf die Suche nach einem Supermarkt – eine ähnlich frustrierende Erfahrung wie mit den Hammams. Viele der Läden, die bei Google Maps eingezeichnet waren, existierten entweder gar nicht mehr oder waren leer. Nach einiger Suche fand ich schließlich doch einen, kaufte ein paar Vorräte für meine morgige Weiterfahrt und machte mich auf den Rückweg.

Im Hotel angekommen, setzte ich mich noch an meinen Blog, bearbeitete einige Beiträge auf meiner Website – und fiel danach müde, aber zufrieden ins Bett.

Aussicht über Erzerum  


Ein leckeres Walnuss-Keydif. Eine traditionell türkische Nachspeise.


Beim Friseur und Barbar.

Nach sehr langem Suchen endlich das einzige Hamam in Erzerum gefunden. Sehr traditionell. Mega!

Tag 61

Donner, Matsch und Herzlichkeit – Ein Tag zwischen Naturgewalten und Menschlichkeit

Als ich heute Morgen am See erwachte, war ich erleichtert, dass der angekündigte Regen in der Nacht ausgeblieben war. Auch die dunklen Wolken am Horizont verzogen sich langsam. So saß ich dort, am Ufer des Tercan Barajı, mit Blick auf das glatte Wasser und genoss mein Frühstück – Toastbrot mit Erdnussbutter. Eine willkommene Abwechslung zu den täglichen Schokokeksen.

Gegen 8:30 Uhr brach ich auf, stets wachsam, um keine Glasscherben oder spitzen Müllteile in meinen Reifen zu erwischen – leider lag dort am See ziemlich viel Müll herum. Die ersten 25 Kilometer forderten mich direkt: 550 Höhenmeter bis auf 2057 Meter Höhe. Die Straßen waren steil, der Regen hängte in der Luft und das Atmen fiel durch die feuchte, schwere Höhenluft nicht leicht. Ich bekam leichtes Kopfweh – und genau als ich oben ankam, setzte auch der Regen ein.

Die Abfahrt nach Aşkale war daher alles andere als genussvoll: Nasse Straßen, vorbei an donnernden LKWs, durch den kalten Regen. In Aşkale angekommen, suchte ich lange nach etwas Essbarem, bis ich schließlich einen Çiğköfte-Laden fand. Zwei Çiğköfte, ein Softdrink – eine kurze Pause zum Aufwärmen und Durchatmen.

Wenig später machte ich mich auf zum nächsten großen Anstieg. Es lagen rund 60 Kilometer und viele Höhenmeter bis Erzurum vor mir. Kaum hatte ich die Stadt etwas hinter mir gelassen, befand ich mich auf freiem Feld – als plötzlich eine Gewitterzelle auf mich zurollte. Innerhalb kürzester Zeit donnerte und blitzte es bedrohlich. Und dann – keine hundert Meter von mir entfernt – ein gleißender Blitz. Der Donner folgte sofort. Es war der Moment, in dem mir bewusst wurde, wie knapp ich dem Tod entkommen war.

Ich war der höchste Punkt im Umkreis – auf offenem Feld. Ohne zu zögern bremste ich, legte mein Fahrrad ab und kauerte mich unter einem Busch am Straßenrand, während der Regen wie aus Eimern fiel. Das Gewitter tobte noch einige Minuten weiter, dann verzog es sich ebenso schnell, wie es gekommen war.

Kaum hatte ich mich wieder aufgerafft, kam ein Landwirt mit seinem Traktor vorbei. Er fragte mich, warum ich mir das alles antue – eine Frage, die mir oft gestellt wird. Und doch ist die Antwort immer die gleiche: Ich liebe das Abenteuer. Ich liebe es, den direkten Kontakt zu Menschen, zur Kultur, zur Landschaft zu erleben. Der Mann winkte mich schließlich in sein Dorf – Güllüdere, ein kleines Nest in den Bergen. Gemeinsam mit einem weiteren Bauern fuhren wir im Traktor die kurvige, steile Strecke hinauf.

Oben angekommen, wurde sofort der Ofen angeschmissen, Tee gekocht und Google Translate gezückt. Wir redeten über alles – so gut es ging. Auch diese Familie hatte Verwandte in Deutschland, und es dauerte nicht lange, bis per Handy ein Onkel angerufen wurde, um von mir zu erzählen. Es war schön zu sehen, wie sehr sich diese Menschen über meinen Besuch freuten – sie sagten, es sei noch nie jemand mit dem Fahrrad zu ihnen gekommen.

Nach anderthalb Stunden Tee, Gesprächen und Lachen brach ich wieder auf. Der Sohn der Familie, Mohammed, sagte mir, der Weg, den ich geplant hatte, sei gut fahrbar. Doch der vorherige Regen hatte die Offroad-Abkürzung in eine Schlammlandschaft verwandelt. Der lehmige Matsch klebte in dicken Schichten an meinen Reifen, blockierte Schutzbleche und drohte sogar, meinen Riemenantrieb zu beschädigen. Ich kämpfte mich durch, schabte Schlamm von den Reifen, trug das Rad ein Stück bergauf und schob es auf einem schmalen Grasstreifen zurück zur Straße.

Diese Tortur hatte mir alles abverlangt. Ich war erschöpft, entkräftet, aber wusste: Es lagen noch rund 50 Kilometer vor mir – mit weiteren Höhenmetern. Ich fuhr, so gut ich konnte, hochkonzentriert und mit schwindenden Energiereserven. Keine Tankstellen, keine Läden – nur ich, mein Fahrrad und die Straße.

Kurz vor der Hauptstraße türmte sich hinter mir eine gewaltige, dunkle Gewitterfront auf. Ich rettete mich gerade noch rechtzeitig in eine Tankstelle. Dort fing es Minuten später heftig an zu blitzen und regnen. Die Mitarbeiter der Tankstelle – beide um die dreißig – waren direkt herzlich. Ich bekam Tee und wir kamen ins Gespräch. Einer der beiden fragte mich, ob ich eine Möglichkeit kenne, wie er nach Deutschland kommen könne – sein Visumantrag war bereits zweimal abgelehnt worden. Es ist ein Thema, das ich auf dieser Reise immer wieder höre: Die Sehnsucht vieler junger Menschen nach einer Perspektive außerhalb der Türkei – und die Enttäuschung über verschlossene Türen.

Als das Gewitter sich gelegt hatte, machte ich mich auf die letzten 16 Kilometer Richtung Erzurum. Die Luft war kühl, der Wind rau – die Stadt liegt auf knapp 2000 Metern Höhe. Am Hotel angekommen, bestand ich darauf, mein Fahrrad sofort vom Schlamm zu befreien, bevor sich die Erde zu einer festen Kruste verwandeln konnte. Danach konnte ich meine Taschen ins Zimmer bringen – und mich endlich duschen.

Fünf Tage ohne Körperhygiene – heute fiel alles von mir ab. Dreck, Schweiß, Sonnencreme – wie Schichten einer langen Etappe. Nach dieser Erlösung gönnte ich mir in der Stadt noch Pizza und Salat. Müde, aber erfüllt, fiel ich ins Bett – mit dem Wissen, dass ich morgen einen Erholungstag habe. Und den werde ich brauchen.


Ein schöner Schlafplatz mit bester Aussicht

Durch die hügelige Hochebene 


Heute am nächsten Berg über 2000 Metern 


Nach Regen, Blitz und Donner im warmen aufgenommen.

Der Landwirt, der mich aufgegabelt hat, wollte ein Bild mit mir…

Der Sohn vom Landwirt ist auch Fan von mir. 

Abschied von den netten Landwirten, die mich aufgenommen haben 

Nach ultra viel Schlamm das erste mal wieder Hände waschen 

Ich in der Tankstelle mit warmen Tee, draußen Weltuntergang mit Regen 

Mit Sonnenuntergang und letzten Regenwolken nach Erzerum 

Tag 60

Magie zwischen Felsen, Tee und politischen Gesprächen

Der Tag begann in meinem kleinen Häuschen auf 2160 Metern Höhe. Als ich aufstand und die ersten Sonnenstrahlen durch die Fenster fielen, lag ein stiller Zauber über den weißen Bergketten ringsum. Der Ausblick war gewaltig – klar, frisch, fast wie gemalt. Mein Frühstück bestand – wie so oft – aus ein paar Keksen. Nicht viel, aber genug, um mich auf die große Abfahrt nach Erzincan einzustimmen.

Die Fahrt hinunter war ein Genuss. Links und rechts türmten sich mächtige Felsmassive auf, die sich bis zum Horizont zogen. Ich war so fasziniert vom Panorama, dass ich mich mehrfach selbst daran erinnern musste, den Blick wieder auf die Straße zu richten.

In Erzincan angekommen, spürte ich sofort den Trubel der Stadt. Nach rund 75 Kilometern entdeckte ich ein kleines Restaurant an einer Tankstelle – dort wurde Frühstück für die LKW-Fahrer angeboten. Für 200 Lira (etwa 4,50 €) bekam ich ein reich gedecktes Mahl: Brot, Tee, Käse, Honig, Marmelade, Gemüse – ein Festessen, das mir neue Energie gab.

Gut gestärkt machte ich mich auf den Weg zu meinem heutigen Anstieg. Am Fuß des Berges winkte mir ein Mann aus einem winzigen Dorf zu. Ich hielt an – und ehe ich mich versah, saß ich mit seiner ganzen Familie bei Tee und warmem Gebäck. Er erzählte mir, dass sein Cousin als Arzt in Bochum arbeitet. Es ist fast schon ein roter Faden dieser Reise: Jeder kennt jemanden in Deutschland – meistens in Bochum, Mannheim, Hamburg oder Frankfurt.

Nach drei Tees und warmen herzhaften Gesprächen verabschiedete ich mich und machte mich an den Aufstieg. Und was soll ich sagen: Es war eine der schönsten Etappen meiner Reise. Die Felsen, die sich in unterschiedlichsten Farben und Formen auftürmten, die Stille auf dem Weg – kein einziges Auto, nur ich und die Berge. Ich war so dankbar, nicht die Hauptstraße gewählt zu haben.

Der letzte Abschnitt des Aufstiegs hatte es in sich: grobe, faustgroße Steine, steile Rampen, ausgespülte Wege. Doch als ich den Gipfel erreichte, wurde ich belohnt – mit einer spektakulären Aussicht auf das Tal dahinter. Ich fuhr vorsichtig bergab, musste mich aufgrund des schwierigen Terrains sehr konzentrieren, doch Stück für Stück arbeitete ich mich nach unten.

Im ersten Dorf angekommen, fuhr ich wieder auf Asphalt. Die Erleichterung war spürbar – endlich rollen lassen. Doch dann: Plattfuß. Nummer acht. Inzwischen ist mein Umgang damit fast schon routiniert: Taschen ab, Schlauch raus, wechseln, aufpumpen, weiter geht’s. Kein Ärger mehr, nur Ruhe und Akzeptanz.

Kurz darauf hielt ein Mann im Pick-up neben mir an. Er sprach überraschend gut Deutsch, erzählte, dass er aus einem Dorf in der Nähe kommt, und stellte mir interessiert Fragen. Seine warme Art, seine Offenheit – das war wieder so ein Moment, der mir neue Energie schenkte.

Im nächsten Dorf musste ich dringend Wasser auffüllen – die Bergetappe hatte alles aufgebraucht. Dort traf ich einen ehemaligen Lehrer, der durch den gescheiterten Putsch am 9. Juli und die Folgen der Erdoğan-Regierung seine Arbeit verloren hat. Er sprach offen und ehrlich über seine Sorgen, seine Wut, seine Ohnmacht. Viele andere trauen sich nicht, politische Themen anzusprechen, zu groß ist die Angst vor Repression. Umso mehr berührte mich dieses Gespräch.

In Tercan angekommen, suchte ich nach einer Unterkunft – ich hatte mich seit Kapadokien nicht mehr gewaschen. Doch Hotel Nummer eins war geschlossen. Nummer zwei ebenso, die angegebene Nummer nicht erreichbar. Nummer drei? Eine halbfertige Bruchbude über einer Tankstelle. Also fuhr ich weiter zum Tercan Barajı See, wo ich bei untergehender Sonne mein Zelt aufschlug.

Ich setzte meine Nudeln auf, blickte beim Essen auf das ruhige Wasser und die Berge in der Ferne. Nach einem langen, eindrucksvollen Tag, voller Begegnungen, Naturwunder und Herausforderungen, fiel ich zufrieden und müde ins Zelt.


Aussicht auf den sich durch die wundervolle Landschaft schlängelnden Weg

Ich wurde in einem Mini-Dorf auf einen Tee eingeladen.


Wundervolle Fahrt die Berge hoch 

Ein wundervolles Panorama

Mein Geraffel an meinem Lenker in vollem Einsatz

Mal wieder auf 2000 Metern am Schnee

Bergpanorama im Hintergrund 

Bei Sonnenuntergang am See angekommen 

Das Schwergewicht erfüllt volle Dienste

Tag 59

Ein Hüttenabend auf 2160 Metern

Die Sonne strahlte durch mein Zelt und weckte mich sanft. Ich wusste sofort: Heute wird ein guter Tag. Ich öffnete den Reißverschluss, streckte mich, trat hinaus – und staunte nicht schlecht über die Aussicht, die sich mir bot. Mein Schlafplatz, der gestern noch im Dämmerlicht versteckt lag, offenbarte jetzt seine ganze Pracht: Weite, Berge, Stille.

Mein Frühstück war eher spartanisch – ein paar Kekse, ein paar süße Reste aus der Tasche. Nicht das üppigste Mahl, aber genug, um mich auf den Tag einzustimmen. Denn der hatte es in sich: Zwei Anstiege standen bevor, beide über 2000 Meter hoch.

Der erste Anstieg brachte mich auf 2140 Meter – steil, herausfordernd, aber wunderschön. Die weiße Berglandschaft, die klare Luft, die Sonne über mir – es war, als wäre ich in einer anderen Welt. Der leichte Rückenwind tat sein Übriges und schob mich sanft die Höhenmeter hinauf.

Nach dem ersten Gipfel ging es runter ins Tal – auf 1500 Meter – nur um danach gleich den zweiten Anstieg auf 2160 Meter in Angriff zu nehmen. Die Beine brannten, aber mein Kopf war ruhig. Diese Landschaft, diese Luft, dieser Moment – es war jeden Tropfen Schweiß wert.

Eigentlich wollte ich nach dem zweiten Gipfel weiter nach Erzincan rollen und mir auf dem Weg dorthin einen Schlafplatz mit Aussicht suchen. Doch es kam anders.

Oben auf dem Gipfel, ganz in der Nähe der Straße, entdeckte ich ein kleines Häuschen auf einem Hügel. Neugierig stellte ich mein Fahrrad ab, kletterte hinauf und schaute nach, ob die Tür offen war. Sie stand sperrangelweit offen – für mich das Zeichen: Willkommen.

Ich holte mein Fahrrad und meine Taschen, machte es mir im Inneren gemütlich – zumindest so gemütlich, wie es ging. Der Boden war dreckig, also fegte ich erst einmal durch. Die Fenster waren milchig vor Staub und Dreck, doch da kam der Deutsche in mir durch: Ich zückte meinen Fahrradschwamm, putzte die Fenster, trocknete sie mit ein paar Blättern Klopapier, und siehe da – plötzlich hatte ich freie Sicht auf die verschneiten 4000er in der Ferne. Ich glaube, so sauber waren diese Fenster lange nicht mehr. Es fühlte sich gut an, diesem verlassenen Ort etwas Liebe zu schenken.

Dann saß ich da – am Fenster – mit Blick auf ein atemberaubendes Panorama. Die Sonne ging langsam unter, tauchte die Gipfel in goldene Töne, während ich einfach nur da war.

Ich legte mich schließlich auf das alte Sofa, das ich in der Hütte gefunden hatte. Und während draußen die Nacht über die Berge zog, hoffte ich auf eine ruhige Nacht in meinem selbstgewählten Hochlager.


Am heutigen höchsten Berg auf 2160m angekommen.

Aussicht von meinem Schlafplatz 


Aussicht auf die tiefere Hochebene 

Auf über 2000 Metern entlang an schneebedeckten Bergen 

Gipfelbesteigung 

Besondere Bergformationen an der Straße 

Tag 58

Von Schäfern, Sonnencreme und Sturm – ein Tag voller Kontraste

Heute weckte mich das einfallende Sonnenlicht. Die Nacht war erholsam gewesen, mein Körper hatte sich gut regeneriert, und ich spürte: Ich bin bereit für den neuen Tag. Ich stand auf, packte meine Sachen zusammen und wartete auf das Frühstück, das mir Harun am Vorabend versprochen hatte.

Währenddessen nahm ich mir Zeit für mein Fahrrad – mein treuer Gefährte. Ich reinigte den Riemen, der mir schon durch so viele Tage und Wetterlagen zuverlässig Kraft auf die Pedale überträgt. Kein Öl, keine schmierigen Hände – dafür ein bisschen Staub und Dreck, der sich in den Rillen sammelt. Ich bürstete alles sauber, ließ es trocknen und sprühte Silikonspray auf. Danach lief der Antrieb wieder wunderbar ruhig.

Dann wurde zum Frühstück gerufen. Und wie! Fladenbrot, Weißbrot, Honig, Schafskäse, Butter, Nutella, Eiersalat, Oliven, Tomaten, Gurken und natürlich: türkischer Tee. Diese Herzlichkeit, diese Fülle – es war ein echtes Abschiedsmahl. Ich genoss jeden Bissen, das Gespräch mit der Familie, die Wärme, die mir geschenkt wurde.

Aber auch heute kam der Moment, an dem ich mich verabschieden musste. Ich bedankte mich von Herzen bei Harun – für alles – und machte mich wieder auf den Weg Richtung Osten, mein heutiges Ziel: Sivas.

Davor lagen noch zwei große Berge. Als ich den ersten Gipfel erreichte, begegnete mir ein Wanderschäfer – auf einem Esel, begleitet von seiner Herde und imposanten Kangal-Hunden. Groß, wachsam, aber zu mir völlig ruhig. Wir unterhielten uns – ganz ohne gemeinsame Sprache. Seine Worte auf Türkisch, meine Gedanken, die zwischen Raten, Gestikulieren und Lächeln pendelten. Es war ein schöner, stiller Austausch – irgendwo da oben zwischen Himmel und Erde.

Die Aussicht auf den Bergen war ein Geschenk. Weite, Licht, Wind – und ich wusste nicht, wo ich zuerst hinschauen sollte.

In Sivas angekommen, stand „Sonnencreme“ auf meiner Liste – doch überraschend war das eine echte Herausforderung. Große Supermärkte winkten ab, als hätte ich nach etwas Exotischem gefragt. Ich dachte mir nur: Cremen die sich hier bei dieser Sonne echt nicht ein? Schließlich fand ich eine offene Apotheke – am Sonntag. Für 12,01 € kaufte ich mir eine kleine Tube. Wahnsinnig teuer, aber nötig.

Mit Rückenwind und Sonne ging es weiter nach Zara. Eigentlich wollte ich dort meinen Tag beenden, aber es lief einfach zu gut. Also fuhr ich weiter. Ich wollte höher schlafen, nicht unten im Tal – also hieß es: nochmal Höhenmeter machen.

Und dann kam der Regen. Leise erst, dann kräftiger. Aber gleichzeitig schob sich die Sonne tief über den Horizont, während eine dunkle Wolkenfront über das Tal zog. Der Kontrast – goldenes Licht, prasselnder Regen, tiefgrauer Himmel – war spektakulär. Eine Szene wie aus einem Film. Ich hielt kurz inne, einfach um diesen Anblick zu speichern.

Es wurde dunkel. Ich brauchte schnell einen Schlafplatz. Am Gipfel eines Hügels fand ich ein kleines Kreuz – und daneben eine Fläche mit Panoramaausblick. Der Wind wehte kräftig, der Regen setzte erneut ein, also musste alles schnell gehen: Innenzelt aufbauen, beschweren, Außenzelt drüberziehen, Paracord zum Sichern spannen. Es war ein kleiner Kampf gegen die Elemente.

Aber dann stand alles. Ich kochte mir Nudeln, saß im Zelt, schaute auf das nun dunkle Tal – und war einfach nur dankbar. Für den Tag, für die Menschen, die Berge, die Begegnungen, das Draußensein. Nach fast 150 Kilometern und 1550 Höhenmetern fiel ich müde, aber erfüllt ins Bett.


Von Schäfern, Sonnencreme und Sturm – ein Tag voller Kontraste

Heute weckte mich das einfallende Sonnenlicht. Die Nacht war erholsam gewesen, mein Körper hatte sich gut regeneriert, und ich spürte: Ich bin bereit für den neuen Tag. Ich stand auf, packte meine Sachen zusammen und wartete auf das Frühstück, das mir Harun am Vorabend versprochen hatte.

Währenddessen nahm ich mir Zeit für mein Fahrrad – mein treuer Gefährte. Ich reinigte den Riemen, der mir schon durch so viele Tage und Wetterlagen zuverlässig Kraft auf die Pedale überträgt. Kein Öl, keine schmierigen Hände – dafür ein bisschen Staub und Dreck, der sich in den Rillen sammelt. Ich bürstete alles sauber, ließ es trocknen und sprühte Silikonspray auf. Danach lief der Antrieb wieder wunderbar ruhig.

Dann wurde zum Frühstück gerufen. Und wie! Fladenbrot, Weißbrot, Honig, Schafskäse, Butter, Nutella, Eiersalat, Oliven, Tomaten, Gurken und natürlich: türkischer Tee. Diese Herzlichkeit, diese Fülle – es war ein echtes Abschiedsmahl. Ich genoss jeden Bissen, das Gespräch mit der Familie, die Wärme, die mir geschenkt wurde.

Aber auch heute kam der Moment, an dem ich mich verabschieden musste. Ich bedankte mich von Herzen bei Harun – für alles – und machte mich wieder auf den Weg Richtung Osten, mein heutiges Ziel: Sivas.

Davor lagen noch zwei große Berge. Als ich den ersten Gipfel erreichte, begegnete mir ein Wanderschäfer – auf einem Esel, begleitet von seiner Herde und imposanten Kangal-Hunden. Groß, wachsam, aber zu mir völlig ruhig. Wir unterhielten uns – ganz ohne gemeinsame Sprache. Seine Worte auf Türkisch, meine Gedanken, die zwischen Raten, Gestikulieren und Lächeln pendelten. Es war ein schöner, stiller Austausch – irgendwo da oben zwischen Himmel und Erde.

Die Aussicht auf den Bergen war ein Geschenk. Weite, Licht, Wind – und ich wusste nicht, wo ich zuerst hinschauen sollte.

In Sivas angekommen, stand „Sonnencreme“ auf meiner Liste – doch überraschend war das eine echte Herausforderung. Große Supermärkte winkten ab, als hätte ich nach etwas Exotischem gefragt. Ich dachte mir nur: Cremen die sich hier bei dieser Sonne echt nicht ein? Schließlich fand ich eine offene Apotheke – am Sonntag. Für 12,01 € kaufte ich mir eine kleine Tube. Wahnsinnig teuer, aber nötig.

Mit Rückenwind und Sonne ging es weiter nach Zara. Eigentlich wollte ich dort meinen Tag beenden, aber es lief einfach zu gut. Also fuhr ich weiter. Ich wollte höher schlafen, nicht unten im Tal – also hieß es: nochmal Höhenmeter machen.

Und dann kam der Regen. Leise erst, dann kräftiger. Aber gleichzeitig schob sich die Sonne tief über den Horizont, während eine dunkle Wolkenfront über das Tal zog. Der Kontrast – goldenes Licht, prasselnder Regen, tiefgrauer Himmel – war spektakulär. Eine Szene wie aus einem Film. Ich hielt kurz inne, einfach um diesen Anblick zu speichern.

Es wurde dunkel. Ich brauchte schnell einen Schlafplatz. Am Gipfel eines Hügels fand ich ein kleines Kreuz – und daneben eine Fläche mit Panoramaausblick. Der Wind wehte kräftig, der Regen setzte erneut ein, also musste alles schnell gehen: Innenzelt aufbauen, beschweren, Außenzelt drüberziehen, Paracord zum Sichern spannen. Es war ein kleiner Kampf gegen die Elemente.

Aber dann stand alles. Ich kochte mir Nudeln, saß im Zelt, schaute auf das nun dunkle Tal – und war einfach nur dankbar. Für den Tag, für die Menschen, die Berge, die Begegnungen, das Draußensein. Nach fast 150 Kilometern und 1550 Höhenmetern fiel ich müde, aber erfüllt ins Bett.


Sehr herzliche Begegnung mit Schafhirten auf Esel

Sehr leckeres Frühstück mit Harun 


Abschied von Harun.

Aussicht in Hochebene

Moschee Nr. XY

Mit Schatten in die dunklen Wolken 

Regen, Wolken, Sonnenuntergang und Berge

Regen, Wolken, Sonnenuntergang mit fröhlichem Nisse 

Nächtliches Essen auf dem Berg 

Tag 57

Zwischen Steinwüsten und Herzenswärme – ein Tag voller Kontraste 
 
An diesem Morgen wachte ich mit der Sonne auf – begleitet vom fernen, klagenden Ruf der Limikolen und dem wilden Geschnatter verschiedener Gänsearten. Ihre Stimmen hallten über den stillen Salzsee, der noch in das weiche Licht des Morgens getaucht war. Diese Geräuschkulisse war einmal mehr magisch – ein fast surreales Erwachen. Ich ließ meine Drohne steigen, um die friedliche Stimmung von oben einzufangen, dann begann ich mein Zelt zusammenzupacken. 
 
Der Salzsee lag eingebettet in ein weites Tal zwischen Bergen. Um auf meine geplante Route zurückzukehren, musste ich das Tal hinter mir lassen und erneut einen dieser Berge überwinden. Komoot führte mich zunächst noch einige Kilometer durch das Tal – doch die Wege, auf die ich dort traf, waren eine Katastrophe: tiefer Sand, lockerer Schotter, steiniger Untergrund und dazwischen das typische Waschbrettprofil. Immer wieder donnerten schwere LKWs an mir vorbei, die Schotter, Sand oder Steinmaterial aus dem Tal abtransportierten. 
 
Jeder Meter war eine Herausforderung. Die Reifen meines Fahrrads rutschten, der Lenker vibrierte, und mein ganzer Körper musste mitarbeiten, um überhaupt voranzukommen. Als es dann bergauf ging, war der Weg weiterhin nicht geteert – nur ein holpriger, schlammiger Pfad mit über 200 Höhenmetern. Trotz aller Anstrengung wurde ich mit einer großartigen Aussicht belohnt. Die Natur war zum Greifen nah, und für einen Moment vergaß ich das Gerüttel und Geklapper. 
 
Doch kaum hatte ich den Abstieg hinter mir, zog Regen auf. Erst ein paar Tropfen, dann ein stetiger Niesel, bis es ab etwa 15 Uhr schließlich ununterbrochen regnete. Ich zog meine Regensachen an und stellte mich auf einen langen, nassen Nachmittag ein. Irgendwann war ich bis auf die Haut durchnässt und wusste: Ich brauchte dringend eine Unterkunft. 
 
Ich suchte zunächst Schutz bei einer kleinen Moschee. Zwei neugierige Jungs kamen vorbei, schauten sich mein Rad an und fragten mich aus. Sie waren fasziniert, konnten mir aber nicht helfen. Die Moschee war ungeheizt und sogar kälter als draußen – dort zu übernachten war keine Option. 
 
Als der Regen kurz nachließ, bemerkte ich Bewegung auf einem benachbarten Bauernhof. Ich fasste mir ein Herz und fragte den Landwirt, ob ich bei ihm unterkommen könnte. Harun, etwa 35 Jahre alt, überlegte kurz – und sagte dann zu. Er brachte mich in das Gästehaus des Hofes, zündete sofort den Ofen an und half mir, wieder warm zu werden. Ich war unglaublich dankbar. 
 
Kurz darauf servierte er mir ein üppiges Abendessen: Nudeln mit Bolognese, frischer Salat und eine dampfende türkische Suppe. Es war so reichlich, dass ich nur einen Bruchteil davon essen konnte – mein Magen war irgendwann einfach voll. Später kamen noch ein paar Freunde von Harun vorbei, ebenfalls Landwirte aus dem kleinen Dorf mit rund 500 Einwohnern. Gemeinsam saßen wir im Wohnraum, tranken Tee und redeten so gut es ging. Es war eine angenehme, ruhige Stimmung – ganz im Kontrast zu dem rauen, anstrengenden Tag davor. 
 
Gegen 22 Uhr verabschiedeten sich die Männer. Ich begann meine Abendroutine: Dehnen, die Faszienrolle für die Beine, Supplements, Zähneputzen und schließlich noch etwas Pflege für meine Knie – mit Massageöl und einer beruhigenden Creme. Müde, aber zufrieden, fiel ich wenig später in das warme Bett. 




atemberaubend schöner Schlafplatz am Tuzla Gölü Salzsee

Es wird dunkler 


Ich glaube da braut sich was zusammen 

Ab geht’s mit Lächeln ins Dunkle 

Beim Landwirt mit seinen Landwirtfreunden im warmen untergekommen.

Tag 56

Abschied mit Aufwind – Ballonfahrt, Berge und ein Platz am Salzsee

Um 4:45 Uhr klingelte der Wecker. Noch im Halbschlaf schlüpfte ich in die am Abend zuvor bereitgelegten Sachen, schnappte meine Ausrüstung und trat in die kühle Dunkelheit vor dem Hotel. Der Shuttlebus zur Ballonfahrt stand schon bereit – gut organisiert, denn bei über hundert Ballons, die täglich starten dürfen, herrscht sonst pures Chaos.

Die Stimmung war wie kurz vor Mitternacht an Silvester: ein leises Knistern in der Luft, gespannte Vorfreude, Menschen in Stille vereint – nur dass hier nicht das neue Jahr erwartet wurde, sondern der Moment, in dem man abhebt.

Und dann ging alles ganz schnell: Ich stand im Korb, gemeinsam mit 19 anderen. Es war ein Komfort-Ballon – nicht ganz so überfüllt wie die Standard-Version mit bis zu 30 Leuten. Ein glücklicher Zufall, denn ich hatte nicht gewusst, was mich erwartet. Genauso viel Glück hatte ich mit dem Preis – 220 Euro statt der 350+, die tags zuvor aufgerufen wurden. Immer noch viel, aber das Erlebnis: unbezahlbar.

Langsam schwebten wir in die Höhe, bis auf 1400 Meter. Der Himmel färbte sich mit jeder Minute mehr in warmes Orange, die Sonne kroch über den Horizont – und unter mir erstreckte sich die gesamte Magie Kappadokiens. Täler, Felsen, Höhlen, Ballons um uns herum. Es war, als hätte jemand eine riesige Schneekugel geschüttelt – nur dass sie in diesem Moment still stand. Ein perfekter Abschluss.

Nach einer Stunde landeten wir sanft. Es gab eine kleine Zeremonie mit Urkunde, Sekt (naja, eher Wein) und Frühstücksbeutel – charmant kitschig, aber irgendwie süß.

Mit diesem Erlebnis konnte ich meinen inneren Kappadokien-Haken setzen: Ich war gewandert, getourt, geklettert, durch Schnee, Regen, Hagel, Sonne marschiert – hatte alles gesehen, von unten, von oben, von mittendrin. Es war Zeit, weiterzuziehen.

Nach dem Frühstück verabschiedete ich mich vom Hotel und fuhr noch kurz beim Diadem Hostel vorbei. Dort war ich am Vortag auf einen Tee eingeladen worden – eine letzte Tasse, ein letzter herzlicher Blick, bevor es endgültig hieß: Tschüss Kapadokien.

Mein Weg führte mich weiter in den Osten der Türkei. Die ersten 80 Kilometer rollte ich auf Highways – nicht besonders spannend, aber effizient. Erst nach 81 Kilometern fand ich eine Gelegenheit zur Pause. An einer kleinen Abzweigung tankte ich bei einem Supermarkt Snacks und Wasser nach. Doch Wasser gab’s keins. Der Besitzer verwies mich an einen Dönerladen nebenan. Dort wurde ich mit offenen Armen empfangen – und obwohl ich eigentlich schon gegessen hatte, wurde mir ein vegetarisches Menü aus Reis, Salat, Gemüse und Pommes aufgetischt. Ich konnte nicht Nein sagen. Und ja – es passte noch rein.

Nach ein paar gemeinsamen Fotos mit dem Team rollte ich weiter – bei strahlender Sonne und langsam wieder knapper werdender Energie. Auf der Karte hatte ich einen vielversprechenden Ort entdeckt: den Tuzla Gölü, einen Salzsee zwischen Bergen. Was ich nicht gesehen hatte: dass ich erst einen mächtigen Anstieg vor mir hatte. Die Steigung zog mir den letzten Saft aus den Beinen. Ich kam in ein Energieloch. Die einfachsten Tritte wurden zur Qual, mein Atem pumpte, mein Kopf wurde leer.

Doch wie so oft lohnte sich die Mühe. Oben angekommen, öffnete sich der Blick auf den See – still, spiegelnd, umgeben von weiter Natur. Ich rollte die letzten Kilometer bergab, fuhr noch ein Stück am Ufer entlang, bis ich eine Stelle fand, die perfekt war: ein Platz neben einer alten Schaftränke, trockener Boden, guter Untergrund für mein Zelt.

Ich war noch satt vom Dönerladen und kochte nichts mehr. Stattdessen saß ich da, während die Sonne unterging und die ersten Vögel – Schwalben oder vielleicht Ziegenmelker – ihr abendliches Summen begannen. Ein vibrierendes, fast außerweltliches Geräusch, das mich langsam in den Schlaf begleitete.


Ballons werden um 5:00 morgens für den Start ready gemacht 

Langsam heben die Ballons ab in die Höhe 

Die Gebirge Kapadokiens von oben 

Sonnenaufgang !

Strahlender Nisse

Am Boden gleich viel unspektakulärer

Auf ein leckeres Essen bei Murat eingeladen 

Heutiger Schlafplatz am Salzsee Tuzla Gölü

Umfunktionierte Tränke für Tiere nun für meine Taschen und Fahrrad

Das Kraftpaket hat den Ehrenplatz in der Tränke 

Tag 55



Ruhetag mit Aussicht auf Höhepunkte

Heute habe ich mir endlich mal einen Morgen zum Ausschlafen gegönnt. Nach den anstrengenden Wanderungen der letzten Tage und der unruhigen Nacht brauchte mein Körper einfach etwas Zeit zur Regeneration. Ein bisschen runterkommen, ein bisschen Durchatmen.

Der Vormittag war meiner digitalen Reise gewidmet: Ich überarbeitete meinen Blog, schnitt Kurzvideos für meine Social-Media-Kanäle und plante die kommenden Wochen meiner Tour bis nach Tiflis. Während draußen das Leben in Göreme seinen gemächlichen Lauf nahm, tippte ich mich durch Erinnerungen, bearbeitete Momente, setzte Struktur in all das Erlebte – eine andere, aber genauso wichtige Seite meiner Reise.

Trotz des „Bürotags“ konnte ich es mir natürlich nicht nehmen lassen, auch heute wieder ein Stück Kapadokien zu Fuß zu entdecken. Diesmal stand das Pigeon Valley auf dem Plan – ein Tal, das mir bisher noch gefehlt hatte. Vom Zentrum Göremes ging es etwa fünf Kilometer durch das verwinkelte, friedliche Tal. Zwischen bizarren Felsformationen, kleinen Höhlen und jahrhundertealten Taubenschlägen fühlte ich mich erneut wie in einer anderen Welt. Diese Ruhe, die sich mit jedem Schritt durch die weichen Pfade verstärkt, ist einfach unbezahlbar.

Am Ende des Tals stieg ich hinauf nach Uçhisar. Dort wartete ich an der Burg auf den Bus zurück – doch ich musste gar nicht lange warten. Ein freundlicher Mann, der für eine Ballonfirma arbeitet, nahm mich kurzerhand in seinem Auto mit nach Göreme. Hitchhiking ohne Daumen raus – manchmal rollt das Leben einfach mit.

Zurück in der Stadt erledigte ich dann etwas, worauf ich lange gewartet hatte: Ich buchte meinen eigenen Ballonflug – für den allerletzten Morgen in Kapadokien. In den letzten Tagen lagen die Preise zwischen 350 und 500 Euro. Heute jedoch ging es – endlich – etwas runter. Für 220 Euro bekam ich meinen Platz im Korb. Kein Schnäppchen, aber ein Wunsch, den ich mir unbedingt erfüllen wollte. Da der Preis in bar bezahlt werden musste, hob ich kurzerhand 9600 Türkische Lira ab – was bei einem maximalen Scheinwert von 200 Lira fast schon filmreif wirkt. Ein halber Ziegelstein Bargeld.

Zurück im Alpha Stone House arbeitete ich weiter an meinen Kurzvideos, lud mein tägliches Update hoch und holte mir am Abend zwei Cigköfte-Rollen bei einem kleinen Laden um die Ecke. Eigentlich hatte ich geplant, früh ins Bett zu gehen – der Wecker für den Ballonflug morgen wird schließlich gnadenlos früh klingeln. Aber wie das so ist: Die Zeit verfliegt, und so lag ich erst gegen 23:30 Uhr im Bett – voller Vorfreude auf das morgige Abenteuer am Himmel.


Ich fühle mich wie ein Millionär mit rund 9600 Türkischen Lira für ein Ballonflug


Wanderung durch das Pogeon-Valley von Geröme nach Uchisar

Leckere Humus-Vorspeise mit Brot 

Tag 54

Magischer Morgen und plötzlicher Rückschlag

Der heutige Morgen war der erste seit Tagen, an dem das Wetter wieder so gut war, dass die Ballons endlich fliegen konnten. Also machten sich Fabio, Cheyenne – eine Amerikanerin, die ich im Hostel kennengelernt habe – und ich bereits um 5:00 Uhr morgens auf den Weg zu einem Aussichtspunkt, um das Spektakel zu erleben.

Das Wetter war perfekt. Der Himmel wurde langsam heller, die ersten Ballons stiegen lautlos in die Luft – und die Magie begann. Als schließlich die aufgehende Sonne die hoch oben schwebenden Heißluftballons in goldenes Licht tauchte, wusste ich gar nicht, wohin ich zuerst schauen sollte. Ich wollte diesen Moment mit meiner Kamera einfangen, aber gleichzeitig einfach nur genießen. Es war einfach atemberaubend schön – ein Erlebnis, das sich für immer in mein Gedächtnis eingebrannt hat.

Zurück im Hostel gab es ein leckeres Frühstück, und bevor ich auscheckte, sicherte ich noch all meine Kameraaufnahmen. Zum Glück durfte ich meine Sachen bis zum Abend dort lassen, bevor ich mir eine neue Bleibe suchen musste.

Meine Priorität an diesem Tag war klar: Ich wollte nach Nevşehir fahren, um mir im Fahrradladen endlich ein paar Ersatzschläuche zu besorgen. Das klappte zum Glück reibungslos.

Später traf ich mich mit Fabio an der Burg von Uchisar. Von dort aus hatten wir eine unglaubliche Aussicht über das nördliche Tal Kappadokiens. Wir beschlossen, von dort zurück nach Göreme zu wandern – durch das White Valley und anschließend durch das Love Valley. Wie schon bei meiner Wanderung vor zwei Tagen war auch heute kaum jemand unterwegs. Die Ruhe, die frische Luft und der weite Blick auf diese außergewöhnliche Landschaft – das alles war einfach pures Glück.

Im White Valley beeindruckten uns vor allem die hellen, fast weißen Gesteinsformationen. Im Love Valley dagegen formte die Natur Skulpturen, die sehr deutlich an das männliche Geschlecht erinnerten – surreal, witzig, fast wie aus einer anderen Welt. Es ist kaum zu glauben, dass solche Formen natürlich entstanden sind.

Nach rund 15 Kilometern zu Fuß und über 30.000 Schritten gönnten Fabio und ich uns wieder ein Abendessen. Als ich zurück zum ursprünglich gebuchten Hostel kam, war dort jedoch niemand anzutreffen. Nach einiger Wartezeit erschien jemand von der Rezeption – und erklärte mir, ich hätte ein Bett im Frauenschlafsaal gebucht. Laut meiner Reservierung stimmte das jedoch nicht. Da das Hostel nun ausgebucht war, musste ich kurzfristig etwas Neues finden.

Etwas gestresst, aber entschlossen, ging ich direkt zu einem nahegelegenen Hotel, anstatt über Booking zu buchen. Ich konnte dem Betreiber klar machen, dass er sich die Plattformgebühren spart – und so bekam ich das Zimmer für zwei Nächte für 80 € statt 92 €. Direkt ein besserer Deal.

Doch kaum war ich fertig mit dem Essen, merkte ich, dass etwas nicht stimmte. Ich begann stark zu schwitzen, fühlte mich plötzlich sehr unwohl. Ich weiß bis heute nicht, was genau der Auslöser war. Schnell ging ich in meine neue Unterkunft und legte mich hin. Die Nacht war alles andere als erholsam. Ich verbrachte einige Zeit auf der Toilette – mein Magen musste wohl etwas loswerden – und konnte erst danach wieder einigermaßen schlafen.


In den Ballons 


Burg Uchisar

Aussicht von Burg Uchisar

White Valley

Heutige Wanderung wieder 15km

Im Love Valley

Tag 53

Eine Tour mit gemischten Gefühlen

Der nächste Tag startete mit einer Empfehlung des Hostelbetreibers: eine geführte Tour zu einer der beeindruckenden unterirdischen Städte Kapadokiens und einem wunderschönen See. Da diese Orte mit öffentlichen Verkehrsmitteln nur schwer zu erreichen sind, ließ ich mich auf das Angebot ein – in der Hoffnung, so mehr von der Region zu sehen.

Leider entsprach die Tour nicht meinen Erwartungen. Mit einem kleinen Bus ging es von einem touristischen Hotspot zum nächsten. Kaum angekommen, blieben uns jeweils nur etwa zehn Minuten, um die Orte zu erkunden. Für meinen Geschmack viel zu wenig, um wirklich Atmosphäre aufzunehmen oder in Ruhe Fotos zu machen.

Zwischendurch wurden wir in einen Juwelier gebracht, in dem man versuchte, uns etwas zu verkaufen. Ich hatte kein Interesse und fühlte mich dabei eher fehl am Platz. Am Ende der Tour folgte noch ein Stopp in einem Süßwarengeschäft – auch hier mit dem klaren Ziel, uns zum Kaufen zu animieren. Das Ganze hatte mehr von einer Verkaufsveranstaltung als von einer echten Entdeckungsreise.

Das einzig wirklich beeindruckende Highlight war die unterirdische Stadt. Eine von vielen in der Region – aber diese war besonders groß, gut erhalten und zugänglich. Es gab dort Belüftungsschächte, Lagerräume, Speisekammern, Notfalltunnel, Viehställe und Aufenthaltsräume. Es war faszinierend zu sehen, wie durchdacht und komplex diese Stadt unter der Erde gebaut wurde. Gleichzeitig war es aber auch überlaufen – Touristen, soweit das Auge reichte.

Mir wurde an diesem Tag bewusst: Solche geführten Gruppentouren sind nicht meine Art, einen Ort kennenzulernen. Ich brauche Zeit, Raum, Freiheit. Ich will anhalten, wo es mich fesselt, und nicht dann weiterfahren, wenn die Gruppe ruft. Ich fühlte mich eher herumgereicht als inspiriert.

Am Abend ging ich mit Fabio, den ich im Hostel kennengelernt habe, noch etwas essen. Nach diesem Tag voller Eindrücke – und auch kleiner Enttäuschungen – fiel ich müde ins Bett.


Kappadokien bei Hagel  


Nar-See

Tag 52

Ein Wintermorgen in Kapadokien – Schnee, Staunen und ein kleiner Dämpfer

Am Vortag hatte ich mir den Wecker auf 4:00 Uhr morgens gestellt. Zu dieser Zeit beginnt die Sonne langsam aufzugehen, und die berühmten Heißluftballons bereiten sich darauf vor, in den Himmel zu steigen. Als ich jedoch den Reißverschluss meines Zelts öffnete, spürte ich sofort, dass etwas anders war. Der Reißverschluss klemmte – ungewöhnlich. Und dann sah ich es: Kapadokien war über Nacht unter einer Schneedecke verschwunden. Die Temperaturen waren unter null gefallen, und mehrere Zentimeter Schnee hatten sich über die märchenhafte Landschaft gelegt. Der Anblick war magisch – noch am Abend zuvor hatte ich die Felsen ohne Schnee gesehen, und nun lag alles in einem weißen, nebligen Schleier.

Die Ballons starteten an diesem Morgen nicht – zu viel Schnee, zu wenig Sicht. Stattdessen holte ich direkt meine Kamera raus, fing die Szenerie aus verschiedenen Perspektiven ein und genoss diesen ganz eigenen, stillen Zauber.

Anschließend packte ich mein Zelt zusammen und rollte vom Hügel hinunter in die Stadt Göreme. Dort hatte ich mir vor ein paar Tagen ein Hostel für zwei Nächte gebucht. Im Diadem Hostel angekommen, wurde ich freundlich empfangen. Der Gastgeber betreibt das Hostel mit viel Liebe zum Detail und Herzlichkeit. Da ich zu früh dran war, vertrieb ich mir die Zeit bei ein paar Gläsern Tee und Gesprächen mit dem Gastgeber und anderen Reisenden.

Als mein Fahrrad und meine Taschen sicher verstaut waren, machte ich mich auf zu einer Wanderung durch die Felslandschaften Kapadokiens. Zuerst besuchte ich das Open Air Museum von Göreme. Es bot nicht nur einen faszinierenden Einblick in die Entstehung dieser Landschaft, sondern auch in die Lebensweise der Menschen, die hier vor Jahrhunderten in Höhlen lebten. Die Felsen sehen teils aus wie von Künstlerhand geformt – Gesichter, Skulpturen, ganze Gebäude scheinen sich aus dem weichen Tuffstein zu erheben.

Nach dem Museumsbesuch wanderte ich weiter, durch enge Schluchten, vorbei an skurrilen Felsformationen und kleinen, herausfordernden Pfaden. Besonders beeindruckend war das Red Valley mit seinen rötlich gefärbten Steinen, die teilweise auch gelbe, grüne oder weiße Nuancen aufwiesen. Überall waren in die Felsen kleine Fenster, Türen, Kirchen und sogar burgähnliche Strukturen gemeißelt – es fühlte sich an wie eine Reise durch eine andere Welt. Insgesamt wanderte ich an diesem Tag rund 15 Kilometer durch Schnee, Hagel, Sonne und Wolken – von Schlucht zu Schlucht, ein Naturwunder nach dem anderen.

Am Abend ging ich in der Stadt etwas essen. Zuerst wollte man mir für eine Pizza 20 € abknöpfen – ich ließ mich jedoch nicht abzocken und fand kurz darauf eine leckere Pizza für faire 8 €. Der Moment erinnerte mich daran, dass man in einem touristischen Ort wie Göreme als Reisender immer wachsam sein muss.

Am nächsten Tag empfahl mir der Hostelbetreiber eine geführte Tour – sie sollte zu einer unterirdischen Stadt und einem schönen See führen. Da die Orte nur schwer mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar sind, entschied ich mich, mitzufahren. Leider wurde ich enttäuscht. Statt einer echten Erfahrung wurde ich von Hotspot zu Hotspot im Minibus gekarrt – jeweils mit kaum 10 Minuten Zeit zum Verweilen. Es gab Stopps bei einem Juwelier und einem Süßwarenladen, bei denen man offensichtlich zum Kauf animiert werden sollte. Die unterirdische Stadt war jedoch ein echtes Highlight: ein gigantisches System aus Lüftungsschächten, Speisekammern, Lagerräumen, Notgängen und Viehställen – alles tief unter der Erde.

Trotzdem merkte ich, dass solche geführten Touren einfach nicht mein Ding sind. Ich will Orte fühlen, erleben, erkunden – und nicht im Eiltempo durchgeschleust werden.

Am Abend ging ich mit Fabio essen, den ich im Hostel kennengelernt hatte. Wir hatten gute Gespräche und lachten viel. Danach fiel ich müde, aber zufrieden, in mein Bett.


 

Mega Aussicht !

Glücklicher Nisse bei verschneitem Kappadokien 

Verschneites Radel.

Diese Schönheit. 

Am Nachmittag ist alles geschmolzen. Nun kommen die Farben und die Gewaltigkeit der Felsen so richtig zur Geltung. 

15 km Wanderung an Pausetag 

Diese Strukturen !

Tag 51

Ein frostiger Start und ein warmes Herz 
 
In der Nacht hatte es viel geregnet, und am Morgen waren die Temperaturen unter dem Gefrierpunkt. Der Regen war über Nacht zu Eis geworden, das sich wie eine Schicht Glas über mein Zelt gelegt hatte. Nachdem ich mein Frühstück am Ufer des Salzsees gegessen hatte – ein magischer Ort, gerade in dieser morgendlichen Kälte – packte ich meine Sachen zusammen. Heute stand eine große Etappe bevor. 
 
Zunächst fuhr ich noch einige Kilometer entlang des Toz Gölü, dann ging es langsam hinein in die Berge. Kaum hatte ich ein paar Höhenmeter gemacht, fuhr ich an einem Gemeindehaus vorbei, aus dem mir ein Mann zuwinkte. Er bat mich in die warme Gemeindestube und servierte mir zwei Gläser Tee. Wir versuchten, so gut es ging, miteinander zu sprechen – ein schönes, kleines Gespräch, das mir gut tat. 
 
Ein paar Kilometer weiter begegnete ich einem älteren Mann, der mit dem Auto an mir vorbeifuhr, kurz anhielt und ausstieg. Irgendwie erkennen die Leute sofort, dass ich Deutscher bin. Er erzählte mir, dass er 17 Jahre in Hotels in Österreich gearbeitet hat und danach noch 17 Monate in einer Fischfabrik in Deutschland war. Es war ein richtig herzliches Gespräch, das mir den ganzen Tag nicht mehr aus dem Kopf ging – diese Offenheit und Freundlichkeit der Menschen hier bewegt mich immer wieder. 
 
Die Route führte mich weiter durch kleine Bergdörfer und über das erste von zwei Bergmassiven. Danach ging es ein Stück durch ein Tal, bevor der zweite, noch etwas steilere Abschnitt begann, der mich schließlich näher und näher an Kapadokien heranführte. 
 
Die heutigen Anstiege waren zahlreich. Sie waren zwar nicht sehr lang, aber oft sehr steil – eine echte Herausforderung für Beine und Kopf. Als ich am Abend in Göreme ankam, zeigte mein Tacho über 1.700 Höhenmeter und fast 130 Kilometer. Ich war fix und fertig, aber auch unglaublich zufrieden. 
 
Ich suchte mir ein schönes Plätzchen für mein Zelt – mit perfekter Aussicht auf die zerklüfteten Berge Kapadokiens. Ich hoffe, dass morgen früh die Ballons starten – auch wenn Schnee angesagt ist. Es wäre ein krönender Auftakt für das nächste Kapitel dieser Reise. 


Abendlicher Ausblick über Kappadokien

 

Auf einen Tee oder auch zwei eingeladen 

Kappadokien ich komme !

Burg Uchisar

Genialer Ausblick !

Bester Koch-Spot.

Es gibt auch schlechtere Schlafplätze

Sonnenuntergang über Göreme in Kappadokien 

Aussicht bei Nacht 

Tag 50

Am heutigen Morgen brachte mich der Großvater mit dem Auto zurück zum Haus der Familie – eine Strecke von gerade einmal 500 Metern. Man hätte sie locker zu Fuß gehen können, aber der Großvater fährt grundsätzlich alles mit dem Auto. Dort angekommen, wartete schon ein leckeres Frühstück auf mich. Ich schlug noch einmal richtig zu, um für den bevorstehenden Tag genügend Energie zu haben.

Wie immer hieß es irgendwann Abschied nehmen. Bevor ich losfuhr, drehte ich mit den Großeltern noch eine kleine Interviewsequenz für meine Dokumentation über die Radreise – ein schöner Abschluss dieses unerwarteten, aber intensiven Zwischenstopps.

Die ersten 70 Kilometer führten mich über eine flache Ebene mit ein paar Hügeln, bis ich mein heutiges Ziel erreichte: den Toz Gölü – ein riesiger Salzsee, der sich wunderschön in die Landschaft einfügt. Im Sommer soll er leicht rosa schimmern, heute im Winter sah er eher aus wie ein gewöhnlicher See. An seinem Rand entdeckte ich große weiße Salzhügel, wo das Salz aus dem Seewasser gefiltert und dann auf LKWs verladen wird – beeindruckend zu sehen.

Doch die Idylle wurde kurz unterbrochen: Ich bemerkte, dass mein Vorderreifen platt war – der zweite Platten auf meiner gesamten Tour, und das auch noch direkt einen Tag nach dem letzten. Genervt wechselte ich den Schlauch und fuhr weiter. Bei der nächsten Tankstelle pumpte ich ihn auf den richtigen Druck auf. In der nahegelegenen Kleinstadt gab es sogar einen Fahrradladen, aber leider hatten sie keine passenden Ersatzschläuche – ich fahre mit französischem Ventil, hier ist das Autoventil Standard.

Also hieß es: weiterfahren. Mein Plan war, mir eine schöne Schlafstelle am See zu suchen. Nach weiteren 25 Kilometern, also insgesamt 103 km für den Tag, fand ich einen tollen Spot direkt am See mit Blick auf die weite Salzfläche. Die Kulisse war beeindruckend – absolute Ruhe, Weite, Salz unter den Füßen.

Ich begann meine Abendroutine, kochte mir Nudeln, während es langsam kälter wurde. Kurz darauf setzte auch der Regen ein – gerade noch rechtzeitig war ich im Schlafsack.


 

Abschied von der Dänisch-Tükischen Familie, die mich gestern verfroren aufgenommen haben.

Auf einen Tee vom netten Resul eingeladen. Top Typ!

Mein CO2 Fußabdruck beim Radfahren =0

Tag 49

An diesem Morgen wurde ich mal wieder vom Schnee überrascht. Während ich frühstückte, sah ich aus dem Fenster, wie die ersten Flocken fielen. Ein Blick auf die Wetter-App bestätigte: Es sollte noch mehrere Stunden lang schneien. Ich nahm es als sportliche Herausforderung. Doch kaum hatte ich meine Sachen gepackt, fiel mir auf, dass ich erneut einen Platten am Hinterrad hatte – zum fünften Mal auf dieser Reise. Genervt wechselte ich den Schlauch, was mich fast eine Stunde Zeit kostete.

Als ich endlich losfuhr, wurde der Schneefall immer intensiver. Begleitet von heftigem Wind kämpfte ich mich durch den Sturm. Besonders hart wurde es, als es auf einen kleinen Berg ging. Schneeverwehungen bedeckten die Straße, und ich konnte kaum noch erkennen, wie der Untergrund beschaffen war. Der Wind peitschte mir mal von der Seite, mal direkt ins Gesicht.

Je höher ich kam, desto extremer wurde der Schneesturm. Als ich kurz auf mein Handy schaute, merkte ich, dass sich Eiszapfen an meinen Augenbrauen und Wimpern gebildet hatten. Dank meiner Sturmhaube blieb immerhin mein Bart vor dem Gefrieren verschont. Trotz mehrerer Kleidungsschichten drang die Kälte durch. Der Wind, der Schnee – alles raubte mir Kraft. Ich wusste: Ich musste dringend einen warmen Unterschlupf finden. Aber weit und breit war kein Dorf in Sicht.

Ich kämpfte mich weiter durch den Sturm, Meter für Meter, bis ich endlich ein kleines Dorf erreichte. In der Hoffnung auf einen trockenen Platz suchte ich die Moschee auf – doch sie war verschlossen. Im ganzen Dorf war niemand auf der Straße. Die Stimmung war trostlos, der Schnee peitschte weiter, meine Hoffnung schwand.

Dann sah ich plötzlich Bewegung hinter einem Fenster. Ich fasste mir ein Herz und ging zu dem Haus. Es gab keine Klingel, also öffnete ich vorsichtig die nicht verschlossene Tür, um mich bemerkbar zu machen. Kurz darauf kamen einige Kinder und eine Frau ins Haus – vorsichtig, skeptisch. Sie forderte meinen Pass, um sicherzugehen, dass ich kein Eindringling war. Später erfuhr ich, dass in der Gegend immer wieder Diebstähle durch durchziehende Gruppen aus verschiedenen Ländern vorkommen. Als sie sah, dass ich wirklich nur Schutz vor dem Wetter suchte, schlug ihre Zurückhaltung schnell in Gastfreundschaft um.

Sie bot mir sofort etwas zu essen an – und wie! Es gab türkische Suppe, Gebäck, Tee, verschiedene Säfte und mehr. Ich war überglücklich – aufzutauen, mich zu stärken und einfach mal durchzuatmen.

Die Frau erzählte mir, dass sie mit ihrer Familie in Dänemark lebt. Das Haus im Dorf ist ihr Sommerhaus – sie sind etwa fünfmal im Jahr hier. Ihren Mann hat sie kennengelernt, als sie ihre Großeltern besuchte, die in diesem Dorf leben. Dass ich sie ausgerechnet an diesem Tag getroffen habe, war wirklich pures Glück.

Zum Mittagessen kam die ganze Familie zusammen: Reis, Salat, Dips, Gemüse, Suppe – ich wurde rundum verwöhnt. Danach fuhren die beiden Söhne mit ihrem Großvater und mir zu den Kuşça Peri Bacaları – faszinierende Felsformationen, die wie aus einer anderen Welt wirkten. Mir wurde gesagt, das sei ein kleiner Vorgeschmack auf Kapadokien. Wenn das ein Vorgeschmack war, kann ich mir kaum vorstellen, wie mich Kapadokien umhauen wird.

Am Abend gab es noch Pancakes mit Erdnussbutter und Schokokuchen – ein echtes Highlight. Wir unterhielten uns viel, schauten gemeinsam meine kurzen Videos an, und die Familie war richtig begeistert.

Da Männer und Frauen in muslimischen Familien getrennt schlafen, konnte ich nicht im Haupthaus übernachten. Stattdessen brachte mich der Großvater zu sich nach Hause und bot mir dort eine warme Schlafmöglichkeit an – was für eine Selbstverständlichkeit für ihn, was für ein großes Geschenk für mich.


Im Eis-/Schneesturm


Im Eis-/Schneesturm alles verweht bei Sturmböen 


Rettung nach dem Eis-/Schneesturm mit bestem Essen.


Ich werde mit allem versorgt und bei der sehr netten Familie gut aufgenommen 

Entspannen im Wohnzimmer

Ich werde besser, als in jedem Hotel versorgt 

Tag 48

Heute Morgen wachte ich in einem angenehm warmen Zimmer auf. Der Ofen hatte die Nacht durchgeheizt, und es war richtig gemütlich. Doch kaum trat ich aus dem Zimmer, traf mich die kalte Realität: draußen lagen ein paar Zentimeter Schnee, und das Thermometer zeigte eisige -2 °C. Die Aussicht auf die schneebedeckten Hügel war atemberaubend – ein wunderschöner, ruhiger Morgen. Doch der Gedanke daran, gleich in dieser Kälte aufs Rad zu steigen, ließ mich noch etwas zögern. 
 
Zum Glück wurde ich zunächst mit einem leckeren Frühstück mit der Familie verwöhnt. Danach hieß es für mich wieder aufs Rad steigen. Der Schnee hatte mittlerweile aufgehört, und die Sonne kämpfte sich durch die Wolken. Zwei große Anstiege standen heute an: der erste auf 1650 m, der zweite sogar auf 1730 m Höhe. Ich war gespannt, wie die Straßenverhältnisse sein würden. 
 
Ab etwa 1300 m lag links und rechts der Straße überall Schnee – ein paar Zentimeter, die die Landschaft in ein winterliches Märchen verwandelten. Doch die Straße selbst war frei und gut befahrbar. Ich kam langsam, aber stetig voran. Der Gegenwind machte es nicht leichter, aber bei dieser Kulisse konnte ich kaum klagen. Sonnenlicht auf dem Schnee, weitläufige Hügel, Ruhe – das war purer Genuss. 
 
Nach den Höhenmetern folgte eine traumhafte Abfahrt ins Tal. Unten lag kein Schnee mehr, und ich konnte wieder etwas schneller fahren. Mein Tagesziel war Çeşmelisebil, etwa 130 km von meinem Startpunkt entfernt. Doch 30 km vor dem Ort checkte ich erneut die Wetter-App – die Nacht sollte wieder frostig werden, mit Temperaturen bis -4 °C. Mein Zelt wäre unter diesen Bedingungen keine gute Option gewesen. 
 
Also begann ich, mich im Dorf nach einer Schlafmöglichkeit umzuhören. Hotels oder Ferienunterkünfte gab es hier natürlich keine. Ich fuhr durch das fast ausgestorbene Dorf, klopfte hier und da – ohne Erfolg. Dann sah ich ein Auto – ein Hoffnungsschimmer! Ich trat kräftig in die Pedale und erwischte den Fahrer gerade noch, bevor er losfuhr. 
 
Er erklärte mir, dass er selbst nur zu Besuch sei und bald zurück nach Konya fahren würde. Doch er fragte seinen Gastgeber, ob ich vielleicht bei ihm unterkommen könne. Und tatsächlich – kurze Zeit später bekam ich die Zusage: Ich durfte im Gästehaus des Farmers übernachten. Der Bauer erwartete uns bereits und heizte den Kamin im Hauptraum an – dringend nötig, denn es wurde schnell bitterkalt. 
 
Auf die Frage, ob ich etwas essen wolle, sagte ich natürlich ja. Mein Helfer brachte mich mit dem Auto zum einzigen Restaurant im Dorf – geschlossen. Doch das war kein Problem. Er rief den Besitzer an, der versprach, mir in einer Stunde frisches Essen ins Gästehaus zu bringen. 
 
In der Zwischenzeit bereitete der Bauer Tee zu, und wir unterhielten uns so gut es ging. Er erzählte, dass er Weizen und Gerste anbaut und in diesem Dorf geboren wurde. Als ich ihn fragte, ob er schon mal beim nahen Salzsee gewesen sei – nur etwa 100 km entfernt – lachte er nur und sagte, dass er da mit seinem Traktor nicht hinkomme. Das zeigte mir einmal mehr, wie einfach das Leben hier ist – und wie stark es von der täglichen Arbeit geprägt ist. 
 
Er beklagte sich über die niedrigen Preise für seine Ernte und die steigenden Abgaben. Die Politik, sagte er, mache es den Bauern schwer, noch gut zu leben. Später kam der Restaurantbesitzer mit frischem Lahmacun vorbei – ein weiteres Beispiel für die unglaubliche Hilfsbereitschaft der Menschen hier. Er rief sogar direkt einen Freund an, der Deutsch spricht, um die Kommunikation zu erleichtern – ein typischer Move, den ich mittlerweile öfter in der Türkei erlebt habe. 
 
Nach dem Essen und einem letzten Tee war ich müde und zufrieden. Der Bauer hatte mir eine Matratze vorbereitet, ich rollte mich ein, spürte die Wärme des Ofens – und schlief tief und fest. 


Frühstück im Kaminraum und meinem Schlafplatz 

 

Abschied von meiner Gastfamilie für die letzte Nacht.

Immer mehr Schnee, umso weiter ich nach oben Fahre 

Fahren bei -1 am ganzen Tag 

Moschee NR. 1000

Winter Wonderland auf 1730m

Eis, Eis Baby!

Schneeeee !

Mit dem Kraftpaket bei jedem Wetter unterwegs.

Ich habe eine Saatkrähenkolonie entdeckt. 

Im warmen untergekommen und der Ofen wird angeheitzt.

Mit den zwei lieben Herren am Tee trinken und Essen.

Tag 47

Am heutigen Morgen wurde ich durch ein Klopfen geweckt – Beryasin, der Deutsch-Türke von gestern, stand vor der Tür. In den Händen hielt er ein liebevoll zusammengestelltes Frühstück: Tomaten, Gurken, Oliven, süßes Gebäck, Fladenbrot, Wurst, Schafskäse und Eier. Aus den Eiern zauberte ich mir in der kleinen Pfanne ein Rührei, das Fladenbrot genoss ich mit meiner mitgebrachten Erdnussbutter. Doch ich kam gar nicht dazu, alles aufzuessen – es klopfte erneut. 
 
Ein weiterer Bekannter von gestern, Arif, stand vor der Tür und lud mich herzlich zu sich nach Hause ein. So ließ ich das erste Frühstück stehen und wurde direkt zum nächsten gebracht. Auch bei Arif war der Tisch reich gedeckt, und ich konnte erneut nicht widerstehen. Zwei Frühstücke, zwei große Portionen Herzlichkeit – und mein Magen war bestens versorgt. 
 
Draußen regnete es noch immer. Trotzdem fuhren Arif und ich gemeinsam zur kleinen Hütte zurück. Ich packte meine Sachen, zog meine Regenkleidung an – und just in dem Moment, als ich starten wollte, hörte der Regen auf. Vorerst. 
 
Nach etwa 20 Kilometern, am Ufer des Beyşehir Gölü angekommen, schlug das Wetter plötzlich wieder um. Der Regen kam mit voller Kraft zurück, begleitet von kaltem Wind, der gegen mein Gesicht peitschte. Die atemberaubende Kulisse, die mich eben noch verzaubert hatte, wurde von Kälte, Nässe und Gegenwind verschluckt. 
 
Ich suchte kurz Zuflucht in einem kleinen Çiğköfte-Laden in Beyşehir, wo ich zwei Çiğköfte aß und mich etwas aufwärmte. Der Verkäufer gab mir den Tipp, die berühmte Eşrefoğlu-Moschee zu besuchen – und ich folgte seinem Rat. Die Moschee war beeindruckend: ein architektonisches Juwel aus Holz, voller Geschichte und Anmut. 
 
Doch danach wurde es hart. Der Regen ließ nicht nach, der Wind schien stärker zu werden, und die Kälte kroch mir langsam unter die Haut. Ich begann, nach einer warmen Schlafmöglichkeit zu suchen – aber die Gegend war wie ausgestorben. Ich klingelte mich durch ein kleines Dorf, doch niemand öffnete. Der Regen tropfte mir inzwischen durch die Ärmel. Die Hoffnung schien zu schwinden. 
 
Dann kam ich in Çukurağıl an – durchnässt, durchfroren, aber noch nicht entmutigt. Genau in diesem Moment hielt ein Auto hinter mir an. Ein älterer Herr stieg aus, und ich nutzte die Gelegenheit. Ich sprach ihn an, erklärte meine Situation und fragte, ob es irgendwo einen warmen Unterschlupf für die Nacht gäbe. Zunächst wollte er mich in der Moschee des Dorfes unterbringen, doch der Aufenthaltsraum war verschlossen, und der Imam nicht auffindbar. 
 
Also brachte er mich kurzerhand zu dem anderen älteren Mann, den er zuvor abgesetzt hatte. Und dort, in diesem einfachen, aber warmen Zuhause, fand ich schließlich Schutz. Der Ofen wurde für mich angeheizt, es gab warmes Essen, und meine müde, durchgefrorene Seele konnte endlich zur Ruhe kommen. 
 
Am Abend fiel der Regen langsam in Schnee über. Ich saß in der warmen Stube, der Kamin knisterte, draußen tanzten Schneeflocken durch die Dunkelheit – und ich war einfach nur dankbar. Für die Hilfe. Für das Vertrauen. Für diesen Moment. 


 

Frühstück mit Arif bei ihm zuhause.

Abschied von bestem Mann, Arif.

Eşrefoğlu-Moschee in Beyşehir

Nach Dauerregen, Kälte und Ungemütlichkeit bei netter Familie untergekommen. 

Abends fing es an zu schneien 

Temperatur für die Nacht und nächsten Tag 

Blick auf das Meer.

Eine Turteltaube hat ihr Nest auf den Schriftzug einer Strandbar gebaut. Gute Brutsaison!

Ich genieße meine Pita direkt am Meer.

Tag 46

Der Tag begann heute ungewohnt früh. Serkan musste zur Arbeit und wollte, dass ich gemeinsam mit ihm das Haus verlasse. Leider vertraute er mir nicht genug, um mir zuzutrauen, dass ich alleine alles in Ruhe zusammenpacke und das Haus selbstständig abschließe. So begann meine Morgenroutine bereits um sechs Uhr: schnelles Frühstück, Sachen packen – und los.

Zunächst rollte ich flach an der Küste entlang, vorbei an den morgendlichen Silhouetten Antalyas. Nach etwa 55 Kilometern begann der eigentliche Teil des Tages: der Anstieg ins Hochland. In einem kleinen Dorf vor dem Pass versorgte ich mich noch einmal mit ausreichend Wasser und Proviant. Dann warteten 850 Höhenmeter auf 17 Kilometern auf mich – eine echte Herausforderung.

Je höher ich kam, desto beeindruckender wurde die Landschaft. Felswände ragten auf, die Luft wurde klarer, die Aussicht weiter. Kurz vor dem Hochplateau ging es durch einen 5 Kilometer langen Tunnel – ein leicht beklemmendes Erlebnis, aber zum Glück war kaum Verkehr. Danach war ich auf über 1.000 Metern angekommen – und mir blieb regelrecht der Atem weg. Das Panorama war atemberaubend: gewaltige Berge, tiefe Täler und diese Ruhe, wie sie nur in der Höhe zu finden ist.

Ich fuhr weiter durch die Hochebene, über kleine Anstiege und Abfahrten – tief hinein ins Herz des Hochlands. Nach etwa 130 Kilometern checkte ich meine Wetter-App: Es war Regen für die ganze Nacht und den nächsten Morgen angesagt. Ich wollte unbedingt vermeiden, mein Zelt im strömenden Regen aufbauen zu müssen – also machte ich mich auf die Suche nach einem überdachten Platz. Ich fuhr einige Kilometer weiter, fand aber keine alte Baracke oder ähnliches.

Plötzlich sah ich ein Auto, das ich schon auf dem Anstieg einige Male gesehen hatte. Die Männer im Wagen grüßten mich wieder mit einem Hupen und Daumen nach oben. Diesmal hielten sie an einer Raststelle, und ich nutzte die Gelegenheit, sie nach einem trockenen Unterschlupf zu fragen. Ein Hotel kam für mich nicht infrage – und 40 zusätzliche Kilometer bis zum nächsten Ort waren keine Option. Als ich ihnen erklärte, was ich suchte – einfach nur ein trockener Platz für mein Zelt – boten sie mir direkt ihr Gartenhaus an.

Also ging es für mich noch einmal 6 Kilometer zurück – diesmal bergauf. Doch die Mühe lohnte sich: Das Gartenhaus war mit Teppichen ausgelegt, es gab einen Ofen, und die Männer wollten sogar für mich kochen. Ich genoss draußen noch die letzten Sonnenstrahlen mit Blick über die Landschaft, bevor die Gruppe – inzwischen waren auch Cousins und Freunde dazugekommen – mit dem Essen zurückkam.

Wir saßen zusammen, aßen Reis, Fladenbrot, Salat, Lammfleisch und Süßigkeiten. Die Stimmung war herzlich, auch wenn der Raum von Zigarettenrauch durchzogen war – in der Türkei wird leider überall und andauernd geraucht, und das musste ich nun eben aushalten. Trotz der Sprachbarriere – mit Google Translate und ein wenig Deutsch kamen wir gut zurecht. Zwei der Männer sprachen sogar ein bisschen Deutsch, einer von ihnen war sogar gerade aus Deutschland zu Besuch. Er erzählte mir, dass er dort als Schweißer gearbeitet hatte, bis sein Arbeitsplatz gestrichen wurde. Die Arbeit habe ihn körperlich stark belastet – seine Augen, sein Rücken, sein Nacken: alles tat ihm weh. Nun war er in der Türkei, um sich ärztlich durchchecken zu lassen – hier sei das einfacher und schneller, sagte er.

Auch die anderen erzählten von ihrem Leben: Einer war saisonal als Erdbeerbauer tätig, ein anderer hatte kürzlich seinen Job als Koch gekündigt. Ein Dritter arbeitete für die Stadt als LKW- und Gabelstaplerfahrer. Und einer konnte aktuell gar nicht arbeiten – aus gesundheitlichen Gründen. Es war spannend, ihren Geschichten zuzuhören und einen Einblick in ihre Lebensrealität zu bekommen. Ganz unterschiedliche Lebenswege, aber alle verbunden durch Gastfreundschaft, Wärme – und den Wunsch nach einem guten Leben.

Am Ende baute ich mir einen Schlafplatz in der Hütte auf, ein Ofen wurde noch einmal für mich angeheizt, und während draußen der Regen auf das Dach prasselte, schlief ich warm und trocken ein – dank dieser Begegnung, die ich nie vergessen werde.


 

Abschied von Serkan in Antalya 

Hoch hinaus !
Berge,Berge,Berge…

Wie oft findet ihr das Wort “Bali” im Bild ?

Ausblick von der Hochebene 

Ich bin in hoher Höhe in atemberaubender Landschaft 

Hilfe am Abend. Danke euch !

Abendessen in der Gartenhütte genießen.

Tag 45

Nach einer erholsamen Nacht wachte ich ausgeschlafen auf – der neue Tag stand ganz im Zeichen kleiner Erledigungen, wie sie an einem Pausentag eben dazugehören. Zuerst machte ich mich auf die Suche nach neuem Massageöl, das ich jeden Abend für meine Knie benutze. Es ist ein kleiner, aber wichtiger Teil meiner Regeneration nach den täglichen Belastungen auf dem Rad. Danach besorgte ich mir neue Pocrème – auch diese neigte sich langsam dem Ende zu, und ohne sie geht’s auf langen Etappen nicht wirklichx angenehm weiter.

Im Anschluss brachte ich meine Radkleidung zur Schneiderei. Durch die ständige Bewegung, das viele Sitzen im Sattel und die Reibung hatten sich an ein paar Stellen kleine Löcher gebildet. Die Schneiderin arbeitete so präzise, dass ich im Nachhinein kaum noch sehen konnte, wo sie die Nähte gesetzt hatte – wirklich beeindruckend.

Am Nachmittag widmete ich mich meinem Blog. Über mehrere Stunden brachte ich meine Website auf den aktuellen Stand, sortierte Fotos, schrieb neue Einträge und kümmerte mich auch um die Vorbereitung neuer Reels für Social Media. Auch die Planung für die kommenden Etappen stand auf dem Programm: Karten checken, Höhenprofile durchgehen, Wetterprognosen vergleichen. Es ist erstaunlich, wie schnell so ein Pausentag mit all diesen Dingen vergeht.

Zum Abend hin gönnte ich mir noch einen letzten Kumpir – diesen mit besonders viel Belag – wohl wissend, dass ich die nächsten Tage im Hochland unterwegs sein werde, fernab von größeren Städten und deren kulinarischer Auswahl. Ein Abschied auf Zeit vom Stadtleben, bevor es wieder rauer, abgelegener und naturverbundener wird.






Tag 44

Heute nahm ich an einer kostenlosen Walking Tour durch die Altstadt von Antalya teil. Der Bus, den ich nehmen wollte, kam jedoch lange Zeit nicht, und die Zeit für die geführte Tour wurde immer knapper. Also entschloss ich mich, per Anhalter zu fahren. Zunächst verlief es einige Minuten erfolglos. Als ich schon aufgab, fuhr jedoch ein Auto vorbei, das mich zuvor gesehen hatte und fragte, wohin ich wollte. Der freundliche Autofahrer war Kasache und lebt seit sieben Jahren in Antalya. Da er mit seinen Kindern zum Marathon wollte, der an diesem Tag in Antalya stattfand, führte uns seine Route direkt an meinem Ziel vorbei. Er brachte mich rechtzeitig zum Treffpunkt der Tour, was mir zeigte, dass auch Trampen eine gute Möglichkeit sein kann.

Die Walking Tour war sehr interessant und beleuchtete die Geschichte von Antalya. Wir besichtigten einige Moscheen und erfuhren viel über die Kultur und Architektur der Stadt.

Nach der Tour entschloss ich mich, eine lange Strecke bis zum Steinstrand von Antalya zu gehen. Dort kaufte ich mir eine Pita und genoss sie direkt am Meer. Anschließend schlummerte ich noch ein wenig am Ufer und ließ mich vom Rauschen des Meeres beruhigen.

Am Abend lief ich noch etwas am Strand entlang und aß einen Kumpir zum Abendessen. Danach nahm ich den Bus für eine einstündige Fahrt zu meiner Unterkunft bei Serkan. Währenddessen war er mit seinem Motorrad auf einer Tour mit einigen Freunden unterwegs. Da er gerade ein Projekt abschließen muss, arbeitet er seit einigen Wochen täglich etwa zehn Stunden. Es ist beeindruckend, wie hart viele Menschen hier in der Türkei arbeiten und dabei oft vergleichsweise wenig verdienen.



 

Kunst aus Alten Baumstämmen in einem kleinen Park.

Der nette Herr, der mich bei meinem Tramp Versuch mit in die Altstadt nach Antalya genommen hat, da der Bus unzuverlässiger Weise nicht kam.

In einer Moschee

Marathon in Antalya. Und ich bin nicht dabei. Was ist da los ;)

Die schöne Altstadt von Antalya mit ihren vielen unterschiedlichen Häusern.

Der Eingang in eine Moschee

Blick auf das Meer.

Eine Turteltaube hat ihr Nest auf den Schriftzug einer Strandbar gebaut. Gute Brutsaison!

Ich genieße meine Pita direkt am Meer.

Tag 43

Heute Morgen erwachte ich mit Blick auf das Mittelmeer. Ich setzte mich auf einen Stein am Ufer, blickte in die Ferne und genoss den Sonnenaufgang über dem Meer. Heute war die Fahrt zu meiner Warmshowers-Unterkunft bei meinem Gastgeber nur 30 km entfernt. Der Weg durch Antalya gestaltete sich relativ einfach, da es gut ausgebaute Radwege gab.

Als ich bei Serkan in Antalya ankam, stellte ich meine Sachen ab und machte mich auf, die Stadt ein wenig auf eigene Faust zu erkunden. Nachdem ich ein Kumpir gegessen hatte, entschloss ich mich, ein Hammam zu besuchen. Ein Hammam ist eine traditionelle Art von Spa. So verbrachte ich die nächsten drei Stunden im Hammam und genoss eine klassische Hammam-Massage, drei Saunagänge, einen Dampfsaunagang, ein Salzpeeling, eine traditionelle Massage, ein Bad im Jacuzzi, begleitet von Tee und einer Gesichtsmaske. Obwohl der Spaß nicht günstig war, hat es sich für mich sehr gelohnt.

Am Abend nahm mich Serkan mit zum Abendessen am Meer in einen Park. Dort bauten wir Campingstühle und einen Campingtisch auf. Gemeinsam mit einer Arbeitskollegin von Serkan und deren Mutter genossen wir Lahmacun und die Aussicht auf die untergehende Sonne über dem Meer. Ich führte viele Gespräche mit der Arbeitskollegin von Serkan, die immer wieder bereichernd sind. In solchen Gesprächen erfahre ich viel über die Menschen und die Kulturen, insbesondere hier in der Türkei. Danach gingen wir noch zu einem Eisladen, den Serkan mir unbedingt zeigen wollte.

Nach all den Eindrücken fiel ich an diesem Abend einfach nur müde ins Bett.

 

Blick von meinem morgendlichen Stein am Mittelmeer.

Und hier der ganze Strand

Im Hamam 

Heute habe ich mir das komplette Entspannungsprogramm gegeben :)

Serkan am Organisieren für unser Essen.

Unser Ausblick in Richtung Meer. Es war schlussendlich kälter als gedacht, da es in der Nähe regnete. 

Serkans Empfehlung: das nächtliche Eis

Tag 42

Am nächsten Tag setzte ich meine Reise in Richtung Antalya fort. Auch für diesen Tag war ein sehr großer Berg auf meinem Plan. Die ersten 50 Kilometer fuhr ich noch angenehm entlang der Küste, an zahlreichen Buchten, die eine schöner war als die andere. Das Wasser schimmerte in der Sonne in einem wunderschönen Türkis. Als es für mich dann auf den nächsten großen Anstieg ging, änderte sich das Wetter jedoch abrupt. Zunächst war es nur ein kurzer Schauer, doch bald darauf regnete es sich ein. Es war ein wenig unheimlich, auf einem Berg zu fahren, während über mir Blitze in die Bäume einschlugen, der Donner laut grollte und es durch den Regen immer kälter wurde. Da ich keine Lust hatte, meine Regenkleidung anzuziehen, wurde ich immer nasser. Ich hoffte, oben auf dem Berg eine Tankstelle zu finden, um mich aufzuwärmen und etwas zu essen. Die Tankstellen befanden sich jedoch nur auf der anderen Straßenseite, die durch eine Leitplanke blockiert war, sodass ich diese nicht erreichen konnte. Also musste ich den Berg noch ein Stück weiter hinunterfahren.

Bei einem kleinen Supermarkt hielt ich an und kaufte etwas zu essen. Zu diesem Zeitpunkt war ich jedoch bereits ziemlich durchnässt und fror stark. Ich fragte die Besitzer des Kiosks, ob sie einen warmen Raum hätten, in dem ich mich ein wenig aufwärmen könnte. Sie luden mich freundlicherweise zu sich nach Hause ein, schalteten den Ofen ein und servierten mir eine warme Suppe mit leckerem Salat. Nach etwa einer Stunde war ich wieder aufgewärmt und trocken.

Dann setzte ich meine Fahrt fort, fuhr den Berg weiter hinunter und kam meinem Ziel, Antalya, immer näher. Nach vielen Höhenmetern und 120 Kilometern erreichte ich schließlich einen Campingplatz kurz vor Antalya. Dort kochte ich abends meine Nudeln am Strand und genoss meinen letzten richtigen Tag am Mittelmeer.


 

Ich konnte heute etliche traumhafte buchten in der Süd-Türkei sehen 



Küste bedeutet automatisch auch viel Berg fahren

Mein Koch Setup am Strand auf einem kleinen Felsen. Jetzt erst mal Nudeln kochen.

Ein glücklicher Nisse vor den Toren von Antalya am Meer 

Tag 41

Heute Morgen wachte ich in meinem kleinen Apartment, dem Gebetsraum, angenehm im Trockenen auf. Die Sonne ging wunderschön auf, weshalb ich die Gelegenheit nutzte, meine Drohne über die malerische Kulisse fliegen zu lassen. Danach gönnte ich mir ein kleines Frühstück. Ein Straßenhund näherte sich vorsichtig und leistete mir Gesellschaft. Währenddessen erblickte ich in der Ferne einen Schäfer, der mit seinen Schafen und Ziegen über die weiten Felder der Hochebene zog. Die Sonne stieg weiter empor, und meine noch feuchten Kleidungsstücke vom Vortag begannen langsam zu trocknen, während ich auf meinem Stuhl die Aussicht genoss. 
 
Der heutige Tag führte mich wieder über zahlreiche Berge auf dem Weg zum Mittelmeer. Als ich dort ankam, war die Sonne so stark, dass ich mir zuerst etwas Sonnencreme auftragen musste. Während ich entlang der Küste fuhr, traf ich auf Tahir, der mit seinem Gravel-Bike unterwegs war. Er lud mich ein, mit ihm einen Tee zu trinken, um in Ruhe sprechen zu können, da es auf dem Fahrrad bei der stark befahrenen Straße schwierig war. Tahir erzählte mir, dass er Polizeibeamter ist und heute eine Ausfahrt gemacht hat, da er Nachtschicht hat. Er lebt in Tash, einer Stadt, die er als die schönste der Türkei empfindet. Tahir riet mir, besonders vorsichtig zu sein, damit mich keine Autos oder Lkw auf den Straßen übersehen. Besonders spannend war, dass er seit seinem 20. Lebensjahr zehn Jahre lang in der Sondereinheit der Polizei und des Militärs tätig war und nun bereits seit fünf Jahren als Polizei Officer arbeitet. Er erwähnte, dass er mit 40 Jahren in Rente gehen wird, was in der Türkei aufgrund der langen Arbeitstage von bis zu 12 Stunden täglich nach 20 Jahren Dienst üblich ist. Dies führt jedoch zu Fragen über den Lebensstandard, den eine solche Rente ermöglicht. 
 
Leider hatte ich meine Radkappe im Restaurant vergessen, in dem Tahir mich sogar noch zum Essen eingeladen hatte. Als ich erst bei meinem nächsten, anspruchsvollen Anstieg mit über 500 Höhenmetern bemerkte, dass sie fehlte, war es nicht mehr möglich, umzukehren. Glücklicherweise organisierte Tahir alles für mich und sorgte dafür, dass ich die Kappe in Demre an der Bushaltestelle des Busbahnhofs abholen konnte. Also ließ ich mein Zelt mit all meinen Sachen am Strand zurück und fuhr in die Stadt. Auf dem Weg dorthin entdeckte ich einen Laden, der Cıgköfte anbot, was mir als Vegetarier empfohlen wurde. Ich bestellte mir drei dieser köstlichen Gemüserollen und ein Getränk, um mich für den Abend zu stärken. Es war ausgesprochen lecker und zu einem sehr fairen Preis – für die drei Rollen und einen Liter Getränk bezahlte ich lediglich 7,80 €, was für die Menge sehr günstig war. 
 
Nach dem köstlichen Mahl machte ich mich auf den Rückweg zum Strand, allerdings navigierte ich zunächst zum falschen Strand. Nach einem kurzen Umweg fand ich schließlich mein Zelt wieder, und zum Glück war alles an seinem Platz. Der Tag war nach den vielen Bergen, die ich mit insgesamt 2200 Höhenmetern und 115 km zurückgelegt hatte, sehr anstrengend, und ich freute mich darauf, mich in meine Abendroutine zu begeben und den Tag mit einer wohlverdienten Nachtruhe zu beenden.

 

Ich konnte heute etliche traumhafte buchten in der Süd-Türkei sehen 



Küste bedeutet automatisch auch viel Berg fahren

Mein Koch Setup am Strand auf einem kleinen Felsen. Jetzt erst mal Nudeln kochen.

Ein glücklicher Nisse vor den Toren von Antalya am Meer 

Tag 40

Heute Morgen erwachte ich nach einer erholsamen Nacht und blickte aus dem Fenster. Der Regen hatte immer noch nicht nachgelassen. Daher fasste ich einen Plan: Ich würde abwarten, bis der Regen nachlässt, und dann meine Reise antreten. Laut Wettervorhersage sollte dies etwa gegen 10:00 Uhr der Fall sein. In der Zwischenzeit genoss ich in Ruhe mein Frühstück mit Müsli und Obst. Nachdem ich meine Sachen zusammengepackt und den Riemen meines Fahrrads gepflegt hatte, war ich bereit, loszufahren.

Jedoch war der Regen nach wie vor unvermindert stark, und es schien nicht so, als würde er, wie von der Wetter-App angekündigt, bald nachlassen. So trat ich die Fahrt dennoch an, in der Hoffnung, dass der Regen in den nächsten ein bis zwei Stunden nachlassen würde. Doch das Wetter änderte sich erneut, und es war nun absehbar, dass der Regen den gesamten Tag über anhalten würde. Glücklicherweise war der Niederschlag heute nicht so intensiv wie am Vortag, sondern eher konstant und ohne die erhofften Regenpausen.

Der zweite Tag im Dauerregen stellte sich als ebenso anstrengend heraus wie der erste. Der Regen raubt erstaunlich viel Energie. Die Pausen sind stets unangenehm kalt, und beim Fahren schwitzt man durch die Isolierschichten, sodass man von innen und außen nass ist. Das Problem von gestern mit den nassen Socken, die durch das Wasser, das in die Schuhe und durch die wasserdichten Überzieher eindrang, gelöst zu haben, war heute von großem Vorteil. Ich hatte anfangs gedacht, dass die wasserdichten Fahrradsocken lediglich unnötiges Gepäck wären, doch heute bewährten sie sich als äußerst nützlich. Zwar drang auch Wasser in meine Schuhe, doch die Socken hielten meine Füße trocken, sodass sie nicht so aufweichten wie am Vortag.

Wie auch gestern legte ich immer wieder Pausen an Tankstellen und Supermärkten ein, um mich ein wenig aufzuwärmen und den ständigen Regen zu vermeiden. Am Mittag kehrte ich in einem kleinen Restaurant ein, wo ich Spinat mit Ei und Reis zu mir nahm. Diese Mahlzeit gab mir deutlich mehr Energie als die Schokokekse, die in den Supermärkten die einzige nennenswerte Energiequelle darstellten.

Auf meiner Fahrt passierte ich einige Berge, die von einer beeindruckenden Landschaft umgeben waren und einfach gigantisch wirkten. Leider konnte ich die Szenerie aufgrund des Regens und der in den Bergen hängenden Wolken nicht so genießen, wie ich es mir gewünscht hätte. Nach dem letzten steilen Anstieg des Tages erreichte ich einen kleinen Zwischenhalt zwischen zwei Bergen, wo sich eine weitere wunderschöne Aussicht bot. Plötzlich fuhr ich an einem kleinen Häuschen vorbei, das auf Stelzen stand und im oberen Bereich Fenster hatte. Ich dachte mir, wenn dieser kleine Raum nicht verschlossen wäre, wäre das mein Glückstag – und tatsächlich, die Tür war offen. Zu meinem Erstaunen war es dort auch deutlich wärmer als draußen.

Es stellte sich heraus, dass es sich um ein Gebetshäuschen handelte, das mit Teppichen ausgelegt war, was es einladend und angenehm machte. Dank des geschützten Raums musste ich mein Zelt nicht aufbauen und konnte meine Isomatte sowie meinen Schlafsack auspacken und die Nacht im Trockenen und ohne Kosten verbringen. Alles, was ich hoffe, ist, dass ich nicht in der Nacht oder am Morgen von einem Gläubigen überrascht werde, der hier sein Gebet verrichten möchte. In dieser abgelegenen Gegend, in der ich mich derzeit befinde, wäre es jedoch ein außergewöhnlicher Zufall, wenn ich genau heute Abend oder morgen früh auf jemanden treffen sollte.

Nun werde ich meine Abendroutine durchführen und mich dann zur Ruhe begeben.

 

Vorbei ging es an einem Bergfluss

Die Aussicht vom Berg aufs Mittelmeer


Moschee Nummer 1

Moschee Nummer 2

Ich bin happy in der Sonne

Sehr nette Gespräche hatte ich mit Tahir. Er ist Polizeiofficer in Kash und leidenschaftlicher Fahrradfahrer.

Hoch hinaus über die Berge.

Wunderschöner Schlafplatz am Meer 

Tag 39

Schon am Abend zuvor hatte es nach dem Essen zu regnen begonnen. Dazu kam der kräftige Wind, der mich bereits den ganzen vorherigen Tag begleitet und ordentlich geschlaucht hatte. Wind, Regen und dann auch noch donnernde Gewitter mit grellen Blitzen – die Nacht wurde zu einem kleinen Abenteuer. Zum Glück hatte ich mein Zelt mit etwas Weitsicht auf einer kleinen Anhöhe inmitten einer Olivenplantage aufgeschlagen. Ich dachte, dort würde es bei Regen weniger matschig werden als im Tal – ein halbwegs logischer Plan. Doch auch hier verwandelte sich der harte Boden durch den nächtlichen Starkregen in klebrigen Schlamm. Die Ausgangslage war fast identisch mit der vom Vortag – nur dass es dieses Mal durchgängig regnete, und zwar heftig.

Am Tag zuvor hatte mir der Wind wenigstens noch geholfen, das Zelt morgens halbwegs trocken abzubauen. Heute war das anders. Ein Blick auf die Wetter-App bestätigte: keine regenfreie Phase in Sicht. Eine Situation, die ich normalerweise mit viel Planung vermeide – denn Zeltabbau im strömenden Regen auf schlammigem Grund ist eine ziemliche Sauerei. Doch heute hatte ich keine andere Wahl.

Also frühstückte ich im Zelt, packte im Inneren alles so weit wie möglich zusammen und baute dann im Regen das Zelt ab – in voller Regenmontur, aber trotzdem wurde ich beim Abbau schon komplett durchnässt, ohne einen einzigen Kilometer gefahren zu sein. Um mir den Rückweg zur Straße abzukürzen, wollte ich quer durch die Plantage einen Ausgang finden. Allerdings stellte sich schnell heraus, dass die gesamte Anlage von einer etwa ein Meter hohen, durchgehenden Steinmauer umgeben war – kein Durchkommen. Also musste ich mein vollgepacktes Fahrrad im Regen und Matsch den Hügel wieder hinaufschieben – zurück zum Ausgangspunkt.

Ein zweiter Versuch brachte mich diesmal auf einen Weg ohne Mauer, lediglich ein niedriger Graswall, den ich überwinden konnte. Von dort rollte ich durch den prasselnden Regen ins Dorf hinunter. Dort angekommen, fiel mir auf, dass ich einen kleinen Navigationsfehler gemacht hatte: Ich war der falschen größeren Straße gefolgt und musste nun den nächsten Hügel wieder hochstrampeln, um zurück zur eigentlichen Route zu gelangen. Wäre ich einfach den Weg vom Vortag zurückgefahren, hätte ich mir das alles ersparen können. Wieder was gelernt.

Zurück auf der richtigen Straße, wurde der Regen nur noch heftiger. Ich fuhr weiter, aber nach kurzer Zeit war ich bis auf die Haut durchnässt – trotz Regenhose und Überschuhen. Irgendwann war’s zu viel, also steuerte ich die nächste Tankstelle an. Dort wrang ich meine Socken aus, in denen sich regelrechte Wasserbecken gebildet hatten. Die Tankstellenwärterin kam mit einem Lächeln zu mir und reichte mir einen heißen, türkischen Tee. Ich setzte mich in die warme Ecke der Tankstelle und versuchte, mich ein wenig aufzuwärmen.

Während ich so aus dem Fenster sah, stellte ich mir die Frage, warum ich mir das überhaupt antue – den ganzen Tag im Regen, durchweicht und durchgefroren. Doch die Antwort ließ nicht lange auf sich warten: Das ist eben auch Teil meines Abenteuers. Ich will kein Schönwetter-Radler sein. Gerade solche Tage wie dieser machen die Tour besonders. Sie fordern mich heraus und lassen mich die sonnigen, windstillen Momente umso mehr schätzen.

Nach rund 80 Kilometern erreichte ich schließlich das Städtchen Köyceğiz. Ein erneuter Blick auf die Wetter-App zeigte: Der Regen soll die ganze Nacht und auch am nächsten Tag unaufhörlich weitergehen. An Zelten war nicht zu denken – das Zelt war nass, das Innenzelt ebenfalls, und ich hätte es nirgendwo trocknen können. Also entschied ich mich für eine Unterkunft.

Ich fand ein Zimmer in der “Villa Solmaz” – kurzfristig gebucht, spontan bezogen. Als ich ankam, war die ganze Familie gerade damit beschäftigt, das Haus herzurichten. Da gerade Vorsaison war, wohnten sie bis vor kurzem noch selbst dort und zogen nach meiner Buchung kurzerhand in ein kleines Nebenhaus um, das ihnen ebenfalls gehört. Ich war der einzige Gast – und hatte somit das komplette Haus für mich allein: vier Schlafzimmer, drei Bäder, ein riesiges Wohnzimmer, eine große Küche, ein breiter Balkon und ein Außenpool. Ich fühlte mich wie ein Prinz.

Der Pool war leider noch nicht gereinigt und bei den kühlen Temperaturen sowieso nicht einladend, aber die Zimmer wusste ich zu nutzen: In einem deponierte ich meine Taschen, im nächsten ließ ich das Zelt und meine Klamotten mithilfe der Klimaanlage trocknen, und mit dem Föhn kümmerte ich mich um meine nassen Schuhe. Im dritten Zimmer schlief ich schließlich – warm, trocken und zufrieden.

Einziger Wermutstropfen: Der Boiler lieferte nur lauwarmes Wasser, und das WLAN war so langsam, dass selbst eine Schnecke neidisch geworden wäre. Aber das waren Luxusprobleme. Nach einem Tag voller Nässe, Kälte und Umwege fiel ich in mein großes, warmes Bett – und war einfach nur dankbar.



 

Auch heute hat es fast durchgehend geregnet.


Trotz Regen sind die Landschaften sehr schön und urig.


Tag 38

In der Nacht hatte es erneut geregnet. Der ohnehin schon matschige Ackerboden um mein Zelt herum – vier Quadratmeter Wiese mitten in einer Olivenplantage – war jetzt noch klebriger. Der lehmige Boden haftete an allem: meinen Schuhen, den Taschen, dem Zelt. Ich musste extrem aufpassen, um nicht alles komplett einzusauen. Beim ersten Blick auf mein Fahrrad dann der nächste Dämpfer: Schon wieder war der Hinterreifen platt – zum dritten Mal in kürzester Zeit. Der Frust war entsprechend groß. 
 
Eins war klar: Mitten im Schlamm, umgeben von nasser Erde, würde ich den Schlauch hier ganz sicher nicht wechseln. Also holte ich die Handpumpe raus, brachte zumindest etwas Luft in den Reifen und machte mich auf den Weg zur nächsten Tankstelle. Der Weg dorthin war noch einmal ein kleines Abenteuer für sich: Umgestürzte Barrikaden, riesige Pfützen, verschlammte Wege und überspülte Abschnitte verlangten mir und dem Rad einiges ab. 
 
An der Tankstelle angekommen, versuchte ich, das Rad mit dem Hochdruckreiniger zu säubern. Der Wasserstrahl war jedoch auf exakt eine Minute begrenzt – für den Preis der Waschmünze ein schlechter Scherz. Trotzdem schaffte ich es, den gröbsten Dreck zu entfernen. Dann baute ich das Hinterrad aus und untersuchte den Schlauch. Und tatsächlich: Das Loch befand sich exakt an der gleichen Stelle wie am Tag zuvor. Ein klarer Hinweis darauf, dass im Mantel irgendetwas stecken musste, das die Schläuche immer wieder beschädigt. 
 
Ich inspizierte den Mantel gründlich – tastete, bog, drehte ihn um, suchte nach Splittern, Dornen oder Draht. Aber ich konnte nichts finden. Da ich aber keine Lust hatte, morgen erneut mit einem Platten zu starten, entschied ich mich schweren Herzens, meinen Ersatzmantel einzusetzen und nicht nur den Schlauch, sondern gleich das gesamte Hinterrad-Setup zu wechseln. Den alten Mantel werde ich bei nächster Gelegenheit noch mal gründlich prüfen, um dem Problem endgültig auf die Schliche zu kommen. 
 
Als ich danach versuchte, den Reifen mit dem Luftdruckgerät an der Tankstelle final aufzupumpen, riss es mir fast den letzten Nerv: Der Gummischlauch der Pumpe platzte, und statt Luft aus dem Ventil, zischte sie nun aus einem Loch im Schlauch. Also wieder zur Handpumpe gegriffen – so gut es eben ging – und zur nächsten Tankstelle gerollt. Auch dort: kaputtes Gerät. Erst die dritte Tankstelle hatte ein funktionierendes Luftdrucksystem. Das hätte auch einfacher laufen können. 
 
Endlich wieder unterwegs, ging es weiter Richtung Berge. Doch nun frischte der Wind stark auf – und zwar direkt von vorn. Es fühlte sich an, als hätte ich 20 Kilo mehr auf dem Gepäckträger oder als würde ich erneut mit einem Platten fahren. Nach etwa 45 Kilometern war der Energiepegel im Keller. Am ersten kleinen Pass kam ein Restaurant in Sicht, direkt an der Straße gelegen. Ich kehrte ein. 
 
Das Restaurant hatte zwar nur ein einziges vegetarisches Gericht auf der Karte – doch was für eins! Ein Frühstücksteller, wie ich ihn in dieser Form noch nicht erlebt hatte: Käse, frisches Gemüse, Oliven, Marmelade, verschiedene Honigsorten, Brot, Aufstriche, Pommes, eine Frühlingsrolle und ein Spiegelei – alles liebevoll angerichtet. Ich ließ mir Zeit und genoss jeden Bissen, um wieder zu Kräften zu kommen. 
 
Die Wolken hingen inzwischen tief über den Bergen. Ich rechnete jeden Moment mit einem ordentlichen Regenschauer – aber der blieb zum Glück aus. Der eigentliche Gegenspieler heute war nicht der Regen, sondern der Wind, der mir den ganzen Tag über erbarmungslos entgegenblies. 
 
Mit viel Geduld, Anstrengung und Willenskraft erreichte ich schließlich Yatağan. Zur Belohnung gönnte ich mir an der Tankstelle ein Eis, bevor ich mich auf die Suche nach einem geeigneten Schlafplatz machte. Fündig wurde ich auf einem kleinen Hügel oberhalb der Stadt, wo ich in einem windgeschützten Mauerdreieck einer weiteren Olivenplantage mein Zelt aufschlug. 
 
Meine Abendroutine musste ich heute etwas beschleunigen, denn die ersten Regentropfen fielen bereits. Und laut Wetterbericht soll es die ganze Nacht durchregnen – und auch in den nächsten zwei Tagen ist viel Niederschlag angesagt. Vielleicht habe ich ja wieder so viel Glück wie heute und bleibe halbwegs trocken. Noch wichtiger wäre mir allerdings, dass der Wind nachlässt. Der hat mir heute ordentlich zugesetzt. 



 Man gönnt sich ja sonst nichts…


Es hat heute wieder den ganzen Tag geschüttet

Ich hatte mich jedoch dazu entschieden, bei jedem Wetter zu fahren. 

Wenn ich mehrere 100 Höhenmeter einen Berg hoch fährt und es dauern schüttet, ist mir auch eher nach umdrehen

Tag 37

Ein weiterer Tag voller Höhen, Tiefen – und skurriler Begegnungen

Heute Morgen ging es für mich wieder weiter Richtung Süden. Nachdem ich in meinem Zimmer aufgewacht war, überprüfte ich erst einmal mein Fahrrad. Leider bemerkte ich schnell, dass mein Hinterreifen platt war – schon der zweite Platten in kürzester Zeit. Das war ziemlich nervig. Also hieß es: alles ausbauen, den Schlauch wechseln, aufpumpen und wieder einbauen. Danach gönnte ich mir noch ein ausgiebiges Frühstück am Buffet, bevor ich mich gestärkt auf den Weg aus Izmir machte.

Gleich zu Beginn stand ein Berganstieg an, der jedoch mit einer angenehmen Steigung gut zu fahren war. Immer wieder hielten vorbeifahrende Autofahrer kurz an, fragten, woher ich komme und wohin ich unterwegs sei, und wünschten mir viel Glück. Diese kleine Geste motivierte mich sehr, und so trat ich mit neuer Energie in die Pedale. Der zweite Anstieg war deutlich fordernder – rund fünf Kilometer mit einer Steigung von 15 %. Es war so steil, dass ich mir Serpentinen selbst zeichnen musste, indem ich in Schlangenlinien hochfuhr. Stück für Stück kämpfte ich mich nach oben, und als ich schließlich den Gipfel erreichte, wurde ich mit einem fantastischen Panorama über eine weite Ebene und dahinterliegende Bergketten belohnt. Die ganze Anstrengung hatte sich absolut gelohnt.

Kurz nach dem Gipfel erreichte ich ein kleines Dorf. Dort suchte ich einen Supermarkt auf, um meine Energiereserven aufzufüllen. Beim Essen meiner Wegration sprach mich ein freundlicher Mann an und lud mich spontan auf einen Tee ein. Wir unterhielten uns lange über meine Reise, meine bisherigen Erlebnisse, und ich erfuhr, dass er Fahrradmechaniker in der nahegelegenen Stadt Kuşadası ist. Nach und nach kamen auch einige neugierige Kinder dazu und stellten mir allerlei Fragen – eine wirklich herzerwärmende Begegnung. Die türkische Gastfreundschaft beeindruckt mich jedes Mal aufs Neue.

Nach einem zweiten Tee verabschiedete ich mich und fuhr weiter. Die Abfahrt vom Berg eröffnete mir erneut einen atemberaubenden Blick über die Ebene – mit sanftem Licht, das auf die Felder und Berge fiel. Der Weg, auf den mich Komoot lotste, war schmal und nach dem Regen der letzten Tage ziemlich schlammig. Der lehmige Untergrund klebte förmlich an den Reifen, und mehrmals musste ich durch kleine Bachläufe oder regelrechte Pfützen fahren, die sich über den Weg gebildet hatten. Es war ein echtes Abenteuer.

Als ich schließlich die Ebene erreichte und in Richtung Aydın weiterfuhr, suchte ich mir einen Schlafplatz in der Nähe einer Olivenplantage am Straßenrand. Dort kam plötzlich eine Frau schnellen Schrittes auf mich zu, begleitet von einem älteren Mann, der mir neugierig Fragen über meine Reise stellte. Die Frau versuchte mir wiederholt etwas zu zeigen und bedeutete mir, ich solle mit ihr mitkommen. Da ich sie nicht verstand, fragte ich den älteren Mann. Mit einem schelmischen Lächeln meinte er: „Sie ist eine sexy Lady.“

Die Situation war eigenartig – die Frau war etwa Mitte 50, nicht besonders gepflegt, und die ganze Szene wirkte etwas unangenehm. Ein paar Meter weiter standen mehrere Jungs, vielleicht zwischen zehn und 14 Jahre alt, an einem Gebüsch. Ich konnte zunächst nicht erkennen, was sie dort taten – bis ich genauer hinsah und bemerkte, dass sich hinter dem Busch eine Frau befand, mit einem der Jungen, der eindeutige Bewegungen machte. Es war eine irritierende, schwer einzuordnende Szene. Ich wusste nicht, ob die Frau das freiwillig tat oder ob etwas anderes dahintersteckte.

Plötzlich wurde mir klar, was die Frau von vorhin mit ihrem Angebot gemeint hatte. Es schien, als wollte sie mir dieselbe „Dienstleistung“ anbieten. Mit diesem Gedanken im Kopf, und der Unsicherheit darüber, was dort wirklich vorging, entschied ich mich, die Situation schnellstmöglich zu verlassen. Alles fühlte sich einfach merkwürdig und unangenehm an.

Ein paar Hundert Meter weiter, an meinem Schlafplatz, begann ich zu recherchieren, was ich da eigentlich erlebt haben könnte. Ich stieß auf Informationen darüber, dass am ersten Tag nach dem Ende des Ramadan, also heute, das sexuelle Enthaltsamkeitsgebot aufgehoben wird. Möglicherweise hatten sich einige Männer – vielleicht sogar Jugendliche – gezielt für diesen Tag Prostituierte oder andere Frauen organisiert. Dennoch war die Altersdifferenz und das Verhalten der Jungs verstörend. Es wirkte, als würden minderjährige Jungen Frauen ausnutzen, die mindestens doppelt so alt waren.

Diese Szene hat mich ziemlich mitgenommen. Ich brauche wohl etwas Zeit, um sie zu verarbeiten – nicht nur, weil sie unerwartet war, sondern weil sie so viele Fragen aufgeworfen hat. Reisen bringt einen manchmal an die schönsten Orte – und manchmal auch an die härteren Realitäten dieser Welt.

 

Das heutige Motto: Regen, stärkere Regen und extremer Dauerregen. Und das den ganzen Tag.

Der bisher steilste Anstieg meiner ganzen Tour. 


Sein Fahrrad durch den Acker einer verregneten Olivenplantage zu schieben, war hier nicht allzu schlau. Die Reifen haben eigentlich keine braune Farbe.

Der kleinste Grünstreifen, den es wahrscheinlich in dieser Olivenplantage gab. Es war alles sehr, sehr matschig.

Tag 36

Unverhofft kommt oft – Mein Tag in Izmir 
 
In Izmir im Hotel aufgewacht, startete ich den Tag mit einem ausgiebigen Frühstück. Das Buffet ließ keine Wünsche offen, also nahm ich mir Zeit und aß mich ordentlich satt – mal wieder ein kleiner Luxusmoment auf dieser Reise. 
 
Für den Mittag hatte ich eine Free Walking Tour gebucht, um mehr über Izmir zu erfahren. Um 12:00 Uhr stand ich pünktlich am Treffpunkt – doch vom Guide keine Spur. Ich wartete, suchte in der Umgebung, fragte sogar Passanten. Über eine Stunde verging, bis ich schließlich eine Nachricht bekam: Der Guide sagte ab, weil ich die einzige Anmeldung war. Ein Hinweis vorher wäre nett gewesen… 
 
In meinem Herumirren fragte ich ein Mädchen in meinem Alter, ob sie wisse, ob es vielleicht noch einen anderen Treffpunkt gäbe. Sie wusste zwar auch nichts Genaues – bot mir aber spontan an, sie, ihre Schwester und deren Freundin zu begleiten, denen sie gerade die Stadt zeigte. Ich nahm das Angebot gerne an – und was soll ich sagen: Es wurde ein richtig schöner, unerwarteter Nachmittag. 
 
Mit der Schwester, die als einzige gut Englisch sprach, unterhielt ich mich stundenlang. Sie erzählte mir, dass sie Informatik und Softwareentwicklung studieren will – am liebsten in Deutschland. Aber sie macht sich Sorgen wegen der hohen Lebenshaltungskosten dort, insbesondere wegen der Mieten. Sie ist 17, hat noch ein Jahr Schule vor sich – und träumt von einem besseren Leben. Es war spannend und berührend, so offen über ihre Wünsche und Ängste zu sprechen. 
 
Nach einiger Zeit verabschiedete ich mich von der Mädelsgruppe – nicht ohne ein herzliches Dankeschön für die tolle spontane Stadtführung. Ich steuerte noch einen Fahrradladen an, um ein paar Kleinigkeiten zu besorgen, und gönnte mir anschließend – wie könnte es anders sein – wieder ein Kumpir. Und ja, es war wieder absolut köstlich. 
 
Zurück im Hotel ruhte ich mich kurz aus, bevor ich noch einen Friseurbesuch einschob. Der Laden direkt gegenüber war ein Volltreffer. Die Jungs dort waren total locker, und als sie erfuhren, dass ich aus Deutschland komme, legten sie direkt ein paar deutsche Songs auf. Mit frischer Frisur, gutem Essen und einem Tag voller schöner Begegnungen fiel ich schließlich müde, aber zufrieden ins Bett. 
 
Manchmal sind es eben gerade die ungeplanten Dinge, die eine Reise besonders machen. 


 Ein Früchte Smoothie, den mir die drei Local Mädels hier empfohlen haben



Das waren die drei netten Mädels mit denen ich den Tag verbracht habe.


Der alte Aussichtsturm von Izmir


Dieses Café war mir direkt sympathisch

Auch auf ein Bier würde ich von den Mädels überredet. Es war ein Craftbeer. Sehr gut !

Ein Bild vom Outdoorler in der Stadt. 

Am Abend ging es dann endlich mal zu einem türkischen Friseur. Die glatt gegelte Frisur wurde danach jedoch wieder deutlich lockerer gemacht. 

Tag 35

Zwischen Klippen, Flamingos und politischen Spannungen – Mein Tag auf dem Weg nach Izmir

Am frühen Morgen wachte ich mit Blick auf das ruhige Mittelmeer auf meiner Klippe auf. Die Sonne kämpfte sich durch graue Wolken, denn der Wetterbericht hatte für heute Regen angekündigt. Deshalb packte ich zügig meine Sachen zusammen – mit dem Wunsch, noch trocken loszufahren. Zum Glück blieb es vorerst ruhig.

Zum Frühstück gab’s heute mal etwas Abwechslung: Statt Keksen ein Becher Joghurt mit Müsli und frischem Obst – ein kleiner Luxus, den ich sehr genossen habe. Doch die Idylle hielt nur kurz. Bereits nach 500 Metern merkte ich, dass mein Vorderreifen rapide an Luft verlor – bis er schließlich komplett platt war. Ich hatte schon am Vortag ein komisches Fahrgefühl bemerkt, aber jetzt war klar: Der Reifen war hinüber.

Also alles abladen, das Vorderrad ausbauen, den Schlauch wechseln, wieder aufpumpen – Routine für einen Radreisenden wie mich, aber eben doch lästig. Danach konnte es endlich weitergehen in Richtung Izmir.

Unterwegs wurde ich trotz immer wieder einsetzender Schauer mit spektakulären Ausblicken belohnt. Besonders beeindruckend war ein riesiges Naturschutzgebiet mit Wattlandschaften und flachem Wasser. Dort sah ich plötzlich – völlig unerwartet – eine riesige Gruppe Flamingos! Hunderte standen dort im Wasser, suchten nach Nahrung oder standen einfach still da. Diese eleganten Tiere in freier Wildbahn zu sehen, war ein unvergesslicher Moment. Viel schöner und würdevoller als in einem Zoo.

Nach dieser ausgedehnten Beobachtungspause rollte ich weiter in die Großstadt. In Izmir angekommen, wurde ich im Hotel freundlich empfangen – samt Begrüßungstee. Nach vier Tagen Wildnis freute ich mich besonders auf eines: eine Dusche! Nach mehreren Tagen mit Schichten aus Sonnencreme, Staub und Schweiß fühlte ich mich wie eine Salzkruste auf zwei Rädern. Die Dusche war wie eine Wiedergeburt.

Am Nachmittag machte ich mich zu Fuß auf, um Izmir zu erkunden. Die Stadt ist riesig – über 4 Millionen Einwohner, die sich um einen weiten Meerbusen verteilen. Der Verkehr war chaotisch, fast wie in Istanbul – ein echtes Abenteuer mit dem Fahrrad. Aber mittendrin fand ich auch ruhige, schöne Straßen und schließlich eine lebendige Promenade am Meer mit vielen Restaurants.

Ich gönnte mir ein Kumpir – diese gefüllte Ofenkartoffel, die ich in Istanbul entdeckt hatte – und holte mir anschließend ein paar Sesamringe, mit denen ich mich an die Küste setzte, um die tiefer stehende Sonne zu genießen.

Zum Abendessen gab’s eine frische Pita, und zum Nachtisch ein Eis – perfekter Abschluss eines abwechslungsreichen Tages.

Auf dem Rückweg zum Hotel fiel mir auf, dass viele Polizeieinheiten in der Stadt unterwegs waren. Der Grund dafür war ernst: Präsident Erdoğan hatte völlig überraschend seinen politischen Rivalen Ekrem İmamoğlu, den Bürgermeister von Istanbul, verhaften lassen. Die Nachricht verbreitete sich schnell, und in der Bevölkerung brodelte der Unmut. Es war ein beunruhigender, trauriger Beweis dafür, wie brüchig Demokratie sein kann, wenn Macht missbraucht wird.

Mit all diesen Eindrücken – Naturwunder, Begegnungen, Pannen, Großstadttrubel und politischen Spannungen – fiel ich abends erschöpft, aber dankbar ins Bett.


 

Vor ist mir in einem großen Naturschutzgebiet, konnte ich hunderte wild lebende Flamingos beobachten



Großstadttrubel. Und ich bin mittendrin. 

Natürlich durfte als erstes Essen ein Kumpir nicht fehlen.

Wunderschöner Sonnenuntergang an der Promenade von Izmir.

Zum Abschluss des Tages noch eine selbst gemachte türkische Pita.

Tag 34

Ein Tag voller Matsch, Magie und Menschlichkeit 
 
Heute Morgen bin ich in schönster Kulisse direkt am Strand aufgewacht. Noch leicht verschlafen ließ ich meine Drohne in die Luft steigen, um die traumhafte Szenerie einzufangen. Während der Sonne langsam über dem Meer aufging, machte ich mir ein Frühstück – mit Blick auf das Wasser und das sanfte Rauschen der Wellen. Einziger Wermutstropfen: Die ersten Mücken meiner Reise waren auch schon wach und machten mir das Leben ein wenig schwer. Also hieß es: schneller packen als sonst und rauf aufs Rad. 
 
Zu Beginn der Etappe ging es gleich wieder einige Berge hinauf. Mein GPS schickte mich irgendwann auf einen kleinen Pfad durch Olivenbaum-Plantagen. Der Weg bestand aus gehärtetem Matsch, war aber gut befahrbar – wenn auch langsam. Nach etwa einem Kilometer kamen mir zwei Bauern mit ihren Traktoren entgegen. Einer von ihnen hielt an und sprach mich mithilfe einer Übersetzungs-App an. Er riet mir dringend, nicht weiterzufahren, da der Weg bald sehr matschig werde. Ich erklärte ihm, dass ich solche Wege mag – abseits der großen Straßen, mitten im Abenteuer. Er lächelte nur, sagte „Tamam“ – also „okay, wie du willst“ – und fuhr weiter. 
 
Wenige hundert Meter später wusste ich genau, was er meinte. 
 
Der gehärtete Boden wurde zu weichem, lehmigen Matsch. Meine Reifen versanken, der Matsch klebte an den Schutzblechen, blockierte die Räder und sammelte sich wie Kleber überall an. Ich musste meine Schuhe von der dicken Lehmschicht befreien, um sie überhaupt wieder in die Klickpedale zu bekommen. Immer wieder folgten matschige Passagen, aber irgendwie kämpfte ich mich durch – Meter für Meter. Oben am Gipfel wurde ich dann belohnt: Ich fuhr durch idyllische, fast ausgestorbene Dörfer und genoss eine traumhafte Abfahrt durch wilde Natur, eingerahmt von schön geformten Bergketten. 
 
Unten in der Ebene angekommen, ging es weiter auf der Straße. Zu meiner Linken und Rechten lagen grüne Wiesen, darüber die Hügel in voller Pracht – ein herrlicher Anblick. Nach einer Weile kam ich durch ein kleines Dorf, wo ich in einem Mini-Markt Proviant kaufte. Plötzlich standen sieben neugierige Kinder um mich herum. Sie stellten mir Fragen auf Türkisch, die ich nur erahnen konnte, und freuten sich riesig, mit mir zu sprechen. Einer der Jungs schenkte mir ein Eis – das ich natürlich direkt mit großem Genuss verputzte. 
 
Der Trubel der Kinder blieb nicht unbemerkt. Ein etwa 35-jähriger Mann aus dem Dorf kam auf mich zu – er sprach Englisch und fragte, ob ich Zeit für einen Tee hätte. Hatte ich. Aus einem Tee wurden zwei, und wir unterhielten uns bestimmt eine Stunde lang. Es war wieder einer dieser Momente, die mich so sehr an dieser Reise begeistern: die Offenheit, die Herzlichkeit, das ehrliche Interesse. 
 
Am späten Nachmittag fuhr ich noch ein Stück weiter an der Küste entlang. Kurz vor Aliağa entdeckte ich einen wunderschönen Schlafplatz – direkt auf einer Klippe mit Blick auf das Mittelmeer, mitten in der Natur. Ich erkundete die Umgebung ein wenig zu Fuß und machte mir dann mein Abendessen – mit einer Aussicht, die jeden Campingplatz der Welt blass aussehen lässt. 


 

Nach einer äußerst steilen Auffahrt in die Berge bei großer Hitze ist ein Eis eine große Belohnung


Es ging durch sehr bergige Landschaften auf sehr schottrigen Straßen mit einer langen Abfahrt durch atemberaubende Felslandschaften.


Vor ein paar Tagen hatte ich in der Nacht noch Minusgrade, jetzt habe ich am Tag fast 30°. 

Das ist die Aussicht von meinem heutigen Schlafplatz aus aufs Mittelmeer 

Kocher kocht, Friese sitzt. Alles Top. ;)

Das nenne ich Abenteuer. Auch wenn ich danach erst mal zwei Platten hatte, weil ich mir auf dem Weg dorthin Dornen in meine Mäntel gefahren habe.

Tag 33

Ein Morgen an der Küste und ein weiter Weg durchs Inland

Am frühen Morgen erwachte ich an meinem idyllischen Zeltplatz mit freiem Blick auf das Mittelmeer. Den Sonnenaufgang hinter leichten Wolken genoss ich bei meinen morgendlichen Keksen, einigen Sesamringen und frischem Obst. Anschließend ließ ich die neue Drohne noch einmal steigen, um spektakuläre Aufnahmen für meinen kommenden Film zu gewinnen. Obwohl die Nacht unruhig war und ich mich zunächst etwas schlapp fühlte, hellte sich meine Stimmung rasch auf, sobald ich in die Pedale stieg.

Meine Route führte mich nun etwas landeinwärts, wo eine Reihe sanfter, aber langgezogener Hügel zu überwinden waren. Der mühsame Aufstieg lohnte sich bei jeder Abfahrt: Die Aussicht auf die Küste, die flachen Landstraßen und die malerischen Dörfer mit ihrem lebhaften Alltagsgeschehen entschädigten für jede Anstrengung. In den engen Gassen erhielt ich ungewohnte Einblicke in das türkische Wohnen und Leben – Eindrücke, die ich ohne mein Fahrrad nie gewonnen hätte. Bei einer Rast an einer Tankstelle kam ich mit einem Einheimischen ins Gespräch, der fasziniert von meinem Reiserad war.

Gegen 17:00 Uhr erreichte ich eine kleine, von Pinien gesäumte Bucht zwischen Akçay und Bahçelievler, die mir als heutiger Schlafplatz dienen sollte. Die milde Nachmittagssonne lud zu einem kurzen Abstecher in den Supermarkt ein, wo ich mir ein Eis gönnte und bereits mein Frühstück für den nächsten Morgen besorgte. Beim magischen Farbenspiel des Sonnenuntergangs über dem Meer saß ich lange am Ufer, bevor die Temperaturen mit Einbruch der Dunkelheit merklich sanken.



An der Tankstelle ist mein Fahrrad und bin ich eine Attraktion.


 

Mal wieder mein äußerst ausgewogenes Frühstück. ;)

Dieser äußerst entspannte türkische Kangal gesellte sich beim Essen zu mir

Das ist doch ein Bild für die Götter. 

So lässt es sich für mich am Abend gut genießen.

Tag 32

Von Şarköy nach Çanakkale – Eine Tagesetappe entlang des Mittelmeers 
 
Am Morgen packte ich mein Gepäck und brach um 10:00 Uhr in Şarköy auf. Da abseits der Schnellstraße lediglich sehr schlechte Schotterpisten oder erhebliche Umwege zur Verfügung standen, entschied ich mich bewusst für die Hauptverkehrsroute. 
 
Bei milden 17 °C, jedoch mit kräftigem Gegenwind, radelte ich entlang der Landzunge am Mittelmeer. Zwar entfielen große Anstiege, doch summierten sich zahlreiche kleinere Steigungen, die meine Kräfte forderten. In einem guten Rhythmus unterwegs, gönnte ich mir erst nach 100 Kilometern am Fähranleger von Kilitbahir eine ausgedehnte Pause. Dort stärkte ich mich mit Käsebrötchen, mit Butter gefüllten Blätterteigtaschen, Sesamkringeln, Äpfeln und Keksen. 
 
Um 16:00 Uhr setzte ich mit der Fähre nach Çanakkale über. An Bord kam ich mit einem freundlichen Kanadier ins Gespräch, der auf einer Busreise von Istanbul bis Kappadokien unterwegs war. Wir tauschten uns über unsere bisherigen Reiseerlebnisse und meine Eindrücke von der Türkei aus – es ist immer wieder bereichernd, wie leicht man unterwegs mit Fremden ins Gespräch kommt. 
 
Nach der Ankunft in Çanakkale folgten weitere 20 Kilometer, vorbei an einer eindrucksvollen Moschee, bis ich schließlich inmitten der mediterranen Landschaft einen geeigneten Zeltplatz fand. Leider trübte achtlos weggeworfener Müll vielerorts den Charme dieser ansonsten so idyllischen Küstenregion. 


 Kunstwerk auf dem Berg hinter Sarköy. 


Durch einige Tunnel auf der Landzunge, an der ich entlang geradelt bin


Mit der Fähre nach Cannacale

Vorbei an einer gigantischen Moschee in Cannacale

Schwerte bepackt am Supermarkt noch die Vorräte für den Abend einkaufen

Der Schlafplatz in der Natur auf einer Klippe mit Mittelmeerblick

Tag 31

Ein weiterer ereignisreicher Tag und die Rückkehr nach Şarköy

Am Morgen erwachte ich im Hotel und genoss ein reichhaltiges Frühstück mit frischem Brot, Honig, Marmelade, Butter, einem weich gekochten Ei und einer Tasse Tee – der ideale Start in den Tag.

Bereits am Vorabend hatte ich bei demselben Guide, der mich tags zuvor durch Sultanahmet geführt hatte, eine zweite Free-Walking-Tour gebucht. Diese sollte tiefer in die Geschichte Istanbuls und der Türkei eintauchen, den Islam beleuchten und mir noch umfassendere Einblicke in die Kultur ermöglichen. Heute führte uns die dreistündige Tour zu weiteren bedeutenden Moscheen sowie auf den Gewürz- und Ägyptischen Basar. Die intensiven Erklärungen und die Fülle an Details ließen mich die Stadt und ihre Geschichte mit ganz anderen Augen sehen. Anschließend lud mich der Guide in seinen Laden zu Tee, Lokum und Baklava ein – eine köstliche Abrundung des Vormittags.

Am Nachmittag stand der Erwerb einer leichteren Film‑Drohne auf dem Programm, mit der ich die Schönheit der türkischen Landschaften aus der Luft dokumentieren wollte. Leider stieß ich auf ein Kartenlimit, das sich vor Ort nicht anpassen ließ. Ich durchstreifte mehrere Banken und Geldautomaten – erfolglos. Erst ein von meinem Vater übermittelter Zahlungslink aus dem türkischen DJI-Store ermöglichte schließlich den Kauf. Der Aufwand war beträchtlich, doch nun besitze ich wieder eine Drohne.

Im Anschluss galt es, zurück zum Busbahnhof zu gelangen. Der dichte Nachmittagsverkehr Istanbuls, das unübersichtliche Busnetz und die ständige Hektik setzten mir zu. Erst fand ich die Haltestelle nicht, dann fielen Busse aus und der Stau wurde immer dichter. Um 16:55 Uhr erreichte ich gerade noch rechtzeitig den Busbahnhof, sodass mein Bus um 17:00 Uhr planmäßig abfahren konnte. Erleichtert atmete ich auf, als wir uns in Bewegung setzten – ein solches Verkehrschaos mit dem Fahrrad zu durchqueren, wäre einem Selbstmordkommando gleichgekommen.

Nach einer weiteren viereinhalbstündigen Fahrt erreichte ich erschöpft Şarköy. In Mustafas Hotel, wo mein Fahrrad und meine Ausrüstung sicher untergebracht waren, durfte ich erneut ein Zimmer beziehen. Mustafa hatte sogar am Vorabend extra für mich einen vegetarischen Döner und eine süße Nachspeise zubereiten lassen, obwohl die Küche bereits geschlossen war. Für diese Gastfreundschaft und seine großzügige Hilfe bin ich ihm zutiefst dankbar.


 Wie schön die Decken der Moscheen dekoriert sind.




Wahnsinnige Bauwerke.

Auf dem Ägyptischen Basar

So sieht ein glücklicher Nisse in Istanbul aus

Tag 30

Ein Tag in Istanbul – Zwischen Busfahrt, Free Walking Tour und kulinarischen Entdeckungen

Am Morgen stieg ich um 7:45 Uhr in den Bus nach Istanbul. Als Proviant hatte ich mir einige Sesamkringel und frisches Obst eingepackt. Die vierstündige Fahrt verlief ruhig und pünktlich erreichte ich um 12:00 Uhr die pulsierende Metropole.

Vom Busbahnhof aus kämpfte ich mich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln durch den dichten, hektischen Verkehr zum Sultanahmet-Viertel, wo die Blaue Moschee als Orientierungspunkt diente. Hungrig entdeckte ich in einer Seitenstraße ein kleines Lokal, das Kumpir anbot – eine im Ofen gegarte, in Öl gebackene Riesenkartoffel, deren cremiges Inneres an Kartoffelpuffer erinnert. Dieses neue Gericht begeisterte mich auf Anhieb.

Um 14:30 Uhr nahm ich an einer zuvor gebuchten Free Walking Tour teil. Weil ich zuvor noch zum Goldenen Horn und zur Bosporusbrücke blicken wollte, unterschätzte ich die Distanzen in Istanbul und wählte kurzerhand ein Taxi zum Treffpunkt – wenn auch zu einem stolzen Preis von 20 € für acht Minuten Fahrt. Pünktlich angekommen, erlebte ich eine lebendige, informativ gestaltete Führung, die in knapp zweieinhalb Stunden die wichtigsten historischen und kulturellen Höhepunkte der Altstadt näherbrachte.

Anschließend setzte ich mit der Fähre nach Beşiktaş über. Dort empfing mich eine lebendige Essenskultur: Ich genoss einen vegetarischen Falafel-Döner und rundete das Mahl mit einer Kombination aus warmem Topping und kaltem Vanilleeis ab – eine köstliche Versuchung.

Die nächste Fähre brachte mich nach Kadıköy auf der asiatischen Seite Istanbuls. Ein markanter Unterschied zum europäischen Ufer war nicht spürbar; Kulturgrenzen verlaufen hier fließend. Nach Sonnenuntergang erkundete ich die belebten Gassen, bevor ich zurück nach Sirkeci fuhr. Spontan buchte ich ein zentrales Hotelzimmer für 18 € inklusive Frühstück – ein echtes Schnäppchen, das bis auf einen undichten Duschkopf keinerlei Wünsche offenließ.

Nach rund 25.000 Schritten und etwa 20 Kilometern Fußweg inmitten des geschäftigen Treibens – Autoverkehr, Hupkonzerte, Gebetsrufe und die Stimmen von Millionen Menschen – ließ ich mich erschöpft ins Bett fallen. Die Fülle an Eindrücken machte diesen Tag in Istanbul zu einem unvergesslichen, wenn auch anstrengenden Erlebnis.


 

Heute habe ich das Gericht Kumpir entdeckt. Es war unglaublich lecker. Eine große Kartoffel mit ein bisschen Öl und je nach Belieben auch Füllung mit Toppings.

Die unglaublich großen Moscheen und Paläste sind sehr beeindruckend


Ein Turm der blauen Moschee mit einem kleinen Regenbogen im Hintergrund

In der Stadt habe ich ein spezielles Eis gegessen. Unten war kaltes Vanilleeis und oben war nussübriges, warmes Eis. Der Temperaturunterschied hat es sehr lecker gemacht.

Auf der Fähre zwischen der europäischen und der asiatischen Seite von Istanbul

Istanbul Skyline mit Moschee am Abend.

Tag 29

Am Morgen, als ich erwachte, wurde ich überraschend vom Bauern begrüßt, der bereits in aller Früh auf seinem Feld arbeitete – direkt neben dem Lager, das ich am Vorabend errichtet hatte. Zunächst befürchtete ich, einen Rüffel zu bekommen, doch entgegen meiner Annahme war er überaus freundlich. Der Bauer schlug sogar vor, dass ich hätte klingeln sollen, damit ich im Stall mein Zelt aufstellen könnte, da es dort wärmer sei.

Am Vortag hatte ich über die App Warmshowers, eine Plattform für Radreisende, eine Zusage von Mustafa erhalten, bei ihm in Sarköy zu übernachten. Doch die letzten 20 Kilometer bis dorthin gestalteten sich zu einer wahren Tortur. Die Routenplanung von Komoot führte mich über schier unbezwingbare Schotterpisten mit extrem steilen Anstiegen und Abfahrten. Einige Steigungen hatten bis zu 20-25 % Gefälle, und der Boden war teilweise sandig. Ich war schon von den vorherigen Etappen erschöpft, sodass ich mein Fahrrad gleich dreimal die steilen Hänge hinaufschieben musste. Zudem verlor mein Reifen durch das anspruchsvolle Terrain mehr Luft als gewöhnlich, sodass ich zwischendurch immer wieder mit der Handpumpe nachhelfen musste, um mein Ziel zu erreichen. An meinem Ziel angekommen, wollte ich den Schlauch wechseln und an der nahegelegenen Tankstelle den Reifen so stark aufpumpen, dass kein Risiko eines Durchschlags aufgrund zu geringen Drucks mehr bestand.

Es stellte sich heraus, dass Mustafa ein Hotel besaß, und so erhielt ich ein Zimmer kostenlos – eine unerwartete und besonders erfreuliche Überraschung. Nachdem ich den Schlauch im Hotelzimmer gewechselt hatte, bemerkte ich, dass eine Schraube meines Gepäckträgers durchgedreht war. Ich machte mich auf den Weg, um sie zu ersetzen, und stieß dabei zufällig auf einen Fahrradladen, der in keiner Karte verzeichnet war. Dort traf ich auf Ahmet, der mir nicht nur eine neue Schraube einbaute, sondern auch die alte, die sich nicht lösen ließ, problemlos entfernte. Zusätzlich half er mir, den Reifendruck korrekt einzustellen. An einer Tankstelle in der Nähe nutzte ich die Gelegenheit, um mein Fahrrad mit einem Hochdruckreiniger gründlich zu säubern, nachdem es die letzten Etappen überstanden hatte.

Ahmet lud mich daraufhin zu einer Tasse Tee ein, und wir kamen ins Gespräch. Als er seinen Laden schließen wollte, bot er mir an, mit ihm essen zu gehen – ein Angebot, das ich dankend annahm. Zum Essen gab es zunächst eine Bohnensuppe, danach eine Pita und als Nachspeise die traditionelle türkische Süßspeise Kadayıf. Als ich mich zum Bezahlen vorbereitete, lehnte Ahmet ab und sagte, dass er mich eingeladen hatte. Er wollte nichts von mir, sondern betonte, dass er die Zeit mit mir genossen habe und sich freute, mir helfen zu können und mich kennenzulernen. Diese großzügige Gastfreundschaft rührte mich tief.

Ahmet, ein Mann Mitte 40, wurde in Şarköy geboren und lebte zwischen 2016 und 2019 in Heilbronn, Deutschland. Dort war er bei Audi in der Produktion von Filtersystemen als Mechaniker tätig und hatte seine damalige Frau kennengelernt. Leider trennten sich ihre Wege nach drei Jahren, und Ahmet kehrte in seine Heimat zurück, wo er nun als Fahrradmechaniker arbeitet und im Sommer Fahrräder verleiht. Im Gespräch mit ihm konnte ich viele meiner Fragen klären. Er half mir, einige Missverständnisse über die Türkei, ihre Sitten und den Einfluss des Islams auf die Kultur zu entkräften. Viele Vorurteile, die ich über die türkische Gesellschaft und den Islam gehört hatte, entpuppten sich als unbegründet. Ahmet erklärte, dass die türkische Kultur in vieler Hinsicht der westlichen Kultur nahe sei. Leider würden viele Menschen Terrorgruppen und streng religiöse Auslegungen des Islams fälschlicherweise mit der gesamten türkischen Kultur in Verbindung bringen. Dies sei vergleichbar mit der Vorstellung, dass alle Deutschen als “Kartoffel- und Schweinefresser” oder Biertrinker und Nazis abgestempelt werden. Diese Konversation öffnete mir die Augen für die Tücken von Vorurteilen und den Wert, Dinge auf ihre Richtigkeit zu prüfen.

Nach diesem bereichernden Abend begann ich, meine Reise für den nächsten Tag zu planen, an dem ich mit dem Bus nach Istanbul weiterfahren wollte.


 

Mein Schalfplatz für die letzte Nacht am Feld.



vorbei an Moscheen, die noch gebaut werden

Essen eines Mehrgängemenüs mit Ahmet, der einfach ein super lieber Mensch ist.

Ich habe an dem Abend mit Ahmet noch sehr viel geredet. Es war sehr schön. Meine erste richtig herzliche Begegnung mit Menschen in der Türkei.

Tag 28

Von den Morgentrommeln zum türkischen Gastfreundschaftserlebnis 
 
Um 3:00 Uhr morgens hörte ich das Trommeln und Rufen, ein Brauch, der insbesondere von den Muslimen, vor allem aber von Kindern und Jugendlichen, praktiziert wird, um die Menschen zu wecken und zum Suhurmahl, dem Frühstück vor dem ersten Gebet und dem Sonnenaufgang, zu rufen. Doch ich schlief wieder ein und nahm mein Frühstück, wie so oft, erst bei Sonnenaufgang zu mir – bestehend aus Keksen und Obst. 
 
Heute stand jedoch ein bedeutender Tag bevor, denn ich wollte die türkische Grenze überqueren. Zunächst galt es, einen großen Berg über Alexandropolis zu erklimmen, bevor ich wieder zum Mittelmeer gelangte. Von Alexandropolis aus führte mich der Weg weiter ins Landesinnere, zur türkischen Grenze. Nach etwa 90 km erreichte ich die Grenze und passierte die türkischen Kontrollposten problemlos und unkompliziert. 
 
Anschließend setzte ich meine Reise vom Grenzübergang Ipsala nach Kesan fort. In Kesan angekommen, schob ich mein Fahrrad über einen Wall an der Hauptstraße und erreichte einen Seitenstreifen am Rande eines Feldes. Dort richtete ich mein Nachtlager ein und genoss die Aussicht von meinem Hügel auf die Stadt Kesan. So begann mein erster Tag in der Türkei, begleitet von einer Mischung aus Erleichterung und Vorfreude auf die kommenden Erlebnisse. 




 

Stärkung muss sein. Auch wenn es gerade nicht das gesündeste Essen ist, gibt es mir viel Energie.



Der Grenzübergang von Griechenland in die Türkei

Vor den Toren des Orients

Tag 27

Eine frostige Nacht und herzliche Gastfreundschaft in Venna

Am Morgen weckte mich gefrorenes Kondenswasser an der Zeltdecke: Die Temperatur war in der Nacht auf – 2 °C gesunken. Selbst auf meinen Fahrradtaschen hatte sich eine dünne Eisschicht gebildet, gespeist von der Feuchtigkeit des nur 15 Meter entfernten Mittelmeers. Doch kaum eroberte die Sonne den Horizont, stiegen die Temperaturen wieder auf ein angenehmes Niveau. Bei strahlendem Licht genoss ich am Strand mein Frühstück aus Keksen und etwas Obst und sammelte ein paar schöne Muscheln als Erinnerung.

Nach dem Zusammenpacken stellte ich erneut fest, dass mein Hinterreifen Luft verlor. Da ich ihn nach der ersten Panne nur mit meiner Handpumpe aufgefüllt hatte, hatte sich durch die holprigen Straßen und steinigen Pisten wieder ein schleichender Durchschlag gebildet. Mein bewährtes Vorgehen lautete: Morgens mit der Handpumpe so weit aufpumpen, dass ich zur nächsten Tankstelle komme, dort den Luftdruck auf 4 Bar bringen und weiterfahren. Nervig, aber bisher erstaunlich zuverlässig.

So führte mich die Route durch die weite Ebene Griechenlands in östlicher Richtung. Bereits auf den ersten Kilometern erlitt ich ein starkes Nasenbluten – wohl eine Kombination aus gereizter Nasenschleimhaut nach der kalten Nacht und einem leichten Sonnenbrand. Glücklicherweise ließ das Blut bald nach, und ich konnte die Fahrt fortsetzen. Die Wege waren abenteuerlich und rüttelten mein Fahrrad heftig durch. An kleinen Dörfern vorbei fielen mir zunehmend muslimische Gebetshäuser auf.

Am Abend erreichte ich Venna und suchte zunächst in der Natur nach einem geeigneten Schlafplatz – jedoch ohne Erfolg. Eine Bäckerei verwies mich schließlich zu einer kleinen Moschee (Mescit), doch dort war niemand anzutreffen. Im Dorf begegnete ich dann zwei Deutschen, die zwanzig Jahre in Hamburg gelebt und nun in ihre Heimat zurückgekehrt waren. Sie erkundigten sich beim örtlichen Imam, ob ich im Gebetshaus übernachten dürfe – und erhielten glücklicherweise Zustimmung.

Zum Fastenbrechen nach Sonnenuntergang lud mich die Familie des Imams zu einem festlichen Mahl ein. Anschließend heizten sie im Gemeinschaftsraum den Ofen an, sodass es dort angenehm warm wurde. Auf den bereitgestellten Gebetsmatratzen schlief ich erschöpft, aber dankbar für diese unerwartete Gastfreundschaft, ein.


 Wenn ich mit solch einer Aussicht direkt am Mittelmeer am Strand aufwache, wird mir mein Herz ganz warm. Auch wenn es in der Nacht Minusgrade waren.


Die Mandelbäume blühen hier schon. So schön!


Ein sehr besonderes Erlebnis hier auf einem kleinen Dorf in der Moschee im Aufenthaltsraum schlafen zu können. Solch eine nette Gastfreundschaft, auch während des Ramadan.

Tag 26

Beim Frühstück in atemberaubender Kulisse – ausgerüstet mit meinem Swarovski Optik CL Companion 10×32-Fernglas – konnte ich die Vogelwelt aus nächster Nähe beobachten. Der Hund von der vergangenen Nacht kehrte ebenfalls zurück. Solange man ihm jedoch deutlich macht, wer hier die Rangordnung bestimmt, bleibt er gelassen. Zeigt man hingegen Unsicherheit oder flüchtet, wird sein Jagdtrieb geweckt und er verfolgt bellend. Sollte ein Hund beim Radfahren plötzlich angreifen, halte man sofort an, rufe laut und schaffe notfalls mit Kieselsteinen oder einem Stock Abstand. Hunde handeln nicht aus Bosheit, sondern aus Furcht und können ein Fahrrad als Bedrohung missverstehen.

Nachdem ich mein Zelt aus dem Seesand abgebaut hatte, führte mich die Route ins griechische Inland. In Serres besorgte ich im Fahrradladen Ersatzschläuche und versandte meine professionelle Filmdrohne nach Deutschland, da für Drohnen über 500 g in der Türkei und den folgenden Ländern strenge Vorschriften gelten.

Vorbei an weiten Feldern näherte ich mich den Lekani-Bergen. Die 1.298 Meter hohen Gipfel waren noch schneebedeckt und wirkten in der Landschaft majestätisch. Ich hatte nicht erwartet, noch bis Kavala vorzudringen, da ich auf dem letzten großen Pass nach einem geeigneten Lagerplatz suchte. Doch die zunehmende Besiedlung ließ keine geeignete Stelle finden, sodass ich weiter talwärts fuhr.

Oben am Pass traf ich auf Nika, der von Kavala zurück nach Drama unterwegs war. Er hatte an einem Aussichtspunkt mit Blick auf die Ebene Rast gemacht. Während ich mich mühsam mit einer Steigung von zehn Prozent an ihm vorbeischob, sprach er mich an. Unser Gespräch war herzlich: Er schenkte mir ein Viertel seiner eingepackten Pizza und machte ein Foto von mir, um es seinen Freunden zu zeigen. Nika empfahl mir, den White Beach hinter Kavala anzusteuern.

Da bereits Sonnenuntergang war und die Temperaturen spürbar sanken, biss ich die Zähne zusammen und radelte weitere zehn Kilometer – obwohl mein Tageskilometerstand bereits 120 km erreicht hatte. Am White Beach angekommen, wurde ich erneut von einem freundlichen Straßenhund begrüßt, der mich bis zur Abendroutine bewachte. Ich erreichte den Strand erst 45 Minuten nach Sonnenuntergang und fror so sehr, dass ich mich umgehend in meinen Schlafsack verkroch. Erst spät in der Nacht kehrte die Wärme zurück.


Mein heutiger Schlafplatz, direkt an einem großen Naturschutzgebiet, das nur so vor Artenvielfalt wimmelte.


Auch Pelikane konnte ich durch meinen Swarovski Optik Fernglas, dass mich auf meiner Reise treu begleitet, beobachten.


Berg massive türmen sich mit weißen Zipfeln an der Mittelmeerküste auf.

Meine große Filmdrohne wird nun nach Deutschland zurückgeschickt, da sie in der Türkei und den weiteren Ländern aufgrund der Größe und des Gewichts nicht mehr erlaubt ist. Trotzdem kostet der Express Versand nach Deutschland nicht gerade wenig.

So sieht doch eine erfolgreiche Schlafplatzsuche aus.

Tag 25

Von Nordmazedonien nach Griechenland – Wind, Kälte und Vogelparadies

Am Morgen erwachte ich in der windgeschützten Ruine ohne Dach bei äußerst ungemütlichen Bedingungen: Sturmböen peitschten um die Mauern, und das Thermometer zeigte kaum drei Grad Celsius. Ein schnelles Frühstück aus ein paar Keksen genügte, um mich für die Weiterfahrt zu stärken.

Schon bei den ersten Anstiegen fühlte ich den eisigen Gegenwind unablässig in mein Gesicht schlagen. Tief hingen die Wolken zwischen den Bergen, und an jeder Anhöhe oberhalb von 800 Metern radelte ich mitten durch feuchte Nebelschwaden und stürmische Böen – alles andere als angenehm, doch unvermeidlich.

Nach einigen Kilometern erreichte ich den Dojransee, die erste größere Wasserfläche Nordmazedoniens. Kaum hatte ich das Ufer passiert, stand ich bereits an der Grenze zu Griechenland und damit wieder im Schengen-Raum und in der Europäischen Union.

Nur wenige Kilometer weiter erwartete mich der Kerkini-See – ein wahres Naturparadies und offiziell als Nationalpark ausgewiesen. In den ersten, noch milden Wintertagen erwachte hier die Tierwelt zu neuem Leben: Ich beobachtete zahlreiche Mittelmeermöwen, balzende Haubentaucher, über fünfzig Krauskopfpelikane, einige Seidenreiher, viele Enten – und unzählige Straßenhunde. Tatsächlich stellt streunender Hundebestand in Griechenland ein weitaus größeres Problem dar als in anderen Balkanländern.

Am Abend nutzte ich das klare Wasser des Kerkini-Sees für eine erfrischende Waschung. Doch kaum war ich aus dem Wasser, kroch mir die Kälte in die Glieder, und ich verkrümelte mich rasch in meinen Schlafsack. In der Nacht machte ein streunender Hund die Runde um mein Zelt, angelockt vom Geruch meiner Vorräte. Mit meinem Fahrrad-Alarm und lauten Tönen über die Fernbedienung konnte ich ihn jedoch erfolgreich vertreiben.



 Ab jetzt bin ich in Griechenland und wieder im Schengen Raum


Vorbei am Grenzsee zwischen Nordmazedonien und Griechenland


Ein wahres idyll.

Tag 24

Ein weiterer Tag in Nordmazedonien – zwischen Gipfeln, Hochebene und Regen

Am Morgen startete ich mit einem mulmigen Gefühl in den Tag: Würde das Problem mit den Schrauben heute erneut auftreten? Ich hoffte inständig, dass nicht. Mein Weg führte mich zunächst durch die Berge hinauf auf die Hochebene Mazedoniens.

Der erste große Anstieg brachte mich auf knapp 1.300 Höhenmeter. Während ich mich mühsam hinaufkämpfte, zogen dichte Wolken durch die über 2.000 Meter hohen Gipfel und entluden sich über mir. Den heftigen Regen spürte ich sowohl beim kräftezehrenden Aufstieg als auch beim stürmischen Abstieg, begleitet von Windböen bis 60 km/h. Hinzu kam ein Temperatursturz auf nur noch 12 °C – bei Nieselregen und Sturm war das Radfahren kaum mehr angenehm.

Doch als ich die Hochebene erreichte, vergaß ich die Kälte und den Regen für einen Moment: Überall um mich herum erstreckte sich eine grandiose Berglandschaft mit unzähligen Formen und Farben. Ich wusste gar nicht, wohin ich zuerst schauen sollte. Selbst hier oben blieben Wind und Nieselregen meine ständigen Begleiter, doch die atemberaubende Aussicht machte jeden Tropfen wett.

Schließlich führte mich die Strecke über den letzten großen Berg zurück in tiefere Gefilde: Eine phänomenale Abfahrt ließ mich in kürzester Zeit von 1.000 auf 250 Meter sinken. Kaum hatte ich das Tal erreicht, setzte erneut Regen ein – und hielt an, bis ich gegen 16:30 Uhr einen geeigneten Schlafplatz suchte.

Nach 135 Kilometern und rund 1.300 Höhenmetern suchte ich zunächst vergeblich nach einer alten Baracke mit Dach. Schließlich entdeckte ich jedoch die Ruine eines gemauerten Gebäudes, das ausreichend Schutz vor dem nächtlichen Wind bot. Dort schlug ich mein Zelt auf, kochte mir eine Portion Nudeln und genoss den Blick auf die umliegenden Hügel und Berge. Müde, aber zufrieden, kroch ich in meinen Schlafsack und freute mich auf eine hoffentlich ruhigere Nacht.


Regenbogen bei der Abfahrt von dem Hochplateau, auf dem es sehr geregnet hat.


Mein heutiger Schlafplatz in einer alten Bauruine, die mir guten Windschutz geleistet hat


Meine abendliche Kochroutine

Der Weg von der Straße bis zu meinem Schlafplatz war sehr schlammig. Das sieht man auch am Fahrrad. Wer erkennt noch das Reifenprofil?

Tag 23

Ein Rückschlag im Nationalpark und erneute Hilfsbereitschaft der besonderen Art 
 
Nachdem am Vortag alle Reparaturen erfolgreich abgeschlossen waren, startete ich voller Zuversicht in den neuen Tag. Ich war dankbar für die spontane und großzügige Hilfe, die ich in so kurzer Zeit von völlig Fremden erhalten hatte – und umso motivierter, wieder ein gutes Stück voranzukommen. 
 
Die Route führte mich zunächst über einen größeren Berg im Süden Nordmazedoniens. Nach der Abfahrt gelangte ich in ein abgelegenes Tal mit beeindruckend unberührter Natur. Dort leitete mich Komoot über einen schmalen, stark verwilderten Weg mit extrem steilen Passagen. Warum genau die App gerade diesen Pfad gewählt hatte, erschloss sich mir nicht – doch ich folgte der Route und trat kräftig in die Pedale. 
 
Plötzlich hörte ich ein Knacken – und sofort war mir klar, was geschehen war: Die drei Schrauben, die mein Schaltauge mit dem Rahmen verbanden, waren erneut gebrochen. Vermutlich lag es diesmal an der Materialschwäche der provisorischen Schrauben, die wir mangels Alternativen verwendet hatten. Doch diesmal befand ich mich nicht in der Nähe einer Stadt, sondern mitten in einem abgelegenen Nationalpark, auf einem steilen Anstieg. 
 
In solchen Situationen heißt es: Ruhe bewahren. Nach gründlichem Überlegen entschied ich mich gegen das mühsame Hochschieben des Fahrrads über den Berg und stattdessen dafür, die steile Passage wieder vorsichtig hinabzufahren – in der Hoffnung, unten auf Hilfe zu stoßen. 
 
Tatsächlich traf ich noch vor Erreichen der Straße auf einen Bauern mit seinem Traktor. Ich machte ihm mein Problem verständlich, und er zögerte nicht lange: Nach mehreren Telefonaten forderte er mich auf, ihm zu folgen. So ging es für mich – das Fahrrad schiebend – hinter dem Traktor her bis in ein winziges Dorf mit gerade einmal 18 Einwohnern. 
 
Dort wartete bereits ein Mann auf mich, den der Bauer angerufen hatte. Er sprach Englisch und verstand sofort meine Situation. In den folgenden Minuten wurden zahlreiche weitere Telefonate geführt, doch zunächst war kein Transportfahrzeug aufzutreiben – schließlich war Sonntag, und fast jeder im Land unterwegs oder schwer erreichbar. 
 
Nach einiger Zeit hatte der Englisch sprechende Mann schließlich Erfolg: Sein Cousin, Besitzer eines kleinen Transporters, war bereit zu helfen und machte sich auf den Weg. Während wir auf ihn warteten, lernte ich fast das halbe Dorf kennen. Ich wurde herzlich empfangen, bekam eine mazedonische Spezialität serviert und durfte sogar selbst gebrautes Bier probieren. 
 
Im Gespräch mit Goce, einem der Dorfbewohner, erfuhr ich, dass er 34 Jahre alt ist und in einer Ziegelsteinfabrik arbeitet. Wie bei vielen anderen auch, stellte sich heraus, dass er mehrere Jahre in Deutschland gearbeitet hatte – ein typisches Schicksal vieler Menschen aus dem Balkan, die im Ausland bessere Verdienstmöglichkeiten suchen. 
 
Als der Cousin mit dem Transporter eintraf, war die Runde auf etwa zwölf Personen angewachsen – eine ausgelassene Stimmung herrschte, es wurde gelacht, geraucht und angeregt diskutiert. Schließlich verluden wir mein Fahrrad samt Gepäck, und die Reise ging weiter nach Resen. 
 
Dort angekommen, bezog ich zunächst mein Zimmer im Hostel. Wenig später erschien bereits der erste Helfer, der von den Dorfbewohnern organisiert worden war. Leider konnte er mit meinem speziellen Problem nichts anfangen, da er nur Standardfahrräder kannte – übernahm aber dennoch engagiert die Rolle als Vermittler und Fahrer. 
 
Er brachte mich zu einem Bekannten in Resen, der Erfahrung im Umgang mit beschädigten Gewinden hatte. In dessen Werkstatt konnten tatsächlich zwei der drei beschädigten Gewinde repariert werden – nur das mittlere war durch die abgebrochene Schraube so beschädigt, dass keine gefahrlose Entfernung mehr möglich war. 
 
Im nächsten Schritt ging es auf die Suche nach stabileren Schrauben. Für mich öffnete der örtliche Baumarkt sogar außerhalb der Öffnungszeiten seine Türen. Der Besitzer ließ sich viel Zeit, um passende, robuste Schrauben zu finden und übergab mir schließlich eine kleine Auswahl im Beutel. Gleichzeitig machte er mich darauf aufmerksam, dass nur eines der zwei reparierten Gewinde wirklich frei nutzbar sei. 
 
Zurück in der Werkstatt wurde schließlich das zweite Gewinde vollständig freigedreht, sodass zumindest zwei Schrauben das Schaltauge nun wieder sicher mit dem Rahmen verbanden. Damit war das Fahrrad wieder einsatzbereit. 
 
Im Hostel wartete bereits der Besitzer auf mich, um mir beim Wiedereinbau der Komponenten zu helfen. Nach der erfolgreichen Montage drehte ich eine kurze Testrunde – und alles fühlte sich stabil und zuverlässig an. 
 
Auch wenn dieser Tag durch den erneuten Defekt zunächst frustrierend begann, war ich am Ende wieder tief beeindruckt: Von der Hilfsbereitschaft völlig fremder Menschen, vom Zusammenhalt in einem winzigen Dorf, vom Engagement eines Baumarktbesitzers an seinem freien Tag – und von der Geduld und Ausdauer all jener, die sich meiner annahmen. 
 
Wieder einmal zeigte sich: Man braucht manchmal Glück, ein wenig Improvisationstalent – und vor allem die richtigen Menschen zur richtigen Zeit. 





Nette Gespräche mit den Einwohnern des 18 Personen Dorfes mitten in der Natur in Nordmazedonien


Fahrrad in den Transporter geladen und ab zur nächst größeren Stadt 


Beim Feinmechaniker, der mir die Gewinde aus dem Schaltauge erneut herausgebohrt hat 

Am Sonntag öffnet Murat seinen Baumarkt für mich und wir finden stabile Schrauben. Yuhu!

Mein persönlicher Chauffeur, der mich an diesem Tag zu allen anderen im Dorf gebracht hat und alles organisiert hat, dass ich so schnell wie möglich weiter kann.

Ein Bild, dass die Hilfsbereitschaft der Menschen in Nordmazedonien unterstreicht.

Tag 22

Ein unerwarteter Zwischenfall und unglaubliche Hilfsbereitschaft 
 
Der Tag begann eigentlich vielversprechend. Ich erwachte am Debar-See und lauschte dem morgendlichen Zwitschern der Vögel. Doch bereits am Vortag hatte ich bemerkt, dass mein Hinterreifen Luft verlor. Also stellte ich mich darauf ein, ihn heute zu wechseln. Doch was zunächst nach einer kleineren Reparatur aussah, sollte meinen gesamten Tag auf den Kopf stellen. 
 
Nachdem ich den Schlauch ersetzt hatte, bereitete mir die Befestigung der Rohloff-Nabe Schwierigkeiten. Ich war mir nicht sicher, ob alles korrekt montiert war, doch als ich schließlich weiterfahren wollte, geschah das Unglück: Durch den Widerstand beim Anfahren am Berg verrutschte die Nabe, und die enorme Kraft riss drei Schrauben, die das Schaltauge mit dem Rahmenschloss verbinden, komplett ab. Zudem verbog sich die Aufhängung am Rahmen. Ohne diese speziellen Schrauben und das notwendige Werkzeug war eine Weiterfahrt unmöglich. 
 
Glücklicherweise geschah der Defekt nicht mitten in den Bergen, sondern noch in der Nähe einer Straße. Ich winkte einem Autofahrer zu, der sofort anhielt und mir Hilfe organisierte. Kurz darauf kam ein Taxi, das mich mit meinem Fahrrad nach Debar brachte – in der Hoffnung, dort eine Werkstatt oder einen Fahrradladen zu finden. Doch schnell wurde klar, dass es vor Ort keine Lösung gab. Daher blieb mir nichts anderes übrig, als mit dem Taxi weiter nach Struga zu fahren, wo es sowohl einen Fahrradladen als auch eine Unterkunft gab. 
 
Die Taxifahrt war abenteuerlich: Mein Fahrrad ragte zur Hälfte aus dem Kofferraum, Sicherheitsgurte gab es nicht, und eine Klimaanlage bei den sommerlichen Temperaturen suchte man vergeblich. In Struga angekommen, zeigte mir der Fahrer die wichtigsten Anlaufstellen, bevor er mich am Hotel absetzte. Dort brachte ich mein Gepäck in Sicherheit und begann, meine Lage zu analysieren. Ich aktivierte meine eSIM, um mit meiner Familie und meinem Fahrradladen des Vertrauens – „Radelmal“ in Darmstadt – Kontakt aufzunehmen. 
 
Nach einem längeren Videoanruf mit Max vom Radelmal stand fest: Die entscheidenden Schrauben mussten ersetzt werden. Ich machte mich also auf den Weg zum zwei Kilometer entfernten Fahrradladen. Dort angekommen, wollten die Mechaniker das Rad selbst begutachten, bevor sie eine Lösung vorschlugen. Einer der Mitarbeiter fuhr mich mit seinem Auto zurück zum Hotel, um das Fahrrad zu holen. In der Werkstatt begann dann die mühsame Suche nach den passenden Schrauben – leider ohne Erfolg. 
 
Der Chef der Werkstatt entschied daraufhin, den Mechaniker mit mir zu einem Baumarkt zu schicken. Dort fanden wir zumindest ähnliche Schrauben, die jedoch nicht die ideale Stabilität hatten. In der Werkstatt angekommen, versuchte der Sohn des Chefs, eine dieser Schrauben in mein Ersatz-Schaltauge zu drehen – doch sie brach ab. Die Stimmung war gedrückt, doch aufgeben kam nicht in Frage. 
 
Der Mechaniker machte sich daraufhin auf den Weg zu verschiedenen Läden und Werkstätten, um doch noch eine Lösung zu finden – leider ohne Erfolg. Schließlich blieb nur eine mühsame Handarbeit: Über eine Stunde lang drehte er die abgebrochene Schraube mit Spezialwerkzeug vorsichtig aus dem Gewinde, ohne dieses zu beschädigen. Anschließend wurden die Schrauben mit einer Metallsäge auf die richtige Länge gekürzt und montiert. 
 
Zwar konnten die beschädigten Gewinde des Schaltauges nicht vollständig repariert werden, doch das war ein Problem, das ich später an einem Pausentag in einer besser ausgestatteten Werkstatt beheben lassen konnte. Wichtig war, dass mein Fahrrad wieder funktionstüchtig war. 
 
Nachdem alles montiert war, wurde mein Rad zurück zum Hotel gebracht. Dort stand eine zweite Videoschaltung mit Max an, der mich Schritt für Schritt durch den Zusammenbau führte, um sicherzustellen, dass sich der Vorfall nicht wiederholen würde. Als ich am Abend eine Testfahrt unternahm, lief alles reibungslos – die Erleichterung war riesig. 
 
Zum Abschluss fuhr ich noch einmal zur Werkstatt, um mich zu bedanken – doch sie hatten bereits geschlossen. Wahrscheinlich war mein Fall so zeitintensiv gewesen, dass sie den Arbeitstag früher beendeten. 
 
Die enorme Hilfsbereitschaft der Menschen in der Fahrradwerkstatt hat mich tief berührt. Über fünf Stunden investierten sie in die Reparatur, suchten unermüdlich nach einer Lösung – und verlangten am Ende keinen Cent für ihre Arbeit. Ihnen genügte es, mir geholfen zu haben und mich wieder auf die Reise schicken zu können. 
 
Obwohl der Tag mit einem großen Rückschlag begann, hatte ich am Ende unglaubliches Glück: Ich traf ausschließlich auf hilfsbereite Menschen und konnte meine Reise bereits am nächsten Morgen fortsetzen. Solche Erlebnisse zeigen mir immer wieder, dass Reisen nicht nur aus schönen Landschaften, sondern vor allem aus Begegnungen mit besonderen Menschen besteht. 




Mit dem Taxifahrer durch die Berge rasen 




Im einzigen Fahrradladen, weit und breit in der Stadt Struga

Das demolierte Teil…

Das lange warten, hoffen und bibbern…

Der beste Mechaniker des Balkans. Danke dir, du hast mir den Arsch gerettet !

Juhu !, alles wieder repariert. Ganze 5 Stunden später.

Tag 21

Von der morgendlichen blauen Stunde geweckt, erblickte ich die atemberaubende Szenerie um mich herum. Der Fluss Mat schlängelte sich majestätisch durch die Berge, und die ganze Landschaft wirkte fast surreal. Als schließlich die Sonne hinter den Gipfeln auftauchte und ihre ersten Strahlen über das Tal warf, war der Moment nahezu perfekt.

Ich setzte mich auf meinen Campingstuhl und genoss mein Frühstück, das aus Joghurt, Früchten, einem Apfel, einer Banane und Haferkeksen bestand. Noch einige Minuten ließ ich den beeindruckenden Ausblick auf mich wirken, bevor ich langsam meine Sachen zusammenpackte.

Kaum war ich wieder auf dem Fahrrad, setzte leichter Nieselregen ein – und er sollte mich den ganzen Tag in Intervallen begleiten. Doch da es nicht stark regnete und die Temperaturen bei angenehmen 17 °C lagen, verzichtete ich auf meine Regenjacke. So kühlte ich nicht zu schnell aus.

Meine heutige Strecke führte mich durch das albanische Hinterland, immer wieder über hügeliges Terrain. Die Straßen waren größtenteils holprig und in schlechtem Zustand. Je weiter ich Richtung Nordmazedonien ins Landesinnere fuhr, desto mehr verarmte und heruntergekommene Dörfer passierte ich.

Nach etwa 90 Kilometern und bereits einigen Höhenmetern erreichte ich schließlich die Grenze zu Nordmazedonien. Dieses Land faszinierte mich besonders, weil ich absolut keine Vorstellung davon hatte, was mich erwartete – weder in Bezug auf die Kultur noch auf die Menschen oder die Landschaft. Ich war gespannt, was die nächsten Tage bringen würden.

Am Abend erreichte ich die Stadt Debar in Nordmazedonien und traf in einer Bar auf ein deutsch-österreichisches Pärchen. Wir kamen ins Gespräch, und sie erzählten mir von ihrem spannenden Projekt: Sie arbeiten mit Landwirten zusammen, um ihnen die Prinzipien der Agroforstwirtschaft näherzubringen. Ihr Ziel ist es, den Bauern durch nachhaltige Anbaumethoden und Zertifizierungen eine Möglichkeit zu bieten, ihr Einkommen zu vervielfachen – anstatt nur mit ihren bisherigen, wenig profitablen Anbaumethoden zu wirtschaften.

Plötzlich gesellte sich ein junger Mann dazu, vielleicht 15 Jahre alt. Er erzählte, dass er zwei Jahre lang in Deutschland als Austauschschüler gelebt hatte. Ich war überrascht, wie offen und freundlich die Menschen hier auf mich zukamen – eine ganz andere Erfahrung als in den letzten Ländern, in denen die Menschen eher zurückhaltend und Fremden gegenüber distanziert waren.

Als es dunkel wurde, suchte ich mir einen Platz für mein Zelt am Ufer des Debarsees. Dort nutzte ich die Gelegenheit, mich endlich wieder zu waschen – auch wenn das Wasser auf über 500 Metern Höhe eisig kalt war. Ich hielt es nur so lange aus, wie unbedingt nötig, bevor ich mich wieder aufzuwärmen versuchte.

Zum Abendessen gab es wie gewohnt Nudeln mit Obst. Danach folgte mein tägliches Ritual: Dehnen, Zähne putzen, mich mit der Blackroll ausrollen und eine Nahrungsergänzungstablette nehmen. Zur Entspannung massierte ich meine Knie und Fußgelenke mit Arnika-Öl und trug meine bewährte Sitzcreme auf. Die Pflege half oft, meine beanspruchten Gelenke zu regenerieren.

Schließlich legte ich mich erschöpft, aber zufrieden in mein Zelt – bereit für eine hoffentlich erholsame Nacht.



Wundervolle Aussicht auf die albanische Berglandschaft 




Am Berge beklimmen 

Grenze zu Nord-Mazedonien überschritten 

Schlafplatz bei Vollmond am Debar-See 

Tag 20



Die ersten großen Gebetshäuser 




Die Nacht war leider alles andere als erholsam. Immer wieder wurde ich durch starken Wind und Regen geweckt. Schließlich entschied ich mich bereits um 6:30 Uhr aufzustehen, meine Sachen zu packen und weiterzufahren.

Das Abbauen des Zeltes gestaltete sich äußerst mühsam. Da ich mein Zelt auf dem einzigen kleinen Stück Erde dieser Geröllhalde aufgeschlagen hatte, verwandelte sich der Untergrund durch den Regen in schlammigen Morast. Zudem hatte sich an dieser Stelle eine kleine Senke gebildet, sodass sowohl meine Schutzplane als auch der Zeltboden komplett durchnässt waren. Zum Glück blieb ich selbst trocken, da ich auf meiner Isomatte lag – aber das war wirklich eine unbequeme Erfahrung. Nachdem ich alles provisorisch vom Schlamm befreit und notdürftig getrocknet hatte, konnte ich endlich aufbrechen.

Nach einigen Kilometern entlang der Küste erreichte ich, umgeben von einer beeindruckenden Berglandschaft, die Grenze zu Albanien. Die Grenzkontrolle verlief erneut problemlos. Doch kaum hatte ich die Grenze überquert, spürte ich sofort, dass hier vieles anders war: Ich sah die ersten Straßenhunde, bemerkte überall große Mengen Müll und stellte fest, dass die Menschen hier deutlich ärmer waren. Das zeigte sich vor allem an den einfachen Häusern und der teils maroden Infrastruktur.

Sowohl in Montenegro als auch in Albanien war das Fahren mit dem Fahrrad größtenteils nur auf den großen Straßen möglich – Alternativrouten gab es kaum oder wären mit riesigen Umwegen und kaum befahrbaren Wegen verbunden gewesen.

Am Abend folgte ich dem Fluss Mat, der nordöstlich von Tirana liegt, und fuhr hinauf in die Berge. Ursprünglich hatte ich nicht erwartet, dass ich an diesem Tag so weit kommen würde – doch am Ende standen über 140 Kilometer und 1.400 Höhenmeter auf dem Tacho. Als die Dämmerung einsetzte, fand ich einen kleinen Vorsprung mit atemberaubender Aussicht auf den sich durch das Tal schlängelnden Fluss und baute dort mein Zelt auf.

Erschöpft, aber zufrieden, kochte ich mir Nudeln mit leckerem grünem Barilla-Pesto und aß dazu etwas Obst. Die Kombination ist mir wichtig – eine ausgewogene Ernährung sorgt nicht nur für die richtige Energiezufuhr, sondern hält auch die Verdauung im Gleichgewicht.







Hinterland von Albanien 

Grenze zu Albanien überschritten 

Schlafplatz im albanischen Hochland  

Im albanischen Hochland  

Tag 19



Heute startete ich ganz entspannt in Dubrovnik und fuhr durch wunderschöne Landschaften, abseits der großen Straßen. Nach etwa 40 Kilometern erreichte ich bereits die Grenze zu Montenegro. 
 
Da ich bei der Einreise von Bosnien-Herzegowina nach Kroatien sehr gründlich kontrolliert worden war, hatte ich mich diesmal auf eine ähnlich strenge Kontrolle eingestellt. Doch das blieb aus. Die Grenzbeamten schienen eher gelangweilt und wenig motiviert, ihr Wärterhäuschen zu verlassen – vielleicht auch wegen des leichten Nieselregens und der tiefhängenden Wolken in den Bergen. Mir kam das natürlich sehr gelegen, denn so konnte ich schnell weiterfahren. 
 
Landschaftlich unterscheidet sich Montenegro nicht allzu stark von Kroatien, doch mir fiel auf, dass es hier deutlich grüner und bewachsener ist, während Kroatien eher von felsigen Landschaften geprägt war. Allerdings sind die Straßenverhältnisse für Radfahrer weniger ideal: Viele Strecken führen über große Hauptstraßen, und es gibt zahlreiche lange Baustellen. Oft fährt man als Radfahrer direkt auf einer zweispurigen Fahrbahn zwischen den Autos und wird dabei schnell zum Hindernis. Trotzdem ließ sich die Fahrt gut bewältigen. 
 
Nach 110 Kilometern und 1.300 Höhenmetern erreichte ich schließlich die Gegend um Petrovac na Moru. Dort stellte ich mein Zelt auf einer Art Geröllhalde auf und ließ den Tag ausklingen. 





Grenze zu Montenegro überschritten 


Bericht über mich im Echo vom 11.03.2025

Tag 18



Ausgeschlafen begann ich den Morgen und griff als Erstes zu meinem Handy. Die erste Nachricht, die mich erreichte, war eine Überraschung: Mein Vater hatte mir einen Zeitungsartikel aus dem Darmstädter Echo über meine Reise geschickt. Diese unerwartete Aufmerksamkeit machte meinen Morgen umso schöner.

Bevor ich in den Tag startete, holte ich noch schnell Brötchen und Aufstrich im Supermarkt – dabei wurde ich allerdings komplett durchnässt. Es stürmte und regnete heftig, und ich war einfach nur froh, die Nacht im Trockenen verbracht zu haben, anstatt bei diesem Wetter unterwegs sein zu müssen.

Als sich der Regen etwas legte, fuhr ich mit meinem Fahrrad zum Hafen von Dubrovnik und nutzte die Gelegenheit, mir die Stadt noch einmal genauer anzusehen. Die Architektur ist wirklich beeindruckend, und die Lage direkt am Mittelmeer macht sie besonders reizvoll. Allerdings ist der Straßenverkehr sehr chaotisch und für Fahrräder völlig ungeeignet – ich sah auch kein einziges anderes Fahrrad. Fast alle waren mit dem Auto oder Motorrollern unterwegs.

Am Morgen hatte ich festgestellt, dass mein Fahrradständer vermutlich durch die hohe Belastung meines Gepäcks gebrochen war. Daher suchte ich einen Fahrradladen auf. Leider war der Mechaniker dort äußerst unfreundlich und machte den Eindruck, als wäre ich ihm lästig. Er zeigte wenig Interesse, mir zu helfen, und konnte mir weder eine Lösung noch einen Ersatz anbieten. Das war eine enttäuschende Erfahrung. Nun bleibt mir nichts anderes übrig, als den Schaden in den nächsten Wochen im Auge zu behalten und hoffentlich bald einen passenden Ersatz zu finden.

Nach diesem wenig erfreulichen Erlebnis setzte ich mich in ein Restaurant, bestellte eine Pizza und genoss die wunderschöne Aussicht auf den Hafen von Dubrovnik.

Zurück im Hostel nutzte ich die Zeit, um meine gesamte Radkleidung zu waschen. Zudem überprüfte ich mein Fahrrad gründlich: Ich zog alle Schrauben nach, spannte den Riemen nach, reinigte es und machte es für die kommenden Tage wieder einsatzbereit. Außerdem sicherte ich die Aufnahmen meiner Kameras und erstellte Backups.

Am Abend schnitt ich meine täglichen Kurzvideos, schrieb mein Tagebuch und packte meine Sachen für die nächsten Etappen zusammen.










Dubrovnik bei Regen bei Nacht

Tag 17



Auch an diesem Morgen stand ich wieder sehr früh auf. Der Grund? Ab Mittag war starker Regen vorhergesagt. Der Wind war ohnehin unvermeidbar, doch mit Geschwindigkeiten von 50–70 km/h blies er mir direkt entgegen. Das machte das Fahren enorm anstrengend – insbesondere mit dem gesamten Gepäck, das ich ohnehin schon mit mir herumschleppe. Also blieb mir nichts anderes übrig, als die Zähne zusammenzubeißen und durchzuhalten.

Glücklicherweise bewegte ich mich immer weiter in Richtung Osten, und je weiter ich kam, desto später sollte der Regen eintreffen. Deshalb legte ich trotz des starken Windes, der vielen Höhenmeter und der langen Strecke nur eine kurze Pause ein. Ich wollte auf keinen Fall in die unangenehme Kombination aus Sturm und Regen in den Bergen geraten. Mein Plan ging auf: Ich erreichte Dubrovnik noch trocken. Erst als ich die Stadtgrenze passierte, begann es leicht zu nieseln.

Ich freute mich schon auf die warme Dusche in meinem Hostel, in dem ich die nächsten zwei Nächte verbringen würde. Am Abend gönnte ich mir ein leckeres Essen in einem vegetarischen Restaurant in Dubrovnik und kaufte Vorräte für meinen bevorstehenden Pausentag ein.










Löffler






Dubrovnik bei Regen bei Nacht

Tag 16



Heute Morgen musste ich bereits um 5:30 Uhr aufstehen, da ich rechtzeitig die Fähre nach Hvar erreichen wollte, die um 8:30 Uhr in Split ablegte. Doch das war leichter gesagt als getan. Ich hatte mir vorgenommen, die 30 Kilometer in zwei Stunden zu schaffen. Die anfängliche Abfahrt vom Pass verlief zügig, doch das dichte Stadtgetümmel und der Berufsverkehr machten die Fahrt anstrengend und schweißtreibend. Schließlich musste ich das Tempo anziehen, um es noch rechtzeitig zur Fähre zu schaffen. Zum Glück hat alles geklappt, und ich konnte auf die Insel Hvar übersetzen.

Da ich noch nichts gefrühstückt hatte, kaufte ich mir in einem kleinen Café zwei Brote. Doch da an diesem Tag ein Feiertag war, hatten weder Bäckereien noch Supermärkte oder Eisdielen geöffnet. Besonders daran merkte ich, dass ich mich noch in der Nebensaison befand – viele Geschäfte waren mit Holzbrettern verbarrikadiert, da sie noch nicht wieder geöffnet hatten.

Die Schönheit der Insel war beeindruckend. Ich fuhr sie von Anfang bis Ende durch, ohne eine längere Pause einzulegen – rund 65 Kilometer und 1.000 Höhenmeter. Die Landschaft war einfach zu atemberaubend, um anzuhalten. Am Abend nahm ich dann bereits die nächste Fähre zurück zum Festland.

Noch während der Überfahrt kontaktierte ich einen Campingplatz, der allerdings geschlossen war. Glücklicherweise organisierte die Besitzerin, dass ich dort trotzdem mein Zelt aufbauen konnte. Sie ermöglichte mir zudem den Zugang zu einer Steckdose, warmem Wasser in der Waschküche sowie WLAN. Eine solche Freundlichkeit hatte ich in Kroatien bisher noch nicht erlebt – oft hatte ich den Eindruck, dass die Menschen hier, insbesondere aufgrund der Sprachbarriere, eher zurückhaltend gegenüber Fremden sind.

So konnte ich in Podaca nach einem anstrengenden, aber eindrucksvollen Tag einen angenehmen Abend verbringen.






Tag 15



Am Morgen bemerkte ich, dass der Strand voller Hühnergötter war – Steine mit einem natürlichen Loch in der Mitte, die als Glücksbringer gelten. Manche Menschen fertigen daraus Ketten an. Ich nahm mir ebenfalls ein paar kleinere Steine mit, in der Hoffnung, dass sie mir auf meiner weiteren Reise Glück bringen würden.

Der Start in den Tag verzögerte sich allerdings, da ich die Hülle meiner Zeltheringe nicht finden konnte und mein Garmin-Navigationsgerät nicht richtig funktionierte. Dadurch verpasste ich leider die ursprünglich geplante Fähre. Doch so blieb mir zumindest etwas mehr Zeit für ein entspanntes Frühstück.

Mit der nächsten Fähre setzte ich schließlich wieder zum Festland über und erreichte Biograd. Von dort führte mich meine Route entlang der Küste, über einige Hügel und Berge, durch Šibenik in Richtung Split. Kurz vor Split erwartete mich noch ein anspruchsvoller Anstieg mit vielen Höhenmetern auf ein Hochplateau. Am höchsten Punkt des Passes beschloss ich, mit einer beeindruckenden Aussicht mein Zelt aufzuschlagen.

Mitten in der Nacht wurde ich plötzlich von Heulen geweckt. Da ich bislang keine Straßenhunde in der Gegend gehört hatte und die nächsten Dörfer mehrere Kilometer entfernt waren, mussten es Wölfe sein, die hier in den Bergen lebten. Als ich kurz aufstand, um auf die Toilette zu gehen, scheinen sie mich bemerkt zu haben – ihr Heulen und Bellen wurde lauter und schien in meine Richtung zu kommen. Dieses Erlebnis war besonders eindrucksvoll. Obwohl ich die Wölfe weder sah noch sie sich mir näherten, fühlte ich mich in diesem Moment tief mit der Natur verbunden.








Tag 14



Heute Morgen sehr schön in der Natur aufgewacht, machte ich mich für einen weiteren, sonnigen Fahrradtag fertig. Das übliche Prozedere mit dem Zelt abbauen, alles an seinen Ort wieder in den Fahrradtaschen verstauen und wieder den Po auf den Sattel setzen. Nach einigen Bergen ging es für mich nach Zadar. Dort nahm ich die Fähre auf die Insel Pag. Die Landschaft auf der Insel war noch mal deutlich unterschiedlicher, als am Festland. Es war sehr, sehr steinig, fast wie in einer Wüste. Erst im Inneren der Insel waren dann auch kleinere Wälder vorzufinden. Es war sehr schön auf der Insel, auch auf kleineren Wegchen zu fahren, weil vor allem auch weniger Autoverkehr vorhanden war. Von dieser Insel, gab es eine Brücke wieder auf das Festland. Von Zadar nahm ich die Fähre auf die nächste Insel namens Uglian. Als es dann später am Tag wurde bog ich in  einen kleineren Weg zu einem Strand ein. An diesem Strand war zum Glück niemand und ich konnte mir ein schönes, verstecktes Plätzchen mit meinem Zelt suchen. In der Nacht wachte ich ein paarmal auf, da Fischer mit ihrem Boot in die Bucht fuhren und ihre Scheinwerfer an hatten.

Tag 13

Heute Morgen wachte ich inmitten der Natur auf und bereitete mich auf einen weiteren sonnigen Tag mit dem Fahrrad vor. Das übliche Morgenritual begann: das Zelt abbauen, alle Ausrüstungsgegenstände ordentlich in den Fahrradtaschen verstauen und schließlich wieder in den Sattel steigen.

Nach einigen anspruchsvollen Anstiegen führte mich meine Route nach Zadar, von wo aus ich die Fähre auf die Insel Pag nahm. Die Landschaft dort unterschied sich deutlich vom Festland – sie war äußerst steinig, fast wüstenartig. Erst im Inneren der Insel fanden sich kleinere Wälder. Das Radfahren auf Pag war besonders angenehm, da die kleinen Wege abseits der Hauptstraßen kaum von Autos befahren wurden.

Von der Insel führte eine Brücke zurück aufs Festland. Anschließend nahm ich von Zadar aus eine weitere Fähre zur Insel Ugljan. Später am Tag bog ich auf einen kleinen Weg ein, der zu einem abgelegenen Strand führte. Dort hatte ich Glück: Der Strand war menschenleer, sodass ich mir ein ruhiges und geschütztes Plätzchen für mein Zelt suchen konnte.

In der Nacht wachte ich jedoch mehrfach auf, da Fischer mit ihren Booten in die Bucht einfuhren und ihre Scheinwerfer auf das Wasser richteten.





Tag 12

Heute Morgen führte mich meine Reise von Ljubljana über einige hügelige Etappen nach Kroatien. Nach vielen Kilometern erreichte ich schließlich Rijeka. Dort, am Mittelmeer, das ich nun erstmals mit dem Fahrrad bereise, sprach mich ein Niederländer an. Er erkundigte sich nach meinen Plänen, da er eine ähnliche Tour geplant hatte.

Er erzählte mir, dass er von Amsterdam über Nürnberg nach Linz gefahren sei. Doch in Linz wurden seine Knieschmerzen so stark, dass er sich entschied, mit mehreren Zügen nach Rijeka zu reisen. Dort pausiert er nun bereits seit einer Woche, um sich zu schonen. Ich gab ihm einige Tipps zu Dehntechniken und Methoden zur Faszienentspannung mit auf den Weg. Vielleicht werde ich ihm im Laufe meiner Reise noch einmal begegnen, falls es ihm in den kommenden Tagen besser geht. Dies war meine erste Begegnung mit einem Gleichgesinnten auf dieser Reise.

Da ich nur noch wenig Wasser hatte und einen Schlafplatz suchte, musste ich eine Lösung finden. In einer großen Stadt wie Rijeka sind schöne Schlafmöglichkeiten in der Natur eher selten. Doch dann entdeckte ich ein verlassenes Bahnwärterhäuschen – der perfekte Ort. Mit einer großartigen Aussicht auf Rijeka und das Mittelmeer richtete ich mich dort für die Nacht ein.





Tag 11

Heute bin ich ausgeschlafen aufgewacht, habe ein leckeres Frühstück genossen und bin dann in die Stadt gelaufen. Am Abend zuvor hatte ich mich für eine Free Walking Tour angemeldet. Die Tour war äußerst interessant und bot eine abwechslungsreiche Möglichkeit, Ljubljana näher kennenzulernen. Danach ging ich noch einmal zur Burg und genoss bei wolkenlosem Himmel die Sonne und die angenehme Wärme – vor allem die Wärme, die ich in den letzten Tagen in den Alpen vermisst hatte.



Tag 10


Heute fuhr ich bereits um 8:00 Uhr von Villach los. Da mein Ziel Ljubljana war, konnte ich nicht direkt über die Berge fahren, da der Pass zu steil zum Befahren war. Daher musste ich um den Triglav-Nationalpark herumfahren, um hinter den Bergen stetig nach Ljubljana zu gelangen. Glücklicherweise waren die Passagen nicht extrem steil. 

 

Kurz darauf überquerte ich die italienische Grenze bei Tarvis und wenig später auch die slowenische Grenze bei Ratece. Auch hier fuhr ich wieder durch Skigebiete, nun auf slowenischer Seite. Ab dort ging es zwar hügelig, aber stetig bergab nach Ljubljana. In Ljubljana habe ich mir ein sehr günstiges Airbnb gemietet, in dem ich auch am nächsten Tag bleiben werde, um die Stadt zu erkunden. 

 

Trotz der 135 km war diese längere Etappe sehr schön zu fahren. Es war nun an der Zeit, den Alpen endgültig „Goodbye“ zu sagen. 

Tag 9


Heute fuhr ich von Obertauern los, das komplett verschneit war und mitten im Skibetrieb lag. Zunächst ging es 550 Höhenmeter bergab, durch einige kleine Dörfchen. Danach stand jedoch der nächste steile Anstieg bevor: 6 km mit über 15 % Steigung und knapp 600 Höhenmetern bis hinauf auf die Katschberghöhe. Auch hier befand ich mich wieder mitten im Skitourismusgebiet.


Ich machte eine ausgedehnte Mittagspause mit einer atemberaubenden Aussicht oben auf der Katschberghöhe und genoss das unglaubliche Panorama der schneebedeckten Berge. Danach ging es wieder eine lange Strecke bergab, bis ich nach einer Etappe von 120 km in Villach ankam. Da ich immer noch mitten in den Alpen war und es kaum gute Stellen zum Wildcampen gab, nutzte ich wieder Warmshowers, um bei Rita und ihrer Familie eine warme Dusche und einen Schlafplatz zu bekommen.


Die ganze Familie war an dem Tag, bevor ich bei ihnen ankam, noch Skifahren oder auf Skitour, was mir zeigte, dass Skifahren in den Bergen viel alltäglicher ist, als es bei mir zuhause der Fall ist, wo ich es höchstens einmal im Jahr im Urlaub mache. Ich bemerkte auch, dass in vielen Skigebieten, die unter 1000 m lagen, kaum natürlicher Schnee lag und sich nur ein schmaler Streifen Kunstschnee den Berg hinab schlängelte. Das ließ mich stark hinterfragen, wie ökologisch, nachhaltig und sinnvoll der Skitourismus heutzutage noch ist.

Tag 8


Heute begann meine erste Etappe der Alpendurchquerung. Um 9:00 Uhr morgens startete ich in Salzburg und kam den Bergen Stück für Stück näher. Nach etwa 60 km begann der erste große Berg. Der Anstieg führte 11 km und 750 Höhenmeter hinauf. Die Straße war größtenteils 15 % steil, was den Aufstieg mit viel Gepäck ziemlich anspruchsvoll machte. Doch je weiter ich kam, desto mehr sah ich die schneebedeckten Berge vor mir und konnte die fantastische Aussicht genießen.


Nachdem ich Untertauern durchquert hatte, führte mich Komoot auf einen weiteren Fahrradweg, der nicht an der Hauptstraße entlangging. Das klang zunächst gut, also vertraute ich auf die Route – doch plötzlich stand ich ein paar Kilometer später auf einer Langlaufloipe. Da der Rückweg zu aufwändig gewesen wäre, schob ich mein Fahrrad zweieinhalb Kilometer durch den Schnee. Auch das war ein sehr anstrengendes Unterfangen, aber ich achtete darauf, die Langlaufloipe nicht zu beschädigen. Spätestens ab diesem Moment wurde mir klar, dass ich nun mitten in den Bergen und auf großer Höhe war.


Nach einer schweißtreibenden Auffahrt kam ich um 18:00 Uhr in Obertauern an. Es schneite stark, und die Temperaturen fielen immer weiter in den Minusbereich. Ich war völlig erschöpft von dieser Etappe mit 1800 Höhenmetern und über 100 km Strecke. Also fragte ich einen Einheimischen nach dem günstigsten Hotel und entschied mich, in der Hotel Traverne einzukehren. In der Nacht schneite es weiter, und die Temperatur sank auf -8°C. Im Zelt wäre es bei diesen Bedingungen ziemlich ungemütlich geworden.

Tag 7


Heute stand für mich der letzte Pausetag vor den großen Alpenüberquerungsetappen an. Ich versuchte, mich noch einmal richtig zu regenerieren, was jedoch nicht ganz so gut klappte. Meine Schwester und ich machten einen langen Spaziergang durch Salzburg, wanderten hinauf zur Burg und gingen eine längere Strecke an der Salzach entlang. Am Ende des Tages hatten wir über 10 Kilometer zurückgelegt. Dafür genossen wir ein leckeres Essen und den wunderschönen Ausblick von der Burg – die Anstrengung während der Pause hatte sich also doch noch gelohnt. 

 

Am Abend schnitt ich weiter an meinen Kurzvideos und beantwortete noch einige E-Mails. Später spielte ich mit meiner Schwester noch ein bisschen Karten und genoss die gemeinsame Zeit. Dann hieß es, mich mental auf den nächsten Tag vorzubereiten, der wegen der vielen Höhenmeter sehr anstrengend werden würde. 

Tag 6


Heute setzte ich meine Reise von München in den Süden fort. Zu Beginn des Tages wusste ich noch nicht, wie weit ich es schaffen würde. Ursprünglich hatte ich geplant, am Chiemsee einen Bauern nach einem Schlafplatz zu fragen. Doch da die Straßen aus München heraus so gut befahrbar waren und ich schnell vorankam, änderte ich meine Pläne. Schon um 15:00 Uhr erreichte ich den Chiemsee. Also raffte ich mich auf und fuhr weiter bis nach Salzburg. Damit setzte ich meine Beine einem echten Extremtest aus: 160 km, über 1000 Höhenmeter und etwa 60 Kilo Fahrrad mit Gepäck. Am Ende des Tages war ich ziemlich erschöpft, aber ich merkte, dass sich mein Körper immer mehr an die Belastung gewöhnte. In Salzburg angekommen, kochte ich mir erst einmal eine Portion Nudeln bei meiner Schwester und fiel dann ziemlich schnell müde ins Bett.

Tag 5


An Tag fünf legte ich meinen ersten Pausetag während der Tour ein. Ich organisierte Bestellungen aus meinem Onlineshop, schnitt meine Kurzvideos fertig und gönnte mir am Nachmittag eine Sauna in einem Fitnesscenter in der Nähe von meinem Bruder. Das tat meinen Beinen richtig gut und half mir, mich gut zu regenerieren. Am Abend aßen wir noch einmal ausgiebig, und ich zeigte meinem Bruder die beiden Teile meiner letzten Radreise zum Nordkap. Danach fielen wir beide erschöpft ins Bett.  


Tag 4


Heute fuhr ich nach München zu meinem Bruder Mads. Ich spürte noch deutlich die lange Etappe vom Vortag in meinen Beinen. Carlos hatte mir am letzten Tag eine schöne Strecke am Lech entlang und auf dem AM-Radweg von Augsburg nach München empfohlen. Zwar war dies nicht die schnellste und flachste Route, aber sie bot den wenigsten Verkehr und ein wunderschönes Panorama. So fuhr ich über zahlreiche Hügel und konnte immer mehr die Alpen am Horizont erkennen. 

 

Etwa 20 Kilometer vor München machte ich eine kurze Pause und genoss ein Eis in der Sonne, die gerade hervorkam. Danach stand der letzte Abschnitt in Richtung München Obersendling an, um endlich meinen Bruder zu erreichen. Die letzten Kilometer waren wirklich anstrengend, da meine Knie durch die Belastung vom Vortag stark schmerzten. 

 

Um 14:30 Uhr kam ich schließlich in München an, freute mich über eine warme Dusche und leckeres Essen. Den Rest des Tages verbrachte ich mit Entspannen, schnitt meine Kurzvideos für die Reiseberichte und fiel schließlich müde ins Bett.  

Tag 3


Heute setzte ich meine Reise von Göppingen in Richtung Augsburg fort. Nach etwa 20 Kilometern traf ich auf einen anderen Radfahrer. Auch er hatte Packtaschen an seinem Fahrrad, war jedoch mit seinem Gravel Bike deutlich schneller unterwegs als ich mit meinem Schwerlast-Boliden. Trotzdem wollte er die Strecke nach Augsburg gemeinsam mit mir fahren. Die Zeit mit ihm war sehr angenehm. Wir unterhielten uns über Gott und die Welt. Jannik, 35 Jahre alt, arbeitete als Biochemiker bei Fraunhofer als KI-Integrator. Zuvor hatte er nach seinem Studium fünf Jahre in einem Startup mitgearbeitet, aber bald gemerkt, dass er mehr Entspannung im Beruf brauchte. Deshalb wechselte er zu einem großen Unternehmen wie Fraunhofer. Diese und viele andere Geschichten tauschten wir während der gemeinsamen Fahrt aus. 

 

Nachdem wir mehrere Stunden durch die hügelige Landschaft Süddeutschlands gefahren waren, kamen wir abends um 19:00 Uhr in Augsburg an. Am Abend zuvor hatte ich über Warmshowers, einer Plattform für Radreisende, einen Gastgeber kontaktiert und eine Zusage erhalten. Zunächst hatte ich mich jedoch in der Straße vertan und war in der Bismarckstraße in Augsburg gelandet. Erst als ich Carlos anrief, erfuhr ich, dass er in einem Vorort von Augsburg, ebenfalls in der Bismarckstraße, wohnt. Das bedeutete für mich nach über 125 Kilometern noch einmal 5 Kilometer weiterzufahren – und das merkte ich dann auch ordentlich in den Beinen. 

 

Als ich schließlich bei Carlos ankam, war er schon dabei, leckeres Essen vorzubereiten. Es gab Brot mit Aufstrich und Spiegelei, dazu Kartoffelsalat, Käse und Paprika. Während des Essens und auch danach führten wir noch zahlreiche Gespräche über allerlei Themen. Carlos leitet einen Waldkindergarten und arbeitet dort als Erzieher. Er ist ein sehr entspannter Mensch und freut sich immer, Menschen mit besonderen Geschichten bei sich aufzunehmen. Unsere Gespräche reichten von Radreisen über politische bis hin zu gesellschaftlichen Themen. 

 

Um 0:30 Uhr mussten wir dann ins Bett, weil Carlos am nächsten Morgen wieder zur Arbeit musste und ich meine Reise in Richtung München fortsetzen wollte. 

Tag 2



Heute bin ich aus Gemmingen aufgebrochen und wurde sofort von vielen Hügeln begrüßt. Mein Ziel war Stuttgart. Nach vielen Kilometern und einigen Höhenmetern, die ich deutlich in meinen Beinen spürte, kam ich schließlich in Stuttgart an. Bei einer kurzen Rast traf ich auf Spaziergänger, mit denen ich ins Gespräch kam. Der Mann des Pärchens fragte mich, wohin meine Reise führt. Als ich ihm meine Pläne erzählte, sagte er, dass er diese sehr gut findet und selbst aus der Nähe von Kapadokien stammt, durch das ich ebenfalls fahren möchte. Er gab mir noch einige wertvolle Tipps zur türkischen Kultur und der faszinierenden Landschaft. Nach diesem netten Gespräch setzte ich meine Reise fort, durch den Großraum Stuttgart in Richtung Göppingen. 

 

In Göppingen hoffte ich, endlich von den Vororten und Ausläufern Stuttgarts in eine ländlichere Gegend zu gelangen, aber leider war dem nicht so. Daher konnte ich auch nicht bei einem Bauernhof nachfragen, ob ich dort mein Zelt aufschlagen könnte. Eine Jugendherberge war ebenfalls nicht in erreichbarer Nähe. Da es inzwischen schon dunkel war, holte ich mir eine Portion Pasta bei Domino’s, um mir das Kochen im Dunkeln zu ersparen und direkt in meinen Schlafsack zu fallen. 

 

So machte ich mich auf den Weg zurück, ein Stück vor Göppingen zu einem Feld. In Google Maps hatte ich eine alte Jägerhütte entdeckt, die sich in einer Sackgasse auf einem Hügel über Göppingen befand. Dort wollte ich mein Zelt aufbauen, weil ich davon ausging, dass dort nicht viele Menschen vorbeikommen würden. Auf dem Weg dorthin begegnete ich zwei Spaziergängern mit Hund. Ich sprach kurz mit ihnen und nutzte die Gelegenheit, sie zu fragen, ob sie vielleicht einen guten Schlafplatz für mich wüssten. Die Frau bot mir an, in ihrem Garten zu übernachten. Sie sagte, ich solle zum 100 Meter entfernten Haus ihrer Familie gehen und dem Mann erklären, dass sie mir das erlaubt hatte. Der Mann war jedoch skeptisch und misstrauisch, als ich klingelte. Ich merkte schnell, dass er mit dem Plan seiner Frau nicht einverstanden war und mich weder im Garten noch im Haus haben wollte. 

 

Also setzte ich meinen Weg fort und machte mich auf den Weg zur Jägerhütte am Feldrand. Ich baute mein Zelt geschützt hinter der Hütte auf und konnte beim Aufbauen den klaren Sternenhimmel genießen. 

 

Am nächsten Morgen wachte ich früh um 6:30 Uhr auf, aß zwei Brote, die ich mir am Vortag beim Landwirt geschmiert hatte, und beobachtete, wie die Sonne langsam hinter dem Nebel und den Wolken im Tal der Hügel aufging. Diese besondere Gelegenheit nutzte ich, um die atemberaubende Szene mit meiner Drohne zu filmen. 


Tag 1


Heute bin ich aus Darmstadt aufgebrochen und kam gegen Mittag in Heidelberg an. Dort machte ich eine Mittagspause und schonte mein Knie ein wenig. Danach setzte ich meine Reise in Richtung Sinsheim fort. In Sinsheim kam ich am Technikmuseum vorbei und bewunderte die Concorde. Hinter Sinsheim, in Gemmingen, passierte ich einen Bauernhof. Dort lernte ich einen freundlichen Landwirt kennen und fragte ihn, ob ich auf einer seiner Wiesen mit meinem Zelt übernachten dürfte. Er stimmte sofort zu und ermöglichte mir sogar eine warme Dusche. Nach dem Duschen unterhielt ich mich noch nett mit seiner Mutter, die mich für den nächsten Morgen zum Frühstück einlud. Die Nacht war relativ mild. Am nächsten Morgen baute ich früh um 8:00 Uhr mein Zelt ab und ging zum Frühstücken zu dem Landwirt. Es war wirklich schön, mit der Familie über Gott und die Welt zu plaudern und viele interessante Geschichten zu hören.